Terrorwelle im Iran
Die Kopftuchkontrollen und Verhaftungen nehmen zu, zwei Feministinnen wurden verurteilt. IranerInnen flehen um Hilfe.
Am 8. März wurde eine Frauendemonstration in Teheran brutal zerschlagen, rund 30 Frauen wurden verhaftet und beschuldigt, die "staatliche Sicherheit" und "muslimische Moral" gefährdet zu haben. Zwei der Frauen, die bekannten Feministinnen Parwin Ardalan und Nushin Ahmadi Khorasani, wurden am 24. April zu je drei Jahren Haft verurteilt, davon sechs Monate Vollzug und 30 Monate auf Bewährung.
Im August 2006 hatten Iranerinnen die Kampagne ‚Eine Million Unterschriften gegen frauendiskriminierende Gesetze' begonnen. Im März 2007 initiierten die "Revolutionswächter" eine Gegenkampagne. Innerhalb der ersten 24 Stunden wurden, laut Teheraner Polizeisprecher, "1.347 Frauen verwarnt". In den Wochen darauf stieg die Zahl der Verwarnung "schlecht verschleierter Frauen" auf über 17.000. Das Regime des "Gottesstaates" scheint nervös zu werden und seine ersten Opfer sind, wie immer, die Frauen. Die Sanktionen des Westens, der Iran zwingen will, auf sein Streben nach Atomwaffen zu verzichten, zeitigen Früchte. Doch wird der inneriranische Widerstand gegen Unterdrückung und Terror nicht ohne Unterstützung aus dem Westen erfolgreich sein können.
Nachfolgend einer von zahlreichen Hilferufen, die uns aus dem Iran erreichen (den ersten Brief der "feministischen Studentinnen" veröffentlichte EMMA in der Ausgabe 5/05). Zur Unterstützung der Eine-Million-Unterschriften-Kampagne haben Iranerinnen auch im Westen Petitionen initiiert (
we.forchange@yahoo.de), darunter Gruppen iranischer Frauen in Deutschland:
wirschweigennicht@yahoo.de und
frauengegenfundamentalismus@yahoo.de.
Liebe Schwestern!
Leider wird die Situation nicht besser, sondern schlimmer, besonders für uns Frauen; Menschen- und Bürgerrechte werden weiterhin mit Füßen getreten. Nichtsdestotrotz arbeiten wir tatkräftig weiter. Wir sprechen immer mehr Frauen an, organisieren Demonstrationen und wenden uns mit unseren Appellen an internationale Organisationen. Aber solange wir keine internationale Unterstützung bekommen, werden wir immer tiefer in der Unterdrückung versinken.
Unseren Mut bezahlen wir teuer. Die Polizei hat die von uns initiierten und organisierten Demonstrationen zum 8. März brutal zerschlagen, viele unserer Schwestern sind verhaftet worden. Man beschuldigt sie, die "staatliche Sicherheit" und die "muslimische Moral" gefährdet zu haben.
Einige unserer Schwestern haben sich im Sommer 2006 auf eine Reise quer durch den Iran gemacht mit dem Ziel, für die Gleichberechtigung der Frauen eine Millionen Unterschriften zu sammeln. Dazu gehören das Recht auf Scheidung, das volle Sorgerecht für die eigenen Kinder, die Abschaffung der Polygamie und die Gleichheit vor dem Gesetz (gegenwärtig gelten Jungen im Alter von 15 Jahren als strafmündig, Mädchen können schon im Alter von neun Jahren zum Tode verurteilt werden!). Doch unsere Schwestern, die letzten Sommer losgezogen sind, werden noch heute im Gefängnis von Evin festgehalten und keiner weiß, was mit ihnen geschieht.
Selbst unsere Mobiltelefone werden kontrolliert, SMS-Nachrichten oder "unmoralische" Bilder und Videoclips dienen als Vorwand für Verhaftungen. Ein weiteres Anzeichen für die verstärkte Unterdrückung ist die Kampagne der Sicherheitskräfte gegen "unislamische" Kleidung und ihr Kampf gegen die "Unanständigkeit". Argument: Der Feind aus dem Westen versuche, die Grundfeste des Islam zu untergraben, also seien Frauen, die sich "unpassend" kleiden, Agentinnen des Westens, mit denen man keine Gnade haben dürfe.
Das iranische Volk wünscht sich das Recht auf freie Meinungsäußerung und beobachtet sehnsuchtsvoll den Kampf seines türkischen Nachbarn gegen islamische Zwänge. Wir wissen, dass das islamische Regime in unserem Land dem türkischen Volk - das sich im Moment noch persönlicher Freiheiten erfreut - als Warnsignal gilt. Wir selbst sehen die Türkei als positives Beispiel dafür, dass Islam nicht notgedrungen Unterdrückung bedeuten muss.
Die iranische Führungsriege verlässt sich auf die Schwäche des Westens. Die Uneinigkeit in den westlichen Reihen ermutigt sie noch und lässt sie in dem Glauben, den Westen unterwerfen zu können. Sie haben an Kraft gewonnen, fühlen sich in ihrem Tun bestätigt und tyrannisieren das verzweifelte Volk zunehmend.
Der Erfolg der Sanktionen ist ein kleiner Hoffnungsschimmer für uns, da er das Regime und dessen Macht geschwächt hat. Die Machthaber und ihre Anhänger bekommen die Sanktionen in ihrer eigenen Tasche zu spüren. Auslandsreisen werden schwieriger. Die Sanktionen schädigen also tatsächlich die Machthaber und nicht das Volk, dessen Leben sich dadurch nicht verändert hat.
Ihr seid also auf dem richtigen Weg, die Konsequenzen der Sanktionen zeigen sich immer deutlicher. Wir bitten euch, eure Anstrengungen beizubehalten, ja weitere Maßnahmen gegen das iranische Regime zu ergreifen, denn das Geld aus dem Westen ist sein Lebenselixier.
Ihr seid unsere Hoffnung. Wir sind der echte Iran, wir sind das iranische Volk. Bitte enttäuscht uns nicht.
Mit respektvollen Grüßen,
eure feministischen Studentinnen im Iran
Feminist-stud-iran@asiamail.com
EMMA Juli/August 2007
Zum Weiterlesen: Hilferuf aus dem Iran, EMMA 5/2005
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