Schweiz: Väter-Initiative von gestern!

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Es ist cool, Papa zu sein. Auch in der Schweiz ist es Mode, sich samstags mit einem Buggy samt Inhalt zum Schaulaufen in die Shoppingmall zu stellen. Die öffentlich zur Schau gestellten Vatergefühle stehen für eine neue Männlichkeit. Nun soll dieses Feeling gar in ein Gesetz münden.

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Müttern wird weiterhin die Verantwortung übertragen

In der Schweiz läuft eine Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative, die Vätern mehr Rechte geben will. Trägerschaft ist eine breite Koalition von Arbeitnehmer- und Familienorganisationen.

„Vaterschaftsurlaub jetzt!“, zwei Worte, ein Slogan, er soll möglichst viele glücklich machen. Alle unterstützen die Idee. Das Volk: Gemäß repräsentativen Umfragen befürworten 80 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer die Initiative. Frauen- wie Männerverbände, grüne wie rote PolitikerInnen: Väter sollen ein Jahr nach der Geburt ihres Kindes das Recht auf 20 bezahlte, frei wählbare Urlaubstage haben.  

Kann daran also etwas falsch sein? Heute erhält der frisch gebackene Vater nach der Geburt eines Kindes genau so viel bezahlte freie Zeit, wie das Gesetz für einen Wohnungswechsel vorsieht -  einen einzigen Tag. Sind da 20 freie Tage, in Arbeitszeit gerechnet ein Monat, bei Zuwachs zur Familie nicht vorbildlich?

Ja, sie sind vorbildlich Schweizerisch. Der Durchschnitt des Vaterschaftsurlaubs liegt in den OECD-Ländern bei acht Wochen. Die geforderten 20 Tage sind davon lediglich die Hälfte, ein schweizerisch-fauler Kompromiss also.

Gemäßigt und vernünftig soll die Lösung sein, und auch das ist eine typisch helvetische Sichtweise. Man ist pragmatisch hierzulande. Bisher hat das Parlament den Vaterschaftsurlaub nicht weniger als 30 Mal abgelehnt. Mit der Volksinitiative soll nun die Bürgerin und der Bürger sein Unbehagen ausdrücken und einem Kompromiss zustimmen, der allerdings das große Ziel torpediert - die Elternzeit.

Kinder aufzuziehen ist eigentlich weder Mutter- noch Vatersache, es sollte die Sache von Eltern sein. Von Eltern jedweder Geschlechtszugehörigkeit. Genau wie die Mütter sollten also auch die Väter in eine 14-wöchige Elternzeit gehen können. Und ausbezahlt werden sollte das Elterngeld nur, wenn beide Elternteile nach der Geburt ihres Kindes wieder erwerbstätig sind.

Island kennt ein solches Modell und hat damit Erfolg. Die Erwerbsquote isländischer Mütter liegt weit über jener in der Schweiz. Doch wenn Mütter 14 Wochen nach der Geburt zuhause bleiben, während Väter lediglich vier Wochen bei ihrem Kind sind, aufgeteilt in einzelne Tage, ist das ein Zeichen. Und kein Gutes. Man akzeptiert eine Gesetzesregelung, die das traditionelle Rollenmuster bestärkt. Und das unter falschem Vorzeichen, die Initianten verkaufen ihr Anliegen als Fortschritt.

Bei 20 Tagen, die Papa stolzer Papa sein soll, wird der Mutter weiterhin der größte Teil der Verantwortung für das Kind übertragen. Und das dann sogar staatlich legitimiert. Sie wird nach der Geburt mit geringerer Wahrscheinlichkeit als der Vater wieder ins Erwerbsleben einsteigen, und sie wird mit Lohneinbußen und einem Karriereknick rechnen müssen. Denn auch in der Schweiz bestehen Lohnunterschiede weniger zwischen den Geschlechtern - sie sind in erster Linie zwischen Vätern und Müttern festzumachen.

Alles ist also falsch an dieser Volksinitiative. Diese Diskussion um einen Vaterschaftsurlaub führt in die falsche Richtung. Sie dreht das Rad der Geschlechtergleichheit zurück, zurück in die Siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts.

Und das dann sogar staatlich legitimiert

1971 haben Schweizer Frauen dank einer Volksabstimmung endlich das Stimm- und Wahlrecht erhalten und damit die gleichen Bürgerrechte wie der männliche Teil der Bevölkerung. Die Schweizerinnen waren die letzten in Europa – doch sie waren die ersten, die nicht an einem paternalistischem Parlament scheiterten, sondern an einem Volk von Brüdern ohne Schwestern. Wer dieser Volksinitiative am 24. November zustimmt, unterstützt, dass Frauen auch in Zukunft die Wahl treffen müssen zwischen Kind und Karriere.

Daniele Muscionico - Die Autorin lebt in Zürich und schreibt u.a. für NZZ und Weltwoche.

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Sorgerecht: Mütter vor Gericht?

Jochen König
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Der Europarat forderte im Oktober 2015 seine Mitgliedsländer in einer ohne Gegenstimmen angenommenen Resolution auf, per Gesetz das so genannte „Wechselmodell“ nach Trennung der Eltern als Grundsatz festzulegen. In Väter-Lobbygruppen wurde die Entscheidung als „Paukenschlag für die Gleichberechtigung von Mann und Frau“ bejubelt. „Alle Zeichen stehen auf Wechselmodell“ wurde prophezeit – aber vergessen, dass es sich beim Europarat trotz ähnlich klingendem Namen nicht um ein mit wirklichen Entscheidungskompetenzen ausgestattetes Gremium der EU handelt, sondern die Resolution stattdessen nur empfehlenden Charakter besitzt und schnell ­wieder in der Schublade verschwinden kann.

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Halbe-Halbe nach der Tren-
nung - das klingt erst mal gut.

Seit Jahren dreht sich ein Großteil der Kämpfe von Vätergruppen um das auch als „Doppelresidenz“ bezeichnete Wechsel­modell. Demnach sollten Kinder nach der Trennung ihrer Eltern grundsätzlich zu möglichst gleichen Teilen in den voneinander unabhängigen Haushalten ihrer beiden Elternteile leben, solange keine schwerwiegenden Gründe dagegensprechen.

Das Modell ist nicht neu. Viele Kinder wohnen nach der Trennung bei beiden Elternteilen. Auch meine beiden Kinder leben (zu unterschiedlichen Anteilen) in jeweils zwei Haushalten, haben jeweils zwei Kinderzimmer, je zwei Kleiderschränke und je nachdem, wo sie am Morgen aufwachen, auch unterschiedliche Schulwege. Für viele Fami­lien passt das Wechselmodell also sehr gut. Auch kleine Kinder können ohne Probleme zu zwei oder mehr Personen gleichwertige enge Beziehungen aufrecht halten. Und die Eltern der pendelnden Kinder haben neben der Zeit mit dem Nachwuchs noch Freiräume für andere Interessen und Bedürfnisse.

In den meisten Familien haben die Kinder jedoch keine zwei gleichwertigen Bezugspersonen. Meistens hat die Mutter ein engeres Verhältnis zum Kind. Und das nicht qua Natur, sondern vor allem deshalb, weil die wenigsten Väter nach der Geburt für mindestens ein Jahr zuhause geblieben sind, dafür aber 96 Prozent aller Mütter. In wenigen Bereichen ist die Aufteilung der Zuständigkeiten nach Geschlecht so eindeutig. Da kann in Sachen Einseitigkeit nicht einmal die statistische Geschlechterverteilung der DAX-Vorstände und Aufsichtsräte mithalten.

Sind beide Elternteile gleichwertige Bezugspersonen?

Die Mehrzahl der Väter entscheidet sich nach der Geburt eines Kindes dagegen, eine gleichwertige Bezugsperson für das Kind zu werden, und dafür, die Hauptverdienerrolle zu übernehmen. (Werdende) Väter müssen sich bewusstmachen, dass es sich dabei um eine weitreichende Entscheidung handelt, die nicht rückgängig zu machen ist und die nicht nur an die Beziehung mit der Mutter des Kindes geknüpft ist, sondern die sich auch unabhängig von der Mutter dauerhaft auf die eigene Beziehung zum Kind auswirkt. Der Beziehungsvorsprung der Mutter aus dieser ersten Zeit ist danach kaum noch aufzuholen.

Die Kämpfe um Gleichberechtigung beginnen für viele Väter auffälligerweise immer erst mit der Trennung von der Mutter. Wo sind die Vätergruppen, die von Vätern nach einer Geburt verlangen, die Mütter nicht mit der Verantwortung für ein kleines Kind alleine zu lassen und die eigene berufliche Karriere hintenanzustellen, weil ein Kind nun mal Mutter UND Vater braucht?

Mir ist es immer wieder ein Rätsel, wie Väter auf die Idee kommen können, dass ­gerade eine Trennungssituation, in der beide Elternteile sich vielleicht lieber für ein halbes Jahr aus dem Weg gehen würden, ein guter Moment sein soll, um eine jahrelang praktizierte Arbeitsteilung neu auszuhandeln. Wenn es den teilweise so erbittert für das Wechselmodell kämpfenden Vätern wirklich um Gleichberechtigung und den Kontakt zum Kind ginge, hätten sie sich an jedem einzelnen Tag vor der Trennung entscheiden können, eine neue Aushandlung der Zuständigkeiten einzufordern, weniger zu arbeiten und mehr für die eigenen Kinder da zu sein. Viel größer als die unzähligen durch Väter nach Trennungen erzwungenen jahrelangen familiengerichtlichen Verfahren können die finanziellen Einbußen dadurch auch nicht sein.

Größtes Armuts-
risiko für Mütter und Kinder: eine Trennung

Wer die Hauptlast der Kinderbetreuung trägt, mehr als nur für zwei Monate zuhause war und vor allem in den betreuungsintensiven ersten drei Jahren nach der Geburt die eigene Lebensplanung nahezu komplett auf das Kind ausrichten musste, muss sichergehen können, dass nach einer Trennung nicht plötzlich der frühere Feierabendelternteil alles über den Haufen wirft. Das gilt natürlich ­geschlechtsneutral in beide Richtungen.

Statt sich dem Druck der Vätergruppen zu beugen, empfehle ich darum dem Europarat, sich im Sinne der Gleichberechtigung in seinen Mitgliedsstaaten mit folgender Frage zu beschäftigen: Wie können Maßnahmen getroffen werden, damit eine Trennung nicht mehr zu den größten Armuts­risiken für Mütter und Kinder gehört, weil viele Mütter vor der Trennung jahrelang für die Kinderbetreuung beruflich zurückstecken mussten und nach der Trennung keinen oder zu wenig Unterhalt vom Kindesvater bekommen?

Jochen König
Dieser Text erschien zuerst in EMMA Juli/August 2016

Aktualisierung, EMMA, 28.2.2017:

Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) sieht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs mit großer Skepsis. Denn das "Wechselmodell", also die halbe-halbe-Betreuung des Kindes durch beide Elternteile nach der Trennung, setze voraus, dass die Eltern "trotz Trennung kommunizieren und kooperieren können". Dass künftig Familiengerichte gegen den Willen eines Elternteils, wohl meist der Mutter, das Wechselmodell verordnen, sei deshalb problematisch: "Wenn die Eltern sich vor Gericht über ein Wechselmodell streiten, ist der Konsens als Grundvoraussetzung für ein Gelingen im Sinne des Kindes nicht gegeben. Der VAMV bezweifelt deshalb, dass es dem Kindeswohl entspricht, ein Wechselmodell gerichtlich anzuordnen."

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