Solidarität mit den Trostfrauen

Die Proteste waren erfolgreich: Das Denkmal darf bleiben! Foto: imago images
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Das Mahnmal zeigt eine Frau, die auf einem Stuhl sitzt. Der Platz neben ihr ist frei. Man darf sich zu ihr setzen. Es ist ein Mahnmal, mit dem der Berliner Verein Korea-Verband an die sogenannten „Trostfrauen“ erinnern will: Hunderttausende junge Frauen und Mädchen, vor allem aus Korea und China, die während des Zweiten Weltkrieges verschleppt und gezwungen wurden, für die japanische Armee als Sexsklavinnen zu arbeiten.

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„Trostfrauen“ wurden sie genannt, weil sich die Soldaten an ihnen „trösten“ sollten. Diese Frauen waren noch Mädchen, zwischen 13 und 15 Jahre alt, als sie in die Bordelle gezwungen wurden. Die japanischen Frauen trauten sich erst ab 1991 an die Öffentlichkeit, gut 50 Jahre später.

Uns Aussteigerinnen ist es ein großes Anliegen, solidarisch zu sein!

Heute gelten sie als mutige Vorkämpferinnen für die völkerrechtliche Verurteilung von Vergewaltigung und sexueller Sklaverei im Krieg. Die Vertuschung, Verdrängung und Bagatellisierung sexualisierter Kriegsgewalt wurde daraufhin auch international zum Thema. Die erste Statue wurde 2011 in Südkorea mit Blick auf die japanische Botschaft in Seoul errichtet, es folgten weitere in Australien, Nordamerika, Kanada. Und am 28. September 2020 auch in Berlin-Mitte.  

Die Aufstellung der Statue war für zunächst ein Jahr vom Korea-Verband, der in Moabit ein kleines Museum betreibt, beantragt und vom Bezirksamt genehmigt worden. Doch dann intervenierte die japanische Regierung. Der japanische Außenminister persönlich beschwerte sich bei seinem Amtskollegen Heiko Maas. Und Berlin knickte ein. Beinahe.

Denn der Protest – von koreanischen, japanischen und deutschen Aktivistinnen – gegen den Abbau war zu groß. Eine ganz besondere Aktion wurde von dem Netzwerk ELLA angestoßen. Diese Frauen, die aus der Prostitution ausgestiegen sind und dagegen kämpfen, zeigten mit Zetteln, auf denen die Botschaft #WeSitWithYou, „Wir sitzen bei euch!“ steht, ihre Solidarität.

 
Frauen aus dem Netzwerk ELLA solidarisierten sich mit den Trostfrauen.
Frauen aus dem Netzwerk ELLA solidarisierten sich mit den Trostfrauen.

„Als Frauen, die selbst in der Prostitution gewesen sind, ist es uns ein großes Anliegen, solidarisch zu sein mit anderen Frauen, die Prostitutionserfahrung haben“, sagt Huschke Mau, Gründerin des Vereins.

Noch heute werden Frauen und Mädchen in Bordelle verschleppt

Nach einer Kindheit voller Missbrauch und Gewalt begann Huschke Mau, sich zu prostituieren. Etwa zehn Jahre lang hat sie als Prostituierte gearbeitet und klärt seit ihrem Ausstieg über das (Gewalt)System Prostitution auf (hier ihr Offener Brief an die Befürworterinnen der Prostitution). Netzwerke wie ELLA, SISTERS, KARO oder SOLWODI kämpfen dafür, dass in Deutschland das sogenannte „Nordische Modell“ eingeführt wird, das den Frauenkauf verbietet, Freier bestraft und Ausstiegshilfen für Frauen in der Prostitution bereithält. Denn: Prostitution ist ein Verstoß gegen die Menschenwürde.

Genau das ist neben dem Verweis auf die Historie auch die aktuelle Botschaft des Mahnmals in Berlin. Wie die „Trostfrauen“ werden auch heute Frauen und Mädchen aus Afrika und Osteuropa durch Organisierte Kriminalität nach Deutschland verschleppt, um in Bordellen anzuschaffen. Und Deutschland macht – ganz wie Japan – viel zu oft die Augen zu.

auf Twitter: #Wesitwithyou und #JusticeForComfortWomen


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„Ich habe die Schnauze voll!“

Die Frau ist keine Ware! Femen protestieren gegen Prostitution.
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Liebe Stephanie Klee,

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ich nehme Bezug auf das Interview, dass das Stadtmagazin Zitty Berlin mit Dir geführt hat und ich möchte mich zunächst bei Dir dafür bedanken, dass Du es gegeben hast. Denn hätte ich es nicht gelesen, würde ich immer noch schweigen. Zunächst mal: Ich darf Dich doch duzen? Wo wir doch sozusagen Kolleginnen sind. Denn ja, auch ich kenne die Prostitution gut, ich habe zehn Jahre in ihr verbracht.

Weißt Du, ich finde Deine Aussagen über die Prostitution ganz bemerkenswert. Mich wundert nur ein bisschen, dass Du vergessen hast, einige – mir doch recht wichtig erscheinende Dinge – zu erwähnen.

Zunächst einmal hast Du vergessen, die grundsätzliche Frage zu stellen, ob es der Prostitution überhaupt bedarf. Es ist schön, dass Du wenigstens nicht das alte, abgenudelte Pseudoargument verwendest, ohne Bordelle triebe es die Vergewaltigungsrate hoch (was ja bedeutet, Männer können ihre Triebe nicht kontrollieren, und kämen sie nicht zum Stich, könnten sie ja nicht anders als zu vergewaltigen).

Aber wozu braucht die Gesellschaft Prostitution, Stephanie? Wozu braucht es die Tatsache, dass Männer Frauen kaufen dürfen (denn die meisten Prostituierten sind weiblich, und die, die männlich sind, bedienen das Homosexuellenmilieu). Wie erklärst Du Dir denn diese Tatsache und was sagt sie für Dich aus? Anscheinend ist das für Dich kein Merkmal eines Machtverhältnisses. Und da ist er schon, der erste blinde Fleck auf Deiner Linse.

Der einzige,
der sich bei Prostitution auslebt, ist
der Freier!

Du schreibst, Prostitution sei Sex. Weißt Du, für Sex, da gehören für mich mindestens zwei Personen dazu. Und nicht eine, die die sexuellen Wünsche ausschließlich (!) des Kunden bedient und dabei ihre eigene Sexualität und sich selbst, ihre Person, ihre Persönlichkeit „wegmachen“ muss.

Ich möchte Dich gerne fragen, in welchem Prostitutionsmilieu Du so lebst, wenn Du nicht mitbekommen hast, dass die „Spielarten“ von „Sexualität“, sprich die „Wünsche“ der Freier immer gewalttätiger werden und immer mehr auf Demütigung abzielen. Lies doch mal in den Freierforen, liebe Stephanie, da steht sehr deutlich, dass Männer (Freier) es als Ausdruck ihrer Macht empfinden, wenn sie Frauen im Bordell ins Gesicht spucken, ihr das Sperma „reinspritzen“ dürfen; wenn sie in Sachen Analverkehr schauen wollen, wie viel die Frau „verträgt“; wenn sie ihr ins Gesicht spritzen und wollen, dass sie das Sperma schluckt, nachdem sie, die Freier, ihr den Schwanz bis an die Mandeln reingewürgt haben.

Lies Dir die Sprache in den Freierforen doch mal durch, lies Dir durch, wie ihnen dabei einer abgeht, wie sie es genießen zu wissen, dass die Frau das nicht mag, sondern nur für Geld macht, es aber tun muss, weil sie die verdammte Kohle braucht, oder weil im Nebenzimmer ein Typ sitzt. Wie sie ganz bewusst die Grenzen testen und übertreten und sich ihrer sadistischen Seite dabei, wenn nicht ganz hingeben, so doch zumindest deutlich bewusst werden. Es geht in der Prostitution nicht um Sex, es geht um Macht. Und nur um Macht. Tu nicht so, als könnten Frauen sich dort ausleben in ihrer Sexualität, der einzige, der sich auslebt, ist der Freier, dessen Wünsche Du erfüllst. Und zwar auf Deine Kosten.

Und nein, Stephanie, der Freier vergisst dieses Machtgefühl, das er sich gekauft hat, nicht. Er vergisst nicht, dass Frauen verfügbar sind, dass er sie sich nehmen kann, dass sie dazu da sind, seine Wünsche zu erfüllen, dass sie ihre Sexualität und Seele beim Akt wegmachen und keine Bedürfnisse/Grenzen/Wünsche haben dürfen. Oh nein. Er nimmt dieses Gefühl, dass Sex für ihn mit Macht gleichsetzt, mit raus aus dem Bordell und es wirkt sich auf seinen Umgang mit sich nichtprostituierenden Frauen aus. Prostitution ist Gewalt. Eine Männerbefriedigungsmaschine.

Tu nicht so, als hättest Du nie Freiergewalt erlebt, und erzähl nicht die Mär vom lieben, netten Kunden, der nur kuscheln will und Deine Grenzen immer achtet. Deutschland hat Prostitution legalisiert, und zu was hat das geführt? Zu noch mehr Prostitution und vor allem: zu immer krasserer Nachfrage. Und damit meine ich nicht nur, dass es immer mehr Freier gibt, weil Männer lernen, dass es okay ist, sich Frauen zu kaufen. (Ja, ich höre schon das Pseudoargument, der Freier kaufe ja keine Frau, sondern eine „Dienstleistung“, was für ein Unsinn! Kannst Du Deine Muschi, Deinen Arsch, Deine Brüste, Deinen Mund und das, was Du damit machst, von Dir abkoppeln? Berührt wird immer der ganze Mensch.)

Ihr sprecht NICHT für mich und für keine Prostituierte, die ich kenne!

Schau Dir mal an, was Freier so wollen: Küssen, alles ohne, Analverkehr (auch ohne), Französisch total (heißt Sperma schlucken), Zungenanal, Faustfick, ins Gesicht spritzen, sie wollen Gangbang- und Rape-Partys, sie wollen immer jüngere Mädchen, sie wollen „tabulose“ Mädchen, die darauf konditioniert sind, ALLES zu machen, was der Freier will. Sie wollen Flatrate-Ficken, so viele Mädchen/Frauen wie möglich, alles im Clubeintritt inbegriffen.

Wie erklärst Du Dir das? Es ist doch eindeutig, dass sich mit der Legalisierung der Prostitution ihr wahres Wesen offenbart: Gewalt. Völlige Verfügbarkeit von Frauenkörpern. Das hemmungslose Ausleben von Männermacht. Und: sexualisierte Folter.

Denn, liebe Stephanie, wenn Du Dich mal in den Freierforen umschauen würdest, würdest Du sehen, dass Freier Frauenhasser sind. Dass sie es lieben, Frauen zu quälen, an deren Grenzen des Ertragbaren zu gehen. Und noch was: Freier wollen Zwangsprostituierte. Denn bei denen können sie sich sicher sein, dass die Praktiken mitmachen (müssen), die jede „anständige“ deutsche Prostituierte vom alten Schlag ablehnen würde. Das ist, was Freier wollen.

Wie schaffst Du es zu übersehen, dass mittlerweile in jeder Stadt mehrere Großbordelle stehen, in denen fast nur Frauen arbeiten, die kaum oder wenig Deutsch sprechen, die von ihren „Beschützern“ morgens hingebracht und abends abgeholt werden und die Praktiken anbieten, die weh tun und gesundheitsgefährdend sind? Steh‘n die da drauf oder wie? Alles Masochistinnen? Und Du schreibst, für diese Frauen (aus Rumänien, aus Bulgarien) sei Prostitution eine tolle Alternative? Du findest, Prostitution ist eine tolle Alternative zu Armut?

Du redest von Prostitution, als sei sie etwas, das erstrebenswert wäre, das toll sei für Frauen und Mädchen. Warum erwähnst Du nicht, welche Gründe Frauen in die Prostitution treiben? Und da nehme ich die Zwangsprostitution jetzt schon mal raus. So nebenbei, was ist für Dich Zwang? Sich aus Armut und fehlender Perspektivlosigkeit heraus für die Prostitution entscheiden zu müssen? Das ist für Dich kein Zwang, sondern eine tolle Chance? Selbst Frauen, die „freiwillig“ einsteigen, sind im Gewerbe Zwang ausgesetzt.

Wenn die Zimmermieten so hoch sind, dass sie einen Freier annehmen müssen, obwohl sie nicht wollen, weil sie sich sonst beim „Vermieter“ in Schulden stürzen, zum Beispiel. Wenn sie sich nicht trauen, einen Freier abzulehnen, weil es sonst wieder Stress mit den „Aufpassern“ oder dem „Bordellinhaber“ gibt, der es eben nicht gerne sieht, wenn seine Mädels im Ruf stehen zu „zicken“.

Du stellst es geradeweg so dar, als wollten Frauen sich im Gewerbe ausleben. Liebe Stephanie, ich bin eine von den vielbeschworenen „freiwilligen“ Prostituierten. Mit 18 habe ich angefangen, nachdem ich 17 Jahre lang von meinem Stiefvater verprügelt und sexuell missbraucht worden und von Zuhause abgehauen bin. Ich dachte, ich kann nur das, ich bin nur zum Ficken gut. Und wenn ich eh nur dafür gut bin, dann ist das jetzt meine Lebensversicherung, die mir mein Überleben ermöglicht.

Am Anfang dachte ich noch, ich hätte Macht. Schau da, sie zahlen sogar für Dich. Ich habe mit Hilfe der Prostitution den Zugang zu meinem Körper reguliert. Gelernt habe ich: Über Dich dürfen eh alle drüber. Und dann durfte ich aussieben: Nee, nicht mehr alle, nur noch die, die es sich leisten können.

Ich bin da nicht die einzige. Ich habe keine einzige Prostituierte erlebt, die nicht, als Kind oder als Erwachsene, sexuell missbraucht/vergewaltigt worden wäre oder anderweitig sexualisierte Gewalt erlebt hätte. Und ich wage die steile These, dass unsere Gesellschaft den massenhaften Missbrauch junger Mädchen deswegen nicht konsequent verfolgt, weil er ihr nutzt. Missbrauch ist wie frühes Einreiten. Das ist praktisch, denn durch Missbrauch lernen Frauen/Mädchen zu dissoziieren, sich wegzumachen dabei. Nicht da zu sein (und das ist genau das, wofür der Freier zahlt – dafür, dass der Wille der Frau in dem Moment nicht da ist, denn er hat ihn wegbezahlt).

Der Zusammenhang zwischen sexuellem Missbrauch und Prostitution ist längst belegt, mindestens 60 Prozent (andere Statistiken sprechen von bis zu 90 Prozent) aller weiblichen Prostituierten wurden als Kind sexuell missbraucht. Das einzige, was diese Frauen ausleben, Stephanie, ist die Reinszenierung ihrer Traumata, die sie so zu verarbeiten hoffen, aber natürlich nicht können. Und Du willst da keine Hilfe aus der Prostitution, sondern Einstiegshilfen in die Prostitution, ja?

Tu nicht so, als hättest Du nie Freiergewalt erlebt!

In der Prostitution leben Frauen, die traumatisiert sind, und die durch die Prostitution weiterhin traumatisiert werden. Oder wie erklärst Du Dir, liebe Stephanie, dass Prostituierte (auch ich) massenhaft an posttraumatischen Belastungsstörungen leiden (Studien sprechen von mindestens 60 Prozent mit einer voll ausgeprägten PTBS)?

Du erzählst, Prostitution versetze Prostituierte in Hochgefühle, sie seien glücklich, den Kunden glücklich gemacht und Geld in der Tasche zu haben. Aber was heißt „den Kunden glücklich machen“? Das bedeutet doch auch nur, dass ich erfolgreich gewalttätig gegen mich selber geworden bin (indem ich mich wegmache, meinen Ekel, meinen (Wider-)Willen), damit der Kunde gewalttätig an mir werden kann, indem er mich für seine Wünsche benutzt. Und das macht Prostituierte also glücklich, ja? Macht es Dich glücklich, zu dissoziieren und nicht da zu sein?

Du sagst, erst wenn die Prostituierte aus der Bordelltür trete, begänne ihre Traumatisierung, und diese beruhe auf ihrer gesellschaftlichen Diskriminierung. Dazu möchte ich Dir gerne was erzählen, Dir, die Du denkst, es bräuchte Einstiegshilfen statt Ausstiegshilfen.

Ich bin eine von denen, die sich prostituiert haben, als Prostitution in Deutschland längst nicht mehr sittenwidrig war. Soll ich Dir sagen, zu was das geführt hat? Ich habe mich, wie der Großteil aller Prostituierten, nicht als solche angemeldet, weil ich Angst hatte, dann nicht mehr aussteigen zu können. Weil ich Angst hatte, gefragt zu werden, warum ich nicht mehr als Prostituierte arbeiten will, wo das doch ein Beruf wie jeder andere sei. Und genau das ist passiert, als ich aussteigen wollte. Ich habe auf dem Gesundheitsamt Hilfe gesucht und erntete Unverständnis. Und kam nicht raus.

Was hätte ich dem Arbeitsamt denn erzählen sollen, wenn ich einen ALG-II-Antrag stelle, um nicht mehr täglich zehn Schwänze lutschen zu müssen, damit ich wo wohnen und was essen kann? Wovon, würden sie fragen, hätte ich gelebt die letzten drei Monate? Und wenn ich es gesagt hätte, hätten sie mich dann gefragt, warum ich das nicht weitermachen will, es gäbe da ein tolles Bordell hier in der Nähe, die suchen noch…? Oder hätte ich beweisen müssen, dass ich mich nicht mehr prostituiere? Und wie beweist frau das?

Was hätte ich dem Arbeitsamt denn erzählen sollen?

Du vergisst auch den Drogen- und Alkoholkonsum, der im Gewerbe unter Prostituierten herrscht, Stephanie. (Warum wohl? Wenn doch alles so toll ist? Aber anscheinend ist es eine einzige große Party, eine Orgie, da gehört das dazu, zum Sichausleben, ah?) Du vergisst so vieles. Du vergisst Zwangsprostitution, Freiergewalt, Zuhältergewalt (ach, die heißen ja jetzt nicht mehr Zuhälter, sondern „Partner“, „Security“, „Vermieter“). Du vergisst den Frauenhass, den Selbsthass. Du vergisst, dass Vermieter, Bordellbetreiber, Zeitungen (ja, solche Anzeigen in denen Prostituierte sich bewerben sind extrem teuer), der Staat (Steuern) profitieren. Du vergisst, dass alle an einer Prostituierten verdienen, sie ausnutzen.

Wer hat am wenigsten davon? Die Prostituierte. Die kriegt den geringsten Anteil am Geld, alle verdienen an ihr, alle haben was von ihr (Sex, Geld, befriedigte Machtgeilheit), aber was hat sie? Eine Posttraumatische Belastungsstörung, eine Substanzsucht und jede Menge Einsamkeit und Selbsthass. Das alles kommt von der gesellschaftlichen Diskriminierung, ja?

Komisch, mir persönlich kommen bei Flashbacks, die ich auf Grund meiner durch Prostitution verursachten PTBS habe, immer nur die Bilder von mich missbrauchenden Freiern vors innere Auge! Stephanie, frag doch mal TraumatherapeutInnen, woher die PTBS kommt, die die Prostituierten haben die irgendwann (hoffentlich!) bei ihnen landen!

Ich hab die Schnauze voll von euch prostitutionsfremden ProstitutionsbefürworterInnen, die ihr mir erzählen wollt, dass Prostitution ein Beruf wie jeder andere ist. Ich hab keinen Bock mehr auf euch, die ihr allen hier das Märchen von der ach so tollen freiwilligen Prostitution erzählen wollt. Ihr, die ihr keine Ahnung von Prostitution habt und in eurem linken Selbstverständnis irgendwas von „Prostitution ist früher mal Ausdruck von Macht über Frauen gewesen, aber nun ist es eine Umkehr der Power relations, die Prostituierte hat Macht über den Freier“ babbelt. Ich hab nie Macht empfunden, wenn ich unter einem verdammten Freier lag, und ich kenne keine, die das je so gefühlt hat!

Ich krieg das Kotzen über euch, die ihr in der Prostitution seid und euch „Sexarbeiterinnen“ nennt. Weil ihr euch aufschwingt, für uns alle zu sprechen, für uns alle, die in der Prostitution sind, und weil ihr denen, die nichts von Prostitution wissen (Frauen – denn Männer wissen es zumeist, so als Freier, nur die werden euch nicht erzählen, warum sie wirklich ins Bordell gehen, was sie dort wollen und machen!) glauben macht, es sei alles okay.

Es ist NICHT okay.

Ich ertrage das nicht mehr, dass ihr so tut, als würdet ihr für ALLE Prostituierten sprechen. Ihr seid eine Minderheit in der Prostitution. Ihr beschreibt eine Realität, die so nicht stattfindet. Ihr sprecht Opfern von Gewalt das Opferdasein ab und legt ihnen nahe, sich darüber auch noch zu freuen, weil ja alles so toll ist. Ihr macht die MEHRHEIT der Prostituierten mundtot.

Die Mehrheit, die immer noch säuft, Drogen nimmt oder ihren Missbrauch immer und immer wieder reinszeniert in der trügerischen Hoffnung, das lindere den Schmerz. Die Mehrheit, die den Hass derer, die ihnen Gewalt angetan haben, irgendwann übernehmen, in Selbsthass verwandeln und sich „freiwillig“ in diese Gewaltspirale begeben. Ihr überschüttet Frauen, die von Gewalt in der Prostitution sprechen wollen, mit Hohn: „Ach, das tut mir leid, dass DU schlechte Erfahrungen gemacht hast“, ganz so, als läge die Gewalt nicht in der Struktur der Prostitution, sondern in der mangelnden Professionalität der Frau, in ihrer schadhaften Persönlichkeit, die eine ach so tolle Erfahrung nicht ertragen kann.

Ihr befreit niemanden mit eurem neoliberalen Gebabbel!

Ihr wollt für alle sprechen? Ihr sprecht NICHT für mich und für keine Prostituierte, die ich kenne. Ihr nutzt den Umstand, dass die meisten Prostituierten einfach zu beschäftigt sind mit Überleben, zu traumatisiert, um zu sprechen. Ich spreche euch ab, für alle Prostituierten zu sprechen, weil ihr die, die diese Gewalt benennen könnten, mundtot macht, ihr Schweigen nutzt und sie einfach nicht erwähnt und sie damit erneut zu Opfern macht.

Wenn ihr sagt, „es sollen doch alle machen können, was sie wollen“, dann meint ihr doch in Wirklichkeit nur, dass die Freier und die Zuhälter, die hinter euch stehen, machen können sollen, was sie wollen. Und nicht die Prostituierten.

Ihr befreit niemanden mit eurem neoliberalen Gebabbel. Wenn ihr erzählt, Prostitution müsse nur von sämtlichen Kontrollen, Auflagen usw. befreit werden und alles sei supi, dann lügt ihr und verfolgt eine merkwürdige Theorie: Denn wenn Opfer von Sklaverei sich unglücklich fühlen, weil sie Sklaven sind, hilft es dann, Sklaverei zu legalisieren, damit die Sklaven nicht mehr „gesellschaftlich diskriminiert“ werden und sich in der Sklaverei noch besser versklaven lassen können?

Ohne Gruß,
Huschke Mau, huschke.mau@web.de

Huschke Mau hat diesen Brief an die Feministische Partei geschickt, weil sie die einzige Partei Deutschlands ist, die für ein Sexkaufverbot und eine Freierbestrafung nach schwedischem Modell eintritt. Huschke Mau ist auch auf Twitter @HuschkeMau

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