Emanzipiert Pädophilie?
Pädophilie. Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet: "Liebe zu Kindern". Die juristische Definition gibt der §176 des Strafgesetzbuches, der Pädophilie als "sexuellen Missbrauch mit Kindern" bezeichnet und droht: "Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter 14 Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Seit Beginn der 70er Jahre wehren sich in der BRD und auch in Nachbarländern wie Holland oder Frankreich Pädophile zunehmend offen gegen dieses Verbot. In Fachzeitschriften treten vor allem sich als progressiv verstehende Sexualwissenschaftler und Pädagogen engagiert für das Recht auf Pädophilie ein. Und in der linken Presse findet die Diskussion in jüngster Zeit breiten Raum. Einige der Blätter, wie zum Beispiel die Tageszeitung taz, machten sich zu uneingeschränkten Sprachrohren des Anliegens.
Die Pädophilen-Gruppe selbst — die sich treffenderweise jetzt "Pädosexuelle" nennen (denn das entscheidende Merkmal ist ja die praktizierte Sexualität!) — bezeichnen sich als "Emanzipationsbewegung", als "kriminalisierte Minderheit unter den Minderheiten", für deren Recht auf freies Ausleben ihrer Bedürfnisse alle emanzipationsbewegten Männer und Frauen einzutreten hätten.
Immer häufiger werden Pädosexuelle auch mit Feministinnen in einem Atemzug genannt: als solche, die doch eigentlich am gleichen Strang zögen. — Ich meine: das Gegenteil ist der Fall. Ich halte Pädophile nicht für eine zu befreiende verkannte Minderheit, sondern für das willkommene Sprachrohr einer Männergesellschaft, die es schon immer gut verstanden hat, ungleiche Beziehung als "gleich" zu propagieren — um dann umso unbehelligter herrschen zu können...
Dieses Manöver haben Frauen in den letzten Jahren erkannt, sie haben die angebliche Partnerschaft entlarvt als Herrschaftsverhältnis, das im besten — aber raren! — Falle noch eine Partnerschaft werden will. Frauen spielen da also nicht mehr so einfach mit. Ist die Konsequenz nun, dass die noch Schwächeren, dass die Kinder daran glauben müssen? Ist die Bereitwilligkeit zur Liberalisierung der Pädophilie Vorbote grundsätzlicher gesellschaftlicher Billigung des Rückgriffes des Mannes auf das Kind?
Die augenblickliche Diskussion wird vor allem von homosexuellen Pädophilen geführt. Die Statistiken jedoch signalisieren, dass etwa die Hälfte der Pädophilen heterosexuell ist, also Kontakte zu Mädchen sucht. Nur ein Drittel ist homosexuell, der Rest bisexuell. Diese Statistiken betreffen die im engeren Sinne pädophilen Männer, das heißt diejenigen, die zwanghaft und ausschließlich auf Sexualität mit Kindern fixiert sind. Hinzu kommen die Millionen von Gelegenheits-Pädophilen, die Väter und anderen männlichen Autoritäten, die sich eingeschüchterte Kinder gefügig machen. Bei ihnen ist der Prozentsatz der heterosexuellen Kontakte eher höher als geringer.
Und diesen Gelegenheits-Pädophilen vor allem dient der neue Trend, der Pädophilie mehr und mehr ungeniert als Kavaliersdelikt deklariert. Da titelt die Quick mit den "Lolitas, die Macht über die reifen Männer haben", nimmt sich der Stern verständnisvoll der armen "verdammten Verführer" an, und findet es niemand anstößig, wenn ein Filmregisseur wie Polanski, der in Amerika wegen Vergewaltigung einer 13-Jährigen verurteilt wurde, in Paris gelassen mit neuen Kindfrauen arbeitet und lebt.
In der linken Presse schließlich ist das Problembewusstsein so gering, dass sogar die dreiste Behauptung, Pädophile seien "Kinderbefreier", setzten sich für eine freie Sexualität der Kinder ein, unwidersprochen bleibt. Dabei liegt es auf der Hand, dass es bei der Pädophilie nicht um das Recht der Kinder auf ihre Sexualität geht, sondern um das Recht der Erwachsenen auf die Sexualität der anderen, der Kinder.
Die Kinder selbst wollen die pädophilen Beziehungen, heißt es. Doch dabei ist nur von der Gefühlswelt der Erwachsenen die Rede. Erfährt man in einem Pädophilen-Bericht einmal etwas über das Kind, so ist das fast immer entlarvend und zeigt, dass Kinder eigentlich etwas ganz anderes wollen, etwas, was sie sich mit der sexuellen Verfügbarkeit nur erkaufen: menschliche Wärme zum Beispiel, Schmusekontakte, einen Gesprächspartner oder einfach materielle Vorteile.
Auch geht eine solche Sicht der Dinge von einer zumindest möglichen sexuellen Gleichheit zwischen Erwachsenen und Kindern aus. Dies aber ist eine Farce. Richtig ist, dass die Kindheit — so wie das Alter — ein Ghetto ist, aus dem wir uns und die Kinder befreien müssten. Dies aber setzt sehr grundlegende Veränderungen voraus und kann nicht mir nichts, dir nichts, deklariert werden. Unter den gegebenen Umständen sind Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern Herrschaftsbeziehungen — ob man will oder nicht.
Und selbst wenn wir in einer Welt lebten, in der es Abhängigkeiten und daraus resultierende Machtverhältnisse nicht mehr gäbe — so bliebe doch, dass die Bedürfnisse und die Sexualität eines Kindes etwas ganz anderes sind als die eines Erwachsenen. Ich wage zu behaupten: in einer freien Gesellschaft gäbe es weder die Pädophilie (in der Form zwanghafter sexueller Ausrichtung auf Kinder) noch den Mangel an Respekt vor der kindlichen Entwicklung und Autonomie.
Pädophilie sei ein "Verbrechen ohne Opfer", heißt es weiter. Doch als einziger Beweis muss immer wieder eine vor Jahren gemachte holländische Untersuchung herhalten, in der der Sexualwissenschaftler Frits Bernard ganze 30 Erwachsene, die als Kinder oder Jugendliche sexuelle Kontakte zu Erwachsenen hatten, per Fragebogen nach eventuellen Traumata ausforschte...
Diesem auch wissenschaftlich höchst fragwürdigen und dürftigen Unterfangen stehen millionenfache körperliche und seelische Verletzungen gegenüber, die Mädchen erleiden mussten und müssen (nach Kinsey hat etwa jede vierte Frau als Kind sexuelle Erfahrungen mit Erwachsenen erdulden müssen — wohl in den seltensten Fällen "freiwillig" — soweit man gerade bei Sexualität in einer Erwachsenen-Kind-Beziehung überhaupt von Freiwilligkeit reden kann).
Die offiziellen Pädophilen-Gruppen in der BRD und in West-Berlin (DSAP) fordern übrigens nicht nur die Streichung des § 176, sondern auch die der Gesetze gegen Inzest (!), Sexualität mit Abhängigen, Kuppelei mit unter 16-Jährigen, uneingeschränkte Verbreitung pornographischer Schriften (!) sowie homosexuelle Beziehungen auch für unter 18-Jährige.
Die letztere Forderung — das Recht auf Sexualität auch für homosexuelle Jugendliche ab 14 — scheint mir die einzige Forderung zu sein, die auch wir Feministinnen uneingeschränkt unterstützen könnten und sollten.
Alles andere halte ich für die erschreckenden Symptome einer Männerwelt, deren Herrschaftsanspruch ins Wanken gerät. — Sicher, auch so mancher Lebenslauf eines zwanghaften Pädophilen ist trist, denn auch er ist Opfer innerer und äußerer Zwänge. Nur — die betroffenen Kinder sind noch die Opfer dieser Opfer. Und wer setzt sich für ihre Interessen ein? Wer verhindert, dass auf sie niederprasselt, wogegen wir Frauen uns jetzt wehren?
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