Prostitutionsgesetz: Ein halber Sieg!
Die gute Nachricht zuerst: Der nahezu zahnlose Entwurf für ein neues Prostitutionsgesetz, den Frauenministerin Manuela Schwesig im März vorgelegt hatte, ist so nicht durchgegangen. In dem Entwurf hatten entscheidende Punkte zum Schutz der Frauen entweder ganz gefehlt – oder sie waren bis zur Wirkungslosigkeit aufgeweicht.
Beispiel: die Erlaubnispflicht für „Prostitutionsstätten“. Nach dem Willen des SPD-geführten Ministeriums sollten nur Bordelle unter die Erlaubnispflicht fallen, nicht aber Wohnungen. Dabei entziehen sich gerade diese „Model-Wohnungen“ der polizeilichen Kontrolle und sind für Zuhälter daher besonders praktisch, das heißt: Für die Frauen in der Prostitution besonders gefährlich.
Oder die Anmeldepflicht: Zwar hatte auch der erste Entwurf eine Anmeldepflicht vorgesehen, aber weder geregelt, wo diese Anmeldung erfolgen sollte, noch, ob ein Verstoß gegen die Anmeldepflicht überhaupt Konsequenzen hätte.
Die Pro-Prostitutions-Lobby jubelte, Kommentar Holger Rettig, Sprecher des „Unternehmerverbandes Erotikgewerbe Deutschland“ (UEGD), sprich: der Bordellbetreiber: „Es hätte schlimmer kommen können.“ Vielleicht kommt es nun schlimmer. Schlimmer für die Frauenhändler.
„Dieses Wischiwaschi lassen wir so nicht durchgehen!“ hatte Barbara Lanzinger, Vorsitzende der CSU-Frauenunion, angekündigt. In der Tat hat die Union dem sozialdemokratischen Koalitionspartner, der sich vor allem von den Lobbyverbänden hatte „beraten“ lassen, nun einige Verbesserungen abgerungen:
- Die Nichteinhaltung der Anmeldepflicht wird sofort Konsequenzen haben und nicht erst, wenn eine Frau sie „beharrlich“ ignoriert (wie es im ersten Entwurf hieß). Diese effektive Anmeldepflicht ist wichtig, weil viele Frauen, besonders die Ausländerinnen aus Osteuropa oder Afrika, in Bordellen oder Wohnungen leben, ohne dass irgendjemand auch nur von ihrer Existenz weiß. Sie sind sozusagen „vogelfrei“.
- Die Anmeldung und das dazugehörige Beratungsgespräch soll auf jeden Fall bei einer „Behörde“ erfolgen. In der alten Fassung des Entwurfs hätte sie auch delegiert werden können, zum Beispiel an Beratungsstellen wie Hydra, Kassandra & Co., die vorwiegend „pro Prostitution“ beraten.
- Die „Gelegenheitsprostitution“, die vormals nicht unter das Gesetz hätte fallen sollen, ist nun mit drin.
Einige entscheidende Punkte aber sind immer noch offen, weil die SPD sie blockiert. Sie sollen in den nächsten Wochen, also der parlamentarischen Sommerpause, in der „Ressortabstimmung“ von den vier zuständigen Ministerien geklärt werden: Frauen, Innen, Justiz und Gesundheit. Erst dann werden wir wissen, ob das neue Prostitutionsgesetz auch nur ansatzweise dazu geeignet ist, das „hochkriminogene Umfeld“ (O-Ton Innenministerkonferenz), in dem Prostitution gemeinhin stattfindet, in die Schranken zu weisen.
- Immer noch ist unklar, ob das Weisungsrecht, das Rot-Grün in der Reform 2002 den Bordellbetreibern ins Gesetz geschrieben hat, nun endlich wieder abgeschafft werden soll oder nicht. Das ist, gelinde gesagt, erstaunlich, denn das Weisungsrecht nutzt ausschließlich den Bordellbetreibern.
- Immer noch ist unklar, ob sich Prostituierte in jeder Stadt anmelden müssen, in der sie tätig sind. Häufig werden die Frauen von Bordell zu Bordell und von Stadt zu Stadt verschoben, um den Freiern „Frischfleisch“ zuzuführen (und damit die Frauen vor Ort keine Kontakte knüpfen). Das heißt: Ohne örtliche Anmeldepflicht wüsste wieder niemand, wo die Frauen sind.
- Immer noch ist unklar, ob alle Wohnungen, in denen Prostitution betrieben wird, unter die Anmeldepflicht und die anderen Regelungen fallen. Die SPD möchte Wohnungen ausnehmen, in denen nur eine Frau arbeitet, die Mieterin der Wohnung ist. Das wäre fatal, weil ein Zuhälter eine Wohnung ganz einfach auf den Namen „seiner“ Prostituierten anmelden könnte und die dann durchs Raster fällt. Auch könnten Bordellbetreiber ihren Betrieb dann einfach in ein „Apartmenthaus“ verwandeln – und so die Erlaubnis- und Anmeldepflichten umgehen.
Zuguterletzt die ganz schlechte, wenn auch nicht neue Nachricht: Einige entscheidende Punkte fehlen nach wie vor ganz. So ist die Heraufsetzung des Mindestalters von 18 auf 21 Jahre definitiv vom Tisch. Doch nur die hätte so manche junge Rumänin davor bewahren können, ihre ersten sexuellen Erfahrungen mit einem deutschen Freier machen zu müssen. Vor allem diese ganz jungen, besonders naiven und besonders ausgelieferten Frauen machen den Löwenanteil des Marktes aus.
Ebensowenig wird die neue Reform die Wuchermieten verhindern, die die sogenannten „Laufhäuser“ heute von den Frauen verlangen: 150 bis 180 Euro – am Tag. Dafür muss eine Frau schon sechs Freier „bedienen“, und hat dann noch keinen Cent für sich.
Das große Geschäft mit der Prostitution werden also weiterhin die Bordellbetreiber, Zuhälter und Menschenhändler machen. Aber immerhin: Wenn das – eigentlich schon für den 1. Juni 2015 angekündigt – neue Prostitutionsgesetz verabschiedet sein sollte, werden die Frauen (und die Minderheit der Männer) in der Prostitution auch im „Zuhälterparadies“ Deutschland endlich wieder besser geschützt sein. Wenigstens ein bisschen. Wir ProstitutionsgegenerInnen haben dann eine Schlacht gewonnen - aber noch lange nicht den Krieg.