„Sexualassistenz“: Wolf im Schafspelz!
Die pflegepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Elisabeth Scharfenberg, hat der Welt am Sonntag gegenüber erwähnt, sie könne sich vorstellen, dass Kommunen die Kosten für eine so genannte „Sexualassistenz“, also „sexuelle Dienstleistungen“ für ältere und demente oder behinderte Menschen, übernehmen. Seitdem wird in den Medien breitgetreten, auch diese Menschen hätten ein Recht auf Sex und sie litten an Einsamkeit, fehlender Nähe und mangelnder Zärtlichkeit. Das regt mich nicht nur als Ex-Prostituierte, sondern auch als denkender und fühlender Mensch wahnsinnig auf. Was soll uns hier eigentlich verkauft werden?
Zunächst mal ist „Sexualassistenz“ auch nur ein etwas feinerer Name für Prostitution. Schaut man sich die Angebote an, findet man: Küssen, Schmusen, Kuscheln, Streicheln, Oral- und Geschlechtsverkehr. Was ist das bitte anderes als der „Girlfriend Sex“, zu dessen „Nähe und Zuneigung“ sich die Prostituierten in den meisten Fällen überwinden müssen? Auch er hinterlässt die Frauen oft emotional traumatisiert.
Gekaufter Sex per Rezept - das soll die Lösung für Probleme in der Pflege sein?
Wütend macht mich auch, dass hier versucht wird, uns weiszumachen, eine Stunde mit einer Prostituierten löse für die alten, dementen oder behinderten Menschen ein Problem, an dem sie wirklich leiden: Die Exklusion aus der Gesellschaft, die emotionale Verwahrlosung, den Pflegenotstand, der für kein Gespräch zwischen Pflegefachkraft und PatientIn Zeit lässt, für keine Hand auf der Schulter, keine Tasse Kaffee, keinen Schnack. All diese Probleme lösen sich nicht in Luft auf, wenn per Rezept eine Stunde gekaufter Sex eingelöst wird!
Auch frage ich mich, was das für eine Politik sein soll, wenn, wie von "pro familia" vorgeschlagen, auf die Übergriffe auf Schwesternpersonal durch alte demente Männer derart reagiert wird, dass diesen eine Prostituierte zur Verfügung gestellt werden sollen. Ist das die Art, wie wir künftig mit Übergriffen umgehen möchten? Wer bekommt dann als nächstes eine Prostituierte verschrieben? Alle, die ihre Hände nicht bei sich lassen können? Da ist sie wieder: Das „Prostitution ist gut gegen Vergewaltigungen“-Argument, die Triebabfuhr-Theorie. Schon hundert Mal widerlegt und trotzdem nicht totzukriegen. Und ich bekomme das Gefühl nicht los, dass es hier auch darum geht, Patienten ruhigzustellen.
Und „Patienten“ habe ich jetzt ganz bewusst nicht gegendert. Denn wir alle werden vergeblich auf das Heer der männlichen Sexualassistenten warten, die sich den alten Frauen zur Verfügung stellen. Das „Recht auf Sex“ gilt ja für alle, wie ich in mehreren Artikeln gelesen habe. Also auch für die Omis. Dann mal her mit den jungen Kerlen! Aber die dementen Omis werden, wie ich lesen muss, mit einem Vibrator allein aufs Zimmer geschickt.
Überhaupt, wie darf ich mir das alles vorstellen? Müssen diese alten Frauen, die vielleicht die Massenvergewaltigungen durch die alliierten Armeen nach Ende des Zweiten Weltkriegs erlebt haben, die gesetzlich festgeschriebene „eheliche Pflichten“ erfüllen mussten, die Vergewaltigung in der Ehe nie anzeigen konnten (bis 1997 nicht), auf der Station jetzt mitbekommen, wie sich die alten Herren immer noch ihres vermeintlichen Rechtes auf Sex und auf Frauenkörper bedienen?
Es gibt kein Recht darauf, dass ein Mensch für Sex zur Verfügung gestellt wird!
Wenn ich lese „auch alte und behinderte und demente Menschen haben ein Recht auf Sex“, finde ich die Vermengung der Ebenen verblüffend. Ja, jedeR hat das Recht auf die eigene Sexualität, sofern sie niemanden belastet. Behinderte Menschen haben ein Recht darauf, in Einrichtungen zu leben, die ihnen genügend Privatssphäre für Selbstbefriedigung oder sexuellen Austausch lassen. Alten Menschen sollte nicht suggeriert werden, dass sie sich schämen müssen für den Sex, den sie haben. Ja, dieses Recht auf Sexualität gibt es, aber es gibt eben KEIN Recht darauf, dass einem oder einer ein Mensch zur Verfügung gestellt wird, der dabei mitmacht.
„Sexualassistenz“ ist ein Wolf im Schafspelz, der Behinderte und Alte vorschiebt, obwohl es in Wirklichkeit darum geht, die Verfügungsgewalt über Frauenkörper festzuschreiben. Und um Geld. Prostitution läuft gut in Deutschland. Warum nicht neue Märkte erschließen? Schließlich sollen alle was von dem Fleisch- und Frauenmarkt mit jungen, oft ausländischen Frauen haben, pardon: alle Männer. Auch die dementen, alten und behinderten. Und vor allem die Zuhälter, die die Frauen künftig zum Anschaffen nicht nur in Bordelle schicken würden, sondern auch noch in Pflegeheime.
Scharfenberg hat auf ihrer Homepage ihre Aussage übrigens präzisiert: „Und darum gibt es sie, die Sexualbegleiterinnen und Sexualbegleiter. Menschen, die in Pflegeeinrichtungen kommen und gegen Geld sexuelle Wünsche der Bewohnerinnen und Bewohner erfüllen. Dann, wenn keine Partnerin oder kein Partner mehr da ist. Dann, wenn Menschen sich genau das wünschen.“ Einmal auf der Zunge zergehen lassen bitte: Dann, wenn keine Partnerin mehr da ist. Und damit wissen wir jetzt alle ganz genau, welcher Vorschlag als nächstes von den grünen ProstitutionsverteidigerInnen kommt.
Huschke Mau
PS der Redaktion: Der Vorschlag von Scherfenberg scheint (noch) keine Chance auf Realisierung zu haben. Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums lehnte das Vorhaben ab. Sie erklärte: „Die Leistungen der Krankenkassen, die zu einem großen Teil durch Beiträge der Versicherten finanziert werden, sind auf behandlungsbedürftige Erkrankungen gerichtet."