Frauenhass ist Volksverhetzung!

Stefan Boness/Ipon/imago images
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„Menschen zweiter Klasse“, „minderwertige Menschen“ und „den Tieren näherstehend“, so bezeichnete ein Mann Frauen auf seiner Website. Volksverhetzung? Nein – fand das Landgericht Bonn Ende 2019. „Volksverhetzung“ als Tatbestand greift schließlich nur, wenn „GRUPPEN in ihrer politischen oder weltanschaulichen Überzeugung, in ihren sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnissen, in ihrem Beruf oder in ihrer sozialen Funktion“ angegriffen werden. Der 70-jährige Rentner, der den Hass auf Frauen zu seinem Lebensthema gemacht hat, wetterte ja einfach nur gegen Frauen als solches. Weil sie Frauen sind.

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Hätte er auf diese Art gegen Menschen mit Migrationshintergrund oder Menschen jüdischen Glaubens gewettert, wäre er sehr wohl verurteilt worden. Seine Verteidigung: „Die Gesetzgebungsgeschichte zeigt, dass der allgemeine Geschlechterschutz von der Norm gerade nicht beabsichtigt ist.“ Der Mann wurde also freigesprochen.

Angriffe auf die Menschenwürde
von Frauen können geahndet werden

Zu Unrecht! - Wie nun das Oberlandesgerichts (OLG) Köln entschieden hat und den Freispruch des Mannes wieder aufhob. Das Novum: „Der Volksverhetzungsparagraf im Strafgesetzbuch greift auch bei einer pauschalen Verunglimpfung von Frauen.“ Zwar sei der Hauptanwendungsbereich des Gesetzes der Schutz von Minderheiten (meist geht es um rechtsradikale Hetze), es erfasse aber nach „Wortlaut, Sinn und Zweck auch Angriffe auf die Menschenwürde von Frauen“, so das Gericht. Die Kölner Richter weiter: „Auch Frauen gehören zu den durch den Paragrafen geschützten Teilen der Bevölkerung.“

Frauen müssen also nicht mehr als „Minderheit“ oder „Gruppe“ kategorisiert werden, um gesetzlich geschützt zu werden. Hetze, verbalisierter Hass und Verunglimpfungen gegen Frauen sind ab sofort mit dem Paragrafen 130 „Volksverhetzung“ strafbar. Die Strafe für den Mann soll bei 55 Tagessätzen liegen.

Noch wichtiger ist die Botschaft: „Frauen, wehrt euch!“ Denn Frauen werden sehr viel öfter als Männer Opfer von Hate Speech, besonders in den sozialen Medien (EMMA berichtete).

Neue Dimensionen: Im Internet
tobt ein Krieg gegen Frauen

Die Hasskommentare und Gewaltandrohungen im Internet gegen Frauen haben nach Netz-Expertinnen wie Anke Domscheit-Berg eine neue Dimension erreicht. Sie spricht von einem „Krieg gegen Frauen“ im Netz, mit dem alle Frauen mundtot gemacht werden sollen, die sich öffentlich äußern. Eine Frau, die sich immer wieder erfolgreich gegen Hater wehrt, ist die Leipziger Aktivistin Inge Bell, die jüngst dafür sorgte, dass ein Mann, der ihr „Penisbilder“ schickte, ordentlich dafür zahlen musste (EMMA berichtete). Mit dem Paragrafen 130 dürfte das nun einfacher werden.

Der Urteilsspruch ist ein Paradigmenwechsel. Frauen, wehrt euch!

(Aktenzeichen: OLG KÖLN III-1RVs 77/20)

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Dick Pics im Internet? Wehrt euch!

Da hat Inge Bell völlig recht.
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Exhibitionisten müssen heute nicht mal mehr raus in den Park. Wo früher der Mantel aufklappte, ist es heute die Kamera vom Handy. Penisbilder, auch „Dick Pics“ genannt, sind ein besonders widerlicher Trend im Internet. Jede zweite Frau zwischen 18 und 24 hat schon einmal welche bekommen via Facebook oder andere Dienste. Oft waren die Empfängerinnen dabei noch minderjährig.

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Kann man eh nichts gegen machen, oder?

Ein Täter ist jetzt an die Falsche geraten: Die Leipzigerin Inge Bell. Die Haltung „Kann man ja eh nichts gegen machen“ ist ihr fremd. Bell hat den Absender, einen 53-jährigen Rostocker, einfach angezeigt. Der hatte ihr 2017 über den Facebook-Messenger sechs Bilder geschickt: von seinem erigierten Penis, in einem heimeligen Kaminzimmer. „Ich musste sofort an Stephen-King-Bücher denken, in denen Frauen in solche Räume entführt werden“, sagt Bell. Inge Bell sicherte via Sreenshots die Beweise, meldete den Absender sofort bei Facebook und erstattete Anzeige bei der Polizei - online. Der Absender war relativ schnell ausfindig zu machen, ein Kriminalbeamter stattete ihm einen Besuch ab, beschlagnahmte sein Handy.

Er wurde nun in einem zweiten Prozess vom Rostocker Landgericht zu einer Geldstrafe von 300 Euro verurteilt. Zudem hat er die Gerichtskosten sowie den Verdienstausfall und die Reisekosten von Inge Bell zu tragen. Zwar hatte er behauptet, sein Handy wäre gehackt worden, der Vorsitzende Richter hatte jedoch nicht die geringsten Zweifel an der Schuld des Mannes.

Mädchen und Frauen müssen sich wehren!

Bell, die sich als Vorstandsmitglied von Terre des Femmes auch gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel engagiert, reiste extra von Leipzig nach Rostock, um beim Prozess dabei zu sein. „Ich bekomme viele Beleidigungen und Beschimpfungen im Internet." Sie will alle Mädchen und Frauen ermutigen, solche Taten öffentlich zu machen, um die Täter zur Rechenschaft ziehen zu können. Ungewollte Penisbilder verschicken ist eine Straftat: Paragraf 184, Strafgesetzbuch - Verbreitung pornografischer Schriften.

Wer ein Penisbild bekommt, sollte also das Foto, den Chatverlauf und Telefonnummer per Screenshot sichern und bei der Polizei Anzeige erstatten. Oft geht das mit wenigen Schritten online. Und neben der Geldstrafe dürfte eines dem stolzen Absender eines Dick Pics so gar nicht passen. Dass vor Gericht jeder sieht, was da am Penis noch so dranhängt: ein ganz kleines Würstchen.

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