Retterinnen der Natur
Es war einmal eine Stadt in Amerika, in der alle Geschöpfe in Harmonie mit ihrer Umwelt zu leben schienen.“ Wie ein Märchen beginnt das literarische Sachbuch „Der stumme Frühling“ – ein Märchen, das rasch in einen Alptraum umkippt: Eine „seltsame schleichende Seuche“ sucht die ländliche Siedlung heim, tötet Küken, Rinder und Schafe, und auch die Menschen werden krank. „Es herrschte eine ungewöhnliche Stille. Wohin waren die Vögel verschwunden?“ Im Rest des Buches wird es erklärt: Es ist der Missbrauch von DDT und anderen Pflanzenschutzmitteln, der das Unglück gebracht hat. Erste Symptome der schleichenden Vergiftung sind bereits vielerorts zu beobachten.
Das 1962 erschienene Buch wird zum Weckruf: Es wird in 28 Sprachen übersetzt, verkauft sich millionenfach. Seine Autorin, die Amerikanerin Rachel Carson (siehe Kurzporträt), wird zur Pionierin der Ökologiebewegung. Sie bringt Umweltgesetze auf den Weg, Anfang der 1970er Jahre wird DDT in vielen Ländern verboten.
Das Verschwinden der Vögel macht auch Lina Hähnle Sorgen. Die Ehefrau eines Filzfabrikanten lebt in Giengen an der Brenz an den östlichen Ausläufern der Schwäbischen Alb. „Ende des 19. Jahr hunderts wandelt sich Hähnles Umwelt rasant“, heißt es in einem Ausstellungstext über sie. „Es sind die Boomjahre des Kaiserreichs. Städte und Industriegebiete wachsen in die Landschaft, Abwässer verschmutzen viele Flüsse, die Landwirtschaft schluckt Büsche und Knicks.“ Folge: Vögel verlieren ihre Nistplätze und Nahrungsangebote. Außerdem werden sie wegen ihrer Federn gejagt, die zahlreiche Damenhüte schmücken.
Lina Hähnle handelt: Die 48-Jährige gründet 1899 den „Bund für Vogelschutz“. Er entwickelt sich zur erfolgreichsten Naturschutzorganisation des Deutschen Reichs – und besteht bis heute: als Naturschutzbund Deutschland (NABU).
Im Kenia der 1970er Jahre kämpft Wangari Maathai gegen einen ähnlichen Kahlschlag: die Abholzung der einheimischen Wälder für den Kaffee- und Teeanbau. Zusammen mit dem Nationalen Frauenrat Kenias gründet die Biologin, die auch in den USA und in Deutschland studiert hat, im ganzen Land Baumschulen. Frauen säen, pflanzen und verkaufen die jungen Bäume. „Wangari Maathai sieht ihre Bewegung von Beginn an als soziale Aufgabe“, heißt es in einer Biografie über sie.
„Mit den Bäumen werden lobensnotwendige Ressourcen zurückgewonnen. Sie liefern Früchte, Dünger und Holz zum Heizen und Kochen. Die Baumschulen eröffnen Frauen ohne Ausbildung Einkommensquellen und neue Perspektiven.“ Wangari Maathai wird 1984 mit dem Alternativen Nobelpreis geehrt, 2004 erhält sie den Friedensnobelpreis – als erste Afrikanerin überhaupt. Dank ihrer grenzüberschreitenden Initiative, das Green Belt Movement, sind in ganz Afrika bis heute über 45 Millionen Bäume gepflanzt worden.
Die US-Amerikanerin Carson (1907 – 1964), die Deutsche Hähnle (1851 – 1941) und die Kenianerin Maathai (1940 – 2011) – sie alle gehören zu den bekannteren unter den Pionierinnen des Umweltschutzes. Ihr Engagement war großartig, es war populär und nachhaltig. Waren sie Ausnahmefiguren? Keineswegs.
Den ganzen Artikel in der Juli/August-Ausgabe lesen.