Sexismus? Verpiss dich!
Lange Zeit waren die Verhältnisse im Musik-Bizz noch in guter, alter Ordnung. Männer wie Frauen wussten Bescheid, wo ihr Platz ist. Letztere vor, erstere auf der Bühne. Der Schwanzvergleich in Songs war ein beliebtes Mittel von Rock bis Hip-Hop, um klar zu machen, wer hier - frei nach Rapper Haftbefehl - „der Babo“ ist. Also der Boss.
Die Rocker soffen mit ihren „Rock Chicks“, wild und sexhungrig und am besten blutjung. Die Rapper kifften mit den „Hoes“, also mit ihren „Huren“. Ärsche und Titten in Nahaufnahme zählten zur Grundausstattung eines Musik-Videos in der Hauptrotation. In Clubs dancten Jungs und Mädchen ausgelassen zu Krachern wie „Lutsch meinen Schwanz!“ von Kool Savas.
Das alles sei natürlich ganz und gar nicht frauenfeindlich, sondern Kunst, fabulierten die Feuilletonisten unisono, die wahrscheinlich auch gerne mal so ein Babo wären.
Seit einigen Wochen nun ist dank #MeToo aus einer bösen Ahnung triste Gewissheit geworden: Alles, worüber die Babos so rocken und rappen, das machen die auch in echt. Aber das sind jetzt nicht nur Frauen leid, sondern auch manche Männer.
Plötzlich erleben wir Stars, die sich nicht etwa mit Chicks und Hoes brüsten, sondern sich als aufrechte Kämpfer gegen sexuelle Gewalt inszenieren. Zum Beispiel Sam Carter von der britischen Metalcore-Band „Architects“. Der Sänger hat im August auf dem Lowlands Festival im niederländischen Biddinghuizen seine Show unterbrochen. Und von der Bühne gebrüllt: „Ich bin es jetzt in meinem beschissenen Kopf ein paar mal durchgegangen, ob ich etwas sagen soll über das, was ich während des letzten Songs gesehen habe, oder nicht. Und wisst ihr was? Ich werde es verdammt nochmal sagen!“
https://www.youtube.com/watch?v=azMDukuPyT8
Und was sagte er? „Ich habe eine Frau beim Crowdsurfing gesehen, hier vorne. Und ich werde jetzt nicht auf dieses Stück Scheiße zeigen, der es getan hat. Aber ich habe genau gesehen, dass du ihr an die Brust gefasst hat. Das ist fucking widerlich und hier ist kein Platz für diese Scheiße!“
Die Fans jubeln, Frauen wie Männer. Und Carter legt nach, seine Stimme überschlägt sich jetzt fast. „Das ist nicht dein verdammter Körper, und du packst nicht einfach irgendwen ungefragt an! Nicht auf meiner beschissenen Show! Solltest du auf die Idee kommen, das nochmal zu machen, da hinten ist der Ausgang, verpiss dich und komm nicht wieder! Lasst uns alle dafür sorgen, dass das hier ein sicherer Ort für jede und jeden ist!“ Jubel!
Anti-Sexist Nummer 2 ist der kanadische Rapper Drake, ein Mega-Star, den besonders Mädchen toll finden. Auch ihm platzte jüngst während einer Show in einem Nachtclub in Sydney der Kragen. „Wenn du nicht sofort aufhörst, Mädchen anzutatschen, komme ich dahin und mach dich fertig!“, brüllte der Rapper ins Publikum und zeigte auf einen Typen. Ein Video davon geht durchs Netz. „I’m gonna fuck you up!“, droht Drake. Er wurde dafür von seinen Fans frenetisch gefeiert.
Nun munkeln kritische Stimmen, dass es sich bei dieser Drake-Nummer ja um bloße PR gehandelt haben könnte, nachdem die Jungs von den Architects so wahnsinnig gut weggekommen waren. Was soll frau da sagen? Umso besser! Wenn wir neuerdings in Zeiten leben, in denen Megastars die Welt nicht mehr mit Sexismus, sondern mit Anti-Seximus zupflastern, dann war‘s das hoffentlich für die Babos.