Shoulder to Shoulder: Queen & Jolie

Breites Bündnis (Mitte: Jolie) gegen sexuelle Gewalt im Krieg. - © Foreign and Commonwealth Office
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„Wir müssen diesen Verbrechen und der Straflosigkeit der Täter ein Ende setzen!“ Es sind klare Worte, mit denen sich Hollywood-Schauspielerin Jolie zum Abschluss des viertägigen „Gipfels gegen sexuelle Gewalt in Konflikten“ an die Öffentlichkeit wendet.

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Der UN-Sonderbotschafterin für Flüchtlinge ist es ernst. Gemeinsam mit dem britischen Außenminister William Hague hat Angelina Jolie ein 146-Seiten langes Protokoll vorgestellt, das Richtlinien festlegt, wie Mitarbeiter von internationalen Organisationen in Kriegs- und Konfliktgebieten sexuelle Gewalt erkennen, dokumentieren, analysieren  - und bekämpfen können. 

Straflosigkeit der Täter ein Ende setzen

Ein Jahr nach der im September 2013 in New York veröffentlichten UN-Deklaration zur „Beendigung sexueller Gewalt in Konflikten“ legen Hague und Jolie praktische Handlungsanweisungen zur Verfolgung der Täter vor: Gespräche mit Betroffenen, Sicherung von Beweismaterial und vor allem: Schutz der Bedrohten!

150 Staaten haben die Verpflichtungserklärung gegen sexuelle Gewalt der UNO im vergangenen Jahr unterzeichnet. Sie sind nun zum „sofortigen Handeln“ aufgefordert, erklärte Jolie jetzt in London. „In Syrien, im Südsudan oder in der Zentralafrikanischen Republik zerstört sexuelle Gewalt genau jetzt, in diesem Moment, in dem wir uns hier versammeln, junge Leben.“

Sanktionen gegen Staaten, die das Protokoll missachten, drohen zwar nicht. Allerdings kann der UN-Generalsekretär in seinem jährlichen Bericht diese Regierungen und Kriegsparteien namentlich benennen - und damit zumindest beschämen. Per Videobotschaft meldete sich Ban Ki-moon in London zu Wort: „Wir haben die Werkzeuge, die politischen Impulse und die nötige Entschlossenheit, um das Blatt zu wenden.“ Auch US-Außenminister John Kerry erklärte: „Es ist Zeit, eine neue Norm festzulegen, eine die Mädchen, Frauen, Männer und Jungen vor diesem unaussprechlichen Verbrechen schützt".

An die tausend TeilnehmerInnen waren in das Konferenz-Zentrum „ExCeL“ gekommen. Regierungschefs, Menschenrechtsorganisationen, betroffene Frauen, AktivistInnen. Zu den Bekanntesten zählt der Arzt Denis Mukwege, der im Kongo ein Trauma-Zentrum für vergewaltigte Frauen leitet. Er spricht von "genitalem Terrorismus" und "der billigsten Form der Kriegsführung".

Vergewaltigung im Krieg ist kein Randthema mehr

Auch anwesend: JournalistInnen aus der ganzen Welt. Die berichteten dank Promi-Faktor sieben Tage lang über ein Thema, über dem seit Jahrzehnten ein Mantel des Schweigens liegt. Bis heute. „Konfliktbezogene Vergewaltigung ist kein Randthema mehr!“, sagte Zainab Bangura, UN-Sonderbeauftragte aus Sierra Leone für sexuelle Gewalt in Konflikten, zufrieden.

Wobei den JournalistInnen scheinbar der Unterschied zwischen einer Filmpreisverleihung und einer Konferenz für Menschrechte zeitweise abhanden gekommen war. Über den Besuch der Menschenrechtsanwältin (und Clooney-Verlobten) Amal Alamuddin wusste der Focus zu berichten: "Bei der Konferenz in London erschien sie in einem leuchtend roten Outfit. Das Kleid mit Dreiviertel-Ärmeln reichte knapp bis über die Knie der in Beirut geborenen Schönheit. Passend zum roten Dress trug sie Pumps im unauffälligen Flower-Print. Die dunklen Haare ließ sie offen über ihre Schultern fallen.“ Gut, dass wir darüber gesprochen haben!

Die politischen Reaktionen in Deutschland sind bisher verhalten. In Berlin sorgt man sich laut FAZ, dass die "von sexueller Gewalt Betroffenen insgesamt zu sehr als Opfer gesehen werden". Auf Kosten ihrer "aktiven Rolle als Protagonistinnen des Wandels in Friedenszeiten". In Deutschland scheint man immer noch nicht begriffen zu haben, dass eine Frau Opfer und Handelnde zugleich sein kann. Die deutsche Meidung, ja Diffamierung des Begriffs "Opfer" nutzt de facto nur den Tätern. Denn wo keine Opfer sind, sind auch keine Täter.

Zum Abschluss wurde Jolie schließlich eine ganz besondere Ehre zuteil: Queen Elizabeth adelte sie für ihr Engagement gegen sexuelle Gewalt zur „Dame“. Eine Heldin ist Jolie ja schon.

Mehr zum Thema
Global Summit to end sexual violence in conflicts
International Protocol on the Documentation and Investigation of Sexual Violence in Conflict

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Gipfel: Sexuelle Gewalt im Krieg

Angelina Jolie kämpft für Frauenrechte.
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Nicht zufällig sitzen im Publikum im Londoner Kongresszentrum ExCel vor allem Frauen aller Nationen. Sie klatschen zustimmend, als Angelina Jolie in ihrer Eröffnungsrede sagt: „Es ist ein Mythos, dass sexuelle Gewalt ein unvermeidlicher Bestandteil von Kriegen und Konflikten ist.“

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Während das Schicksal der Männer im Krieg - allen voran der Soldaten - in den Geschichtsbüchern genau so wie in Filmen und in der Literatur allgegenwärtig ist, so liegt auch im Jahr 2014 noch immer ein Mantel aus Scham und Schweigen über dem Schicksal der Frauen: die sexuelle Gewalt als Kriegsmittel.

Jolie leitet gemeinsam mit dem britische Außenminister William Hague den Gipfel, der ab heute für vier Tage in London stattfindet. 48 AußenministerInnen und 600 RegierungsvertreterInnen aus 113 Nationen haben sich angekündigt. Außerdem sind zahlreiche Frauen- und Menschenrechtsorganisationen dabei, die seit Jahren in dem Bereich arbeiten: Medica Mondiale, Care International oder auch UN Women.

Die Forderungen der Konferenz im Hinblick auf die Umsetzung der „UN-Deklaration gegen sexuelle Gewalt in Kriegen“, die im September vergangenen Jahres von 113 Ländern unterzeichnet wurde, lauten:

  • Die Überlebenden der sexuellen Gewalt in Kriegen sollen stärker unterstützt werden, inklusive Entschädigung!
  • Die Gleichstellung der Geschlechter soll fester Bestandteil aller Bestrebungen nach Frieden und Sicherheit sein, Reformen der Rechtssysteme inbegriffen!
  • Die strategische Kooperation auf internationaler Ebene soll ausgebaut werden!
  • Sexuelle Gewalt in Konflikten soll besser dokumentiert werden - damit sie erkannt, analysiert und bekämpft werden kann!

Jolie berichtete, dass sie bei den Dreharbeiten zu dem Action-Film „Tomb Raider“ in Kambodscha - ihr internationaler Durchbruch als Lara Croft im Jahr 2001 – das erste Mal mit dem Thema konfrontiert wurde. Heute ist die Schauspielerin und Mutter von sechs Kindern 39 Jahre alt. Das Thema hat sie nicht mehr losgelassen.

Über zehn Jahre bereiste Jolie als Sonderbotschafterin des Flüchtlingshilfswerks UNHCR  Krisengebiete, zuletzt besuchte sie im Kongo ein Hilfszentrum für vergewaltigte Frauen. 2012 brachte die Schauspielerin ihr Regie-Debüt über die systematischen Vergewaltigungen im Bosnien-Krieg in die Kinos: „The Land of Blood and Honey“. Besetzt mit serbischen und bosnischen SchauspielerInnen, die nicht selten selber betroffen waren und nach 16 Jahren erstmals darüber sprachen.

Auf der Bühne in London sagte der Weltstar heute: "Vergewaltigung als Kriegswaffe ist eines der erschütternsten und brutalsten Verbrechen gegen Zivilisten. So unmenschlich, dass es für die Opfer praktisch unmöglich ist, darüber zu sprechen."

Das soll sich ändern. #TimeToAct lautet die Kernaussage des Gipfels und der zugehörige Hashtag. Feministinnen fordern das schon seit Jahrzehnten. 1977 analysierte die amerikanische Frauenrechtlerin Susan Brownmiller in ihrem bahnbrechenden Buch "Gegen unseren Willen" Vergewaltigung als "Krieg gegen Frauen“: „Die Perversion des Krieges verstärkt sich selbst. Gewisse Soldaten müssen ihre neu errungene Überlegenheit unter Beweis stellen; müssen sie einer Frau, sich selbst und anderen Männern beweisen. Der Krieg gibt den Männern im Namen des Sieges und der Macht aus den Gewehrläufen stillschweigend die Erlaubnis, zu vergewaltigen. Und beides, Tat und Entschuldigung, angeführt für Vergewaltigung in Kriegszeiten, offenbaren ohne Tünche von „Ritterlichkeit“ oder Zivilisation die männliche Psyche in ihrer unverschämtesten Ausprägung.“ (EMMA, Oktober 1977)

Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Wie traurig aktuell das Thema ist, davon erfuhr die Weltöffentlichkeit wieder einmal jetzt, als die Terrororganisation Boko Haram (etwa: Die moderne Bildung ist eine Sünde) über 200 nigerianische Mädchen in ihre Gewalt brachte und an einen unbekannten Ort verschleppte. Die Aktualität zeigen auch die sexuellen Übergriffe auf Ägypterinnen, die im Namen des arabischen Frühlings auf den Tahrir-Platz in Kairo gekommen waren. Oder: Die Afghaninnen, die nach einer Vergewaltigung auch noch ins Gefängnis gesperrt wurden - wegen „unmoralischen Verhaltens“.

Denn der Krieg gegen die Frauen geht auch dann weiter, wenn schon alle von Frieden sprechen. Das belegte die Studie „Women, War and Peace“ von Elisabeth Rehn, ehemalige finnische Verteidigungsministerin, und Ellen Johnson Sirleaf, inzwischen Präsidentin von Liberia und Friedensnobelpreisträgerin. Im Auftrag der UN-Frauenorganisation UNIFEM reisten sie 2001 in die Nachkriegsgebiete dieser Welt und stellten fest: „Überall erzählten uns Frauen, dass der Krieg ihr Familienleben zerstört. Sie berichteten uns, dass die Militarisierung ihre Söhne infiziert, ihre Ehemänner, ihre Brüder – sie erkennen sie nicht wieder. Sie beklagten, ihre Männer seien kalt, verschlossen und jähzornig, oft gewalttätig. Vor allem, wenn sie Alkohol trinken, um zu vergessen, was sie gesehen haben.“

Rehn und Sirleaf prangern nicht nur den Anstieg der Häuslichen Gewalt als Kriegsfolge an, sondern auch den von Prostitution und Frauenhandel, für die die „Friedenssoldaten“ und „humanitären Helfer“ überhaupt erst die Nachfrage schaffen. „Wenn du denen keine Ehefrau, Tochter oder Schwester anbieten kannst, kriegst du als Mann hier nichts zu essen“, zitiert die Studie einen Vater aus einem Flüchtlingscamp in Sierra Leone.  

Erst im Juni 2008 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 1820 und erklärten damit „Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt“ zum „Kriegsverbrechen“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Darin heißt es: „Sexuelle Gewalt wird als Kriegstaktik angewandt, um Frauen und Mädchen zu erniedrigen, verängstigen und dominieren und um sie aus ihrer familiären oder ethnischen Gemeinschaft zu verstoßen“. Und der Sicherheitsrat stellt fest, dass Massenvergewaltigungen nicht nur „kriegerische Konflikte verschärfen“, sondern auch nach Kriegsende den „Friedensprozess erschweren“.

Auch daran hat sich bis heute nichts geändert. Bleibt zu hoffen, dass diese so hochkarätig besetzte Konferenz etwas in Bewegung setzt.

In EMMA zum Thema

1977 - Vergewaltigung: Krieg gegen Frauen
1989 - Das Schlimmste waren die Schreie
1993 - Der verkaufte Krieg
1999 - Vergewaltigung auf Befehl
2012 - Arabischer Winter: Tod den Rebellinnen!

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