Bastion Wirtschaft - Frauen ante Portas

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Minister Ansgar Gabrielsen fand: Es reicht! Weil die Aktiengesellschaften ihre Aufsichtsräte nicht freiwillig verweiblichen, erließt er für Norwegen eine 40%-Quote. Und in Deutschland? Eine Wirtschaftsjournalistin hakt nach.

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Der Anstieg ist rekordverdächtig: Mehr als verdoppelt hat sich der Anteil von weiblichen Aufsichtsräten in Norwegen von 2003 bis 2005. Und bis Ende 2007 wird er sich noch einmal verdoppelt haben: Vier von zehn Kontrolleuren der börsennotierten norwegischen Firmen werden dann Frauen sein – was einmalig auf der Welt ist.
So einmalig wie das norwegische Gesetz, das die Frauenpower in den börsennotierten Firmen ermöglicht hat. Weil die 519 Börsenkonzerne ihren Frauenanteil in den Kontrollgremien bis Ende 2005 nicht freiwillig auf 40 Prozent erhöht haben, müssen sie es nun zwangsweise tun. Keine Aktiengesellschaft wird neu in Norwegen registriert, die die Vorgabe nicht erfüllt. Und die existierenden Firmen haben bis Ende 2007 Zeit, danach droht ihnen – die Zwangsauflösung.
Geschaffen hat das Quotengesetz ein konservativer Minister, Ansgar Gabrielsen. „Die Frauen sind in den höheren Ausbildungen längst überrepräsentiert, auf diese Kenntnisse können die Unternehmen nicht verzichten“, sagt er. Tatsächlich sind Frauen auch in der Wirtschaft weltweit auf dem Vormarsch, doch in den Topetagen noch längst nicht angekommen.
Das gilt ganz besonders für Deutschland: In den Vorstandsgremien der Dax-30-Konzerne – also dort, wo die täglichen, operativen Entscheidungen einer Firma gefällt werden – sitzt gerade mal eine Frau: Karin Dorrepaal beim Pharmakonzern Schering. In den Aufsichtsratsgremien sind es mit zehn Prozent zwar deutlich mehr, 66 der 83 deutschen Aufsichtsrätinnen in den Dax-30-Konzernen wurden jedoch von den Gewerkschaften berufen, da es in Deutschland die Besonderheit der Mitbestimmung in Aufsichtsräten gibt. Sie besagt, dass die Hälfte des Kontrollgremiums von den Arbeitnehmervertretern gestellt wird. Die andere Hälfte wird von den Kapitaleignern, also den Aktionären, benannt. Meist sind das aktive oder pensionierte Vorstände anderer Unternehmen, oft kennen sich die Herren gegenseitig.
Neben der Kontrolle des Unternehmens hat der Aufsichtsrat eine außerordentlich wichtige Aufgabe: Er beruft den Vorstand und entscheidet damit über die Personen, die operativ an der Spitze eines Unternehmens stehen. Frauen in Aufsichtsräten könnten deshalb theoretisch dafür sorgen, dass mehr Frauen in Vorstandspositionen gewählt werden. Oder, dass die Unternehmen bessere Frauenförderpläne entwickeln. Oder, dass die Firmen Mitarbeitern mit Kindern mehr Flexibilität ermöglichen. Ob dem tatsächlich so ist, wird sich nicht zuletzt in Norwegen in den kommenden Jahren beobachten lassen.
Je schneller die Globalisierung die Welt verändert, desto deutlicher wird die Gestaltungsmacht der Wirtschaft. Wenige hundert Finanzmanager bewegen inzwischen in Sekunden Milliardenwerte rund um den Globus. Etliche Konzerne haben größere Umsätze als die Budgets von Kleinstaaten. Doch während es in der Politik inzwischen eine ganze Reihe von Staatenlenkerinnen gibt, haben Konzernchefinnen und weibliche Aufsichtsratsvorsitzende noch Exotinnenstatus.
Am sichtbarsten sind Chefinnen sicherlich in den USA, wo beispielsweise Meg Whitmann das Auktionshaus Ebay führt oder Patricia Russo den Telekom-Ausrüster Lucent. In Europa sind Wirtschaftsfrauen in Frankreich, Großbritannien und Spanien stark: So steht mit Laurence Parisot ein Frau an der Spitze des französischen Arbeitgeberverbandes, der Atomkonzern Areva wird von Anne Lauvergeon geführt. In Spanien wird mit Banesto eine der größten Banken von Ana Patricia Botin geleitet. In England steht die US-Amerikanerin Marjorie Scardino an der Spitze des Medienkonzerns Pearson, der die Wirtschaftszeitung Financial Times herausgibt.
Nirgendwo gibt es jedoch so viele Firmenchefinnen (und meist auch Eigentümerinnen) wie in Osteuropa. Ausgerechnet Russland hat nach einer Umfrage der britischen Unternehmensberatung Grant Thornton unter 6900 Firmen in 26 Ländern die anteilig meisten weiblichen Führungskräfte: In 89 Prozent der russischen Unternehmen halten Frauen eine Führungsposition, 42 Prozent aller Manager in Russland sind weiblich.

Fast alle Beobachter erklären sich dies mit dem Chaos nach dem Ende des Kommunismus: In dem Systembruch lagen auch gewaltige Chancen für den Neuanfang, den offensichtlich auch viele der top ausgebildeten Frauen genutzt haben. Vielen der russischen Firmenlenkerinnen gehört deshalb auch ihr Unternehmen, oder zumindest große Teile davon. So hat beispielsweise Wanda Rapaczynski in Polen den Zeitungskonzern Agora aufgebaut. Oder Jelena Baturina in Russland den Mischkonzern Inteko, der sie zur reichsten Russin gemacht hat.
Wo es derartige Umbrüche nicht gegeben hat, bleibt Frauen nur der langsame Marsch nach oben – oder ein Turbobeschleuniger wie die norwegische Quotenregelung.
Im öffentlichen Leben von Norwegen sind Frauenquoten seit langem normal: Schon vor 25 Jahren hat die damalige Regierungschefin Gro Harlem Brundtland zwei Fünftel ihres Regierungsteams mit Frauen besetzt. In öffentlichen Gremien und Ausschüssen gibt es seit den achtziger Jahren eine Quote von 40 Prozent. Im norwegischen Parlament liegt der Frauenanteil derzeit bei 36 Prozent.
So setzte Norwegen bei der Aufsichtsratsquote zuerst auch auf Freiwilligkeit: Bis Ende 2005 hatten die Firmen Zeit, um ihre Aufsichtsräte umzubilden. Einige Firmen, wie der Ölkonzern Statoil oder der Telekomanbieter Telenor, haben das auch geschafft. Bei den anderen greift seit Januar die Quote.
Sie hat auch in Norwegen die übliche Diskussion ausgelöst, ob es denn überhaupt so viele kompetente Frauen geben würde. Ein Argument, dass die norwegische Headhunterin Turid So-Vang nicht mehr hören kann. „Kein Zweifel, es gibt genügend kompetente Frauen, und sie wollen Macht ausüben“, sagte sie der ARD. Ihrer Meinung nach erweitert die Quote den Kreis der für Aufsichtsratsmandate Qualifizierter: „Früher rief man einen Freund oder Bekannten an und fragte: Willst Du in meinen Aufsichtsrat? Seit der Quotierungsdebatte geht es um Kompetenz – auch bei Männern“.
In einem Internetforum der britischen Wirtschaftszeitung Financial Times zur norwegischen Quote waren die Reaktionen gemischt. „Quoten liefern Resultate, die bei weichen Zielen nicht immer der Fall sind“, schreibt beispielsweise Mirella Visser: „In den Firmen gilt die Regel, dass nur das erledigt wird, was auch gezählt werden kann“.
Shanti Flossmann hingegen argumentiert, dass die „Unternehmenswelt sich nicht ändert, wenn man sie nicht dazu zwingt. Gesetze können da ein Weg sein. Männer führen heute Firmen und machen sich ihre Regeln, die häufig Frauen ausschließen.“ David Huebel weist darauf hin, dass die Quote das traditionelle „Old-Boys-Network“ in den oberen Firmenetagen durcheinanderwirbelt: „Natürlich ist es viel schwieriger, eine Frau für den Aufsichtsrat zu finden, als einen alten Schulfreund zu benennen.“
In Deutschland, wo wir die parteipolitische Quote durchaus kennen, wäre eine Aufsichtsrats-Quote – bisher undenkbar.
„Ich fände es sehr problematisch, wenn der Staat derart in die Rechte der Eigentümer eingreift“, erklärt Reinhild Keitel vom Vorstand der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK). Große Skepsis auch beim Bundesjustizministerium von Brigitte Zypries: „Das müsste man verfassungsrechtlich prüfen und es wäre am § 3 des Grundgesetzes zu messen“, erklärt ein Sprecher. Der Paragraf beschreibt die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Und eine Quote sei wohl nur hinzunehmen, „solange es keine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gibt.“
„Das Thema ist hoffnungslos“, seufzt eine Frau bei einem wichtigen Wirtschaftsverband, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Bei uns im Haus kümmert sich da niemand drum, damit ist hier kein Blumentopf zu gewinnen.“ Auch Elke Holst, die beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin zum Thema forscht, sieht das illusionslos: „Deutschland ist ein konservatives Land, da geht das alles bestenfalls im Schleichgang“.
Holst hat im März eine Studie zum Thema Frauen in Managementpositionen vorgelegt – mit wenig ermunternden Ergebnissen: So waren im Jahr 2004 zwar 45 Prozent aller Jobs in Deutschland mit Frauen besetzt, aber nur 10 Prozent der Management-Jobs. Am besten ist das Bild bei Verbänden und im öffentlichen Sektor, wo im mittleren Management inzwischen 20 Prozent und im Top-Management 13 Prozent Frauen arbeiteten.
Allerdings holen die Frauen langsam auf, schreibt Holst: Seit 1999 hat sich der Anteil der Frauen im mittleren Management um 8 auf 20 Prozent erhöht, im Top-Management allerdings nur um 2 Prozentpunkte auf knapp 13 Prozent. Die DIW-Forscherin könnte einer Quote einiges abgewinnen: „Je mehr Frauen in führenden Positionen sichtbar sind, desto mehr Rollenvorbilder sind für jüngere Frauen verfügbar.“

Tatsächlich haben es auch in Deutschland in letzter Zeit eine ganze Reihe Frauen in Vorzeigejobs geschafft: Anke Schäferkordt führt seit einigen Monaten den Fernsehsender RTL; Christine Bortenlänger die Bayrische Börse; Karen Heumann sitzt im Vorstand des Werbers Jung von Matt; Renate Krümmer verantwortet die Strategie der Commerzbank. Noch jedoch fehlt die Ebene der Topjobs in den Dax-30-Konzernen, noch ist Schering-Vorstand Karin Dorrepaal dort die einzige Frau. Und noch sind die wenigen deutschen Aufsichtsrätinnen weitgehend unbekannt.
Auch hat es den Anschein, dass das Thema außerhalb Deutschlands weit intensiver diskutiert wird. So hat das in Paris ansässige ‚European Professional Women’s Network‘ im Jahr 2004 den ersten ‚EPWN European Board Women Monitor‘ aufgelegt, der die Zahl der weiblichen Aufsichtsrätinnen in Europa misst (www.nho.no/ff). In Großbritannien ist vor wenigen Monaten das Buch ‚A Woman’s Place is in the Boardroom‘ (Der Platz einer Frau ist im Aufsichtsrat) der Autorinnen Peninah Thomson und Jacey Graham erschienen. Unter anderem als Folge der darüber entstandenen Diskussion haben die beiden Autorinnen gemeinsam mit den Chefs und Aufsichtsratsvorsitzenden der größten britischen Aktienkonzerne ein Mentor-Programm für weibliche Aufsichtsräte gestartet.
Thomson und Graham nennen die üblichen Gründe, wenn sie den Mangel an Frauen im Aufsichtsrat erklären sollen: Frauen machen zu wenig Werbung für sich, knüpfen ihre Netzwerke nicht dicht genug, konzentrieren sich zu sehr auf Ergebnisse statt auf Machterweiterung. Und dann seien da natürlich noch die Männer, die keine Frauen im Club wollten, die unbewusst oder bewusst Männer bei der Karriereauswahl vorzögen, die ein Frauen abstoßendes Klima im Unternehmen schaffen würden.
Das stimme alles, meint Irene Natividad, die einer internationalen Vereinigung weiblicher Aufsichtsräte namens „Corporate Women Directors International“ (

www.globewomen.com) vorsitzt. Dennoch ist sie für die Zukunft optimistisch: Frauen treffen heute schon die Mehrzahl der Kaufentscheidungen, gründen immer mehr Firmen selbst und haben auch immer mehr eigenes Vermögen zur Verfügung.
Diese zunehmende wirtschaftliche Macht macht die Frauen auch für die Konzerne immer interessanter: „Frauen sind wichtige Stakeholder als Konsumentinnen, Mitarbeiterinnen, Arbeitgeberinnen und Aktionärinnen.“ Ihre Interessen müssten in den Aufsichtsräten der Firmen vertreten sein, wenn die ihre Dienstleistungen und Waren erfolgreich an Frauen verkaufen wollten, meint Natividad. Sie bringt diese Hoffnung auf eine einfache Formel: „Frauen sind längst keine Nische im Markt mehr, sondern eine Mehrheit.“

www.nho.no/ffwww.globewomen.com

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