Der lange Kampf der Gärtnerinnen

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Wenn er sie schon einstellen muss, so befindet Sir William Thistleton-Dyer im Zustand nicht unerheblicher Verzweiflung, dann sollen sie wenigstens nicht auffallen. Und so verordnet der Leiter des Königlichen Botanischen Gartens von Kew seinen ersten weiblichen Gärtnern, ihre Arbeit in der gleichen ebenso praktischen wie züchtigen Kluft zu verrichten wie ihre männlichen Kollegen: braune Knickerbockers, dazu Jackett und Weste; an den Füßen flache Lederschuhe nebst Gamaschen; auf dem Kopf eine Schiebermütze, die das lange Haar der Gärtnerinnen diskret verbergen soll.

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Doch Sir Williams Versuch, so zu tun, als ob eigentlich gar nichts sei, erweist sich alsbald als Fehlschlag. Die gärtnernden Damen in Herrenanzügen locken Scharen von Schaulustigen an. Bald weiß es ganz England: In der ehrwürdigen Institution ist im Jahr 1896 der Samen für tiefgreifende Veränderungen gesät.

Schülerinnen des Royal Botanic Garden, 1896
Schülerinnen des Royal Botanic Garden, 1896

Fünf Jahre zuvor hatte das Swanley Horticultural College in Kent als erste Gartenbauschule Englands ihre Pforten auch für Gartenschülerinnen geöffnet. Eine kleine Sensation. Zwar hatten sich Frauen seit Ewigkeiten praktisches wie theoretisches Wissen über Anbau und Zucht von Pflanzen erworben: Sie hatten mit ihrem Hausgarten die spärlichen Mahlzeiten ihrer Familie aufgepäppelt oder äußerst populäre Werke zum Thema verfasst – wie die Schriftstellerin und Gartenexpertin Jane Loudon, deren Ratgeber "Gardening for Ladies" bereits im Jahr 1840 erschienen war.

Loudon, eigentlich Autorin von Romanen unter männlichem Pseudonym, hatte sich ihr botanisches Wissen an der Seite ihres Mannes erworben, eines Garten-Journalisten. Dessen Werke verstiegen sich für Loudons Geschmack allerdings allzu häufig in technische Fachsimpeleien wie der Funktionsweise von Dampfpflügen oder Faltdächer für Gewächshäuser. Janes praktisch-poetische Gartenfibel stieß, wie auch ihr "Lady’s Magazine of Gardening", bei den gärtnernden Ladys auf großen Zuspruch: Ihre Gartenbücher wurden Bestseller. Nicht zuletzt deshalb, weil Lady Loudon sich weigerte, Frauenhände für "zu klein und delikat geformt" für gröbere Gartenarbeiten zu befinden. So empfahl sie ihren Geschlechtsgenossinnen zum Umgraben einen scharfen Spaten und eine Metallplatte, die man mit Hilfe eines Lederriemens unter der Schuhsohle befestigen konnte.

Dennoch: Mitte des 19. Jahrhunderts ist Frauen der Zugang zu nahezu allen Berufen noch verwehrt, so auch der Beruf der Gärtnerin. Das wird nicht mehr lange so bleiben. Das Garten-College in Swanley, gegründet 1885 als Jungenschule, wird jetzt dermaßen von weiblichen Schülern bestürmt, dass die Mädchen schon bald in der Mehrheit sind. 1902 wird Swanley schließlich zum reinen Frauencollege erklärt. Es hat einen so ausgezeichneten Ruf – auf dem Lehrplan stehen Botanik, Methoden der Pflanzenzucht, aber auch Landschaftsgestaltung und Gartenarchitektur – dass Hofgärtner Sir William nicht mehr umhin kommt, einige Absolventinnen für seinen königlichen Garten einzustellen.

Die Wurzel der Entwicklung liegt natürlich tiefer: Seit geraumer Zeit macht die Frauenbewegung Furore, und auf der To-Do-Liste der Ladys steht nicht nur der Kampf für das Frauenwahlrecht, sondern auch die Öffnung der "Männerberufe" für Frauen. So ist es kein Zufall, dass der Gründerin der ersten britischen Gartenbauschule für Mädchen, die Gräfin von Warwick, ein Ruf als in der Wolle gewaschene Feministin vorauseilt.

Schülerinnen der "School for Lady Gardeners", es herrschte eiserne Disziplin.
Schülerinnen der "School for Lady Gardeners", es herrschte eiserne Disziplin.

1898 eröffnet ihr "Studley College for Women" in Warwickshire, das jährlich 100 Elevinnen aufnimmt. Auf dem Lehrplan: Gartenbau und Landwirtschaft, Bienen- und Geflügelzucht. Lehrmittel: ein heruntergekommenes Landgut und moderne Laboratorien. Ein Jahr später bringt die Gräfin, die über beste Kontakte in Adel und Politik verfügt, die Women’s Agricultural Times heraus. In ihrer Zeitschrift druckt sie nicht nur aufrührerische Artikel über die Ideen der Emanzipationsbewegung, sondern auch Stellenanzeigen für die Absolventinnen ihrer Gartenschule. Die sind selbstverständlich bei den riesigen Demonstrationen der Suffragetten für das Frauenwahlrecht dabei.

Frauenhände - zu klein und delikat geformt für harte Gartenarbeit?

Die Saat geht auf: Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 entstehen im Empire rund zwei Dutzend weitere Schulen für weibliche Gärtner. Die bekannteste dürfte die "Glynde School for Lady Gardeners" gewesen sein. Dafür sorgte Gründerin Lady Frances Wolesley, ihres Zeichens Tochter eines Feldmarschalls, die in ihrer Schule eiserne Disziplin hielt. Ihre Schützlinge trugen in Klassenraum wie Garten eine Uniform mit langem Rock, Hemd und gestreifter Krawatte und erledigten ihre Arbeiten mit gebotener Präzision. Häufig wurden die Gärtnerinnen von Glynde noch vor dem Abschluss engagiert.

Übertroffen wurde die Reputation von Glynde später nur noch von der Gartenbauschule von Waterperry, deren Chefin Beatrix Havergal ebenfalls nicht an Exzentrik zu wünschen übrig ließ. Sie bewies nicht nur Mut zu überraschender Arbeitskleidung – bestehend aus einem lodengrünen Hängekleid, zu dem sie Breeches, Kniestrümpfe und robustes Schuhwerk trug – sondern bildete auch die wohl berühmtesten Gärtnerinnen des Empire aus: Sibylle Kreutzberger und Pamela Schwerdt, die Vita Sackville-Wests legendäre Gartenanlage Sissinghurst bewirtschafteten und sie zum meistbesuchten Garten Englands machten.

Noch früher als die rührigen Britinnen gruben nur ihre amerikanischen Schwestern an der Geschlechterordnung. Und so hatte in Boston schon 1870 die erste "Gardening School for Women" eröffnet. Im United Kingdom ist mann darüber not amused: "Würden Sie Frauen zum Pflügen und Aufladen und Wegkarren von Mist einsetzen?" fragt der Gardeners Chronicle ebenso erbost wie scheinheilig.

Beatrix Havergal, Chefin der Gartenbauschule von Waterperry.
Beatrix Havergal, Chefin der Gartenbauschule von Waterperry.

Doch die Pionierarbeit der Frauenrechtlerinnen trägt Früchte – auch in Deutschland. Bezeichnenderweise wird die erste bedeutende Gartenbauschule in Berlin von einer Frau gegründet, die in den USA gelebt hat: Elvira Castner. Im Jahr 1878 hatte die Lehrerin aus Westpreußen eine Reise ins Land der für Frauen zwar nicht un-, aber doch weniger begrenzten Möglichkeiten angetreten, um Zahnmedizin zu studieren. Zwei Jahre später kehrt sie mit der Doktorwürde in der Tasche zurück und beginnt, in Berlin zu praktizieren.

Aber die auf dem Land aufgewachsene Apothekertochter hat noch einen weiteren Traum. Nachdem sie in ihrem Heimatort Friedenau ein Grundstück gekauft und darauf zwei Landhäuser hat bauen lassen, erfüllt sie ihn sich: 1894 gründet sie eine Obst- und Gartenbauschule für Mädchen.

Drei Jahre zuvor hatte Hedwig Heyl in Charlottenburg die erste deutsche Frauen-Gartenschule eröffnet. Allerdings schwebte der Anhängerin des gemäßigten Flügels der Frauenbewegung weniger eine Berufsausbildung für ihre weiblichen Schützlinge vor. Vielmehr betrachtete Heyl, die 1884 bereits eine Koch- und Haushaltungsschule gegründet hatte, die Gartenarbeit als eine Art verlängerte Haushaltstätigkeit, die es zu professionalisieren galt.

"Es war dies der erste Versuch, Frauen berufsmäßig zu schulen für eine Arbeit, die an und für sich den Frauen durchaus angemessen ist, durch lange Zeiträume unserer Kulturentwicklung ausschließlich oder doch mindestens großenteils Frauenarbeit gewesen ist, in der aber neuerdings die Frau von dem Mann abgelöst worden war, soweit es sich nun um berufsmäßige Arbeit handelt", erklärte die ehemalige Heyl-Schülerin Ella Förster 1920 in einer Gedenkschrift zum 70. Geburtstag Hedwig Heyls.

Gärtnern war von jeher Frauenarbeit, den Beruf aber machten Männer

Als Elvira Castner ihr Projekt ankündigt, schließt Hedwig Heyl ihre Schule, schickt ihre Schülerinnen nach Friedenau und stiftet der neuen Einrichtung ein Treibhaus. 16 Schülerinnen treten im ersten Jahr ihre Ausbildung an, 14 von ihnen mit dem Ziel, Berufsgärtnerin zu werden. Als die Schule im Jahr 1919 ihr 25-jähriges Bestehen feiert und inzwischen aus Platzmangel nach Marienfelde umgezogen ist, meldet sich am Jubiläumstag die 1.000. Schülerin an.

Die Chancen der Absolventinnen auf eine Anstellung sind groß: Aufgrund des kriegsbedingten Männermangels ist die Nachfrage nach Gärtnerinnen größer als das Angebot.

Bis dato war das umgekehrt gewesen: Jahrzehntelang hatten die Gärtnerinnen um berufliche Anerkennung kämpfen müssen. Mit Spott und Häme hatte man den professionellen Griff der Mädchen zu Hacke und Spaten übergossen, allen voran Möller’s Deutsche Gärtner-Zeitung, die nichts, aber auch gar nichts von der "Heranbildung der klimpernden, piepsenden und pinselnden Salonpüppchen" zu Profi-Gärtnerinnen hielt. Mal karikierte sie die Gärtnerin als verpimpeltes Dämchen mit geschnürter Wespen-Taille und groteskem Hutschmuck, mal als pfeiferauchendes Mannweib. Oder gleich als Blaustrumpf wie "Miss Violet Dragon", Fräulein Drachen, die über spitzem Kinn und noch spitzerer Nase einen mit Gartenutensilien geschmückten Hut trägt. Titel der Karikatur: "Neues aus der Frauenbewegung".

"Gebildete Gärtner-Damen" - eine höhnische Karikatur von 1896 in "Möllers Gartenzeitung".
"Gebildete Gärtner-Damen" - eine höhnische Karikatur von 1896 in "Möllers Gartenzeitung".

Doch die Gärtnerinnen halten dagegen. 1904 gründen Schülerinnen der Marienfelder Gartenbauschule den "Gärtnerinnenverein Flora". "Der Verein bezweckt, einen Zusammenhang herzustellen zur Hebung und Förderung des Berufes", erklären sie in ihrem Gründungs-Flugblatt. Erreichen wollen sie dieses Ziel erstens "durch Herausgabe eines Vereinsblatts mit Berichten seiner Mitglieder über die Betriebe, in denen sie als Angestellte, Besitzerin oder Lernende tätig sind. Weiter soll in diesem Blatt Anregung und Aufklärung über Fragen des Gartenbaus und der Frauenbewegung gegeben werden". Zweitens richten die Flora-Frauen eine Stellenvermittlung ein, "die es erstrebt, für die Leistungen der Mitglieder entsprechende Gehälter zu erreichen", denn natürlich werden weibliche Gärtner erheblich schlechter bezahlt als männliche. Eine Hilfskasse sowie "mündliche und schriftliche Aufklärungsarbeit" sollen ebenfalls dazu beitragen, die Position der Profi-Gärterin zu verbessern. 1912 hat der "Gärtnerinnenverein Flora" 275 Mitglieder, 1920 sind es in zehn Ortsgruppen schon über tausend.

Problem schon damals: die schlechtere Bezahlung

Schulgründerin Elvira Castner, eine enge Freundin der radikalen Feministin Minna Cauer, weiß, dass sie unter skeptischer Beobachtung steht. Zu den Prüfungen lädt sie deshalb externe Fachmänner ein und berichtet auch in den Fachzeitschriften regelmäßig über die Noten ihrer Absolventinnen und die Zusammensetzung der Prüfungskommissionen. Dennoch wird die Qualität der Gärtnerinnenausbildung stets in Zweifel gezogen. Ein Einfallstor für die Mäkeleien ist die Tatsache, dass die Ausbildung an den Mädchenschulen in der Regel mindestens ein Jahr kürzer ist als an Jungenschulen.

Toni Raschig, Vorsitzende des "Gärtnerinnenvereins Flora", weiß um das Problem. Auch sie sei für eine Verlängerung der Ausbildung für die Gärtnerinnen, erklärt sie 1916 in der Gartenflora. Allerdings sei dies so lange nicht möglich, wie Eltern in die Ausbildung ihrer Töchter weniger Geld investierten als in die ihrer Söhne. Außerdem fänden Mädchen, die den Gärtnerberuf ergreifen wollten, nur sehr schwer eine Lehrstelle und müssten sich zwangsläufig an einer der Gartenbauschulen für Frauen ausbilden lassen, die deshalb überlaufen seien. Auch das wirke sich leider auf die Qualität der Ausbildung aus.

Langsam, aber sicher steigt die Zahl der Gartenbauschulen für Frauen. 1913 verzeichnet das Buch "Der Gärtnerinnenberuf" sechs Frauenschulen sowie 29 Lehr- und Fortbildungsbetriebe, die auch Frauen als Auszubildende aufnehmen. 1921 sind es schon 16 Frauenschulen und 47 Lehr- und Fortbildungsbetriebe. Dazwischen liegen Jahre unermüdlicher Überzeugungsarbeit: Aufsätze über das "Berufsbild Gärtnerin" in Fachzeitschriften oder Vorträge über "Frauenbewegung und Gärtnerinnenfrage" vor der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst.

Schülerinnen der "Obst- und Gartenbauschule für gebildete Mädchen und Frauen in Berlin Marienfelde" um 1910.
Schülerinnen der "Obst- und Gartenbauschule für gebildete Mädchen und Frauen in Berlin Marienfelde" um 1910.

Nicht zuletzt befassten sich die Gärtnerinnen auch mit der Frage ihrer Berufskleidung – die im Zeitalter der bis zur Bewusstlosigkeit eingeschnürten Frauen alles andere als banal ist. "Auf erfreuliche Weise widmen sich jetzt schon eine ganze Reihe junger Mädchen dem gärtnerischen wie landwirtschaftlichen Beruf. Mit unseren Abbildungen 51–56 wollen wir unseren Leserinnen Antwort auf ihre Anfragen nach möglichst praktischer Kleidung geben", schreibt Die Gleichheit 1921 und gibt folgende Tipps: "Vor allem natürlich kein Korsett, auch kein fest anliegendes Leibchen, keine Unterröcke und keine Sachen, die rutschen können." Stattdessen empfehlen die Damen für mäßige Temperaturen "Hemd- und Schlupfhose", bei Kälte "dicke Jacken, am besten in Herrenjagdjoppen-Art mit großen Taschen". Auch bei den "losen Kittelblusen" für die heiße Jahreszeit dürfen große Taschen nicht fehlen, die Arbeitskleider hingegen können "ohne jede Stickereiverzierung gearbeitet sein. Zum Anknöpfen der Strumpfhalter siehe Abbildung 34, Heft 2".

Ist im Gartenbau bald Halbe/Halbe erreicht?

90 Jahre später ist die Gärtnerin längst kein exotisches Wesen mehr. In deutschen Gärtnereien pflanzen, düngen und züchten heutzutage 63.000 Frauen, fast jeder vierte Gärtner und jeder vierte Gärtnermeister ist weiblich. Vor allem in den akademischen Gartenberufen sind die Frauen auf dem Vormarsch: Jeder dritte Ingenieur für Gartenbau und Landespflege ist eine Ingenieurin, und von rund 3.000 Gartenbau-StudentInnen sind über 1.000 Frauen, im Fach Landschaftsgestaltung sind es von 6.000 StudentInnen rund sogar 3.300, also die Hälfte.

Und auch das Kleidungsproblem darf inzwischen als gelöst gelten. Die Gärtnerin trägt gemeinhin eine bequeme Latzhose – ganz wie ihr männlicher Kollege. Wenn das Sir William wüsste.

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