Und der Terror gegen Frauen?
Dass Saskia Esken am Sonntagabend bei Caren Miosga allen Ernstes erklärte, aus dem Messer-Attentat von Solingen ließe sich „nicht viel lernen“, sorgt gerade zurecht für Empörung. Dabei hatten NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sowie der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, in der Sendung gerade aufs Klarste und Schärfste bemängelt, was alles seit langem schiefläuft: Von fehlenden Befugnissen der Polizei, potenzielle Täter auszuforschen, bis hin zu der Tatsache, dass der Attentäter Issa al Hasan längst hätte abgeschoben werden müssen.
Auch die Publizistin Sineb al Masrar hatte in ihrer ebenso faktenreichen wie scharfsinnigen Analyse erklärt, dass nicht nur der terroristische Islamismus ein Problem sei, sondern auch der legalistische Islamismus seit Jahren ungehindert die Institutionen unterwandere: „Der Islamismus gehört längst zu Deutschland.“ Die Tochter marokkanischer Eltern hatte SPD-Vorsitzende Esken darauf hingewiesen, dass deren Parteikollegin, Innenministerin Nancy Faeser, nach Amtsantritt den kritischen Expertenkreis Politischer Islamismus postwendend wieder aufgelöst hatte.
Doch all das schien an der SPD-Vorsitzenden abzuprallen. Dass #Esken mit ihren ignoranten Aussagen gerade auf X/Twitter trendet, dürfte ihr geringstes Problem sein. Die Prognose der SPD für die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen für den nächsten Sonntag liegen aktuell bei sechs Prozent. Sollten nun auch die Sozialdemokraten an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, wie absehbar die anderen beiden Ampel-Parteien Grüne und FDP, dürfte das niemanden mehr verwundern. Aber es wäre eine demokratische Katastrophe. Die einstige Volkspartei weg vom Fenster.
Der Terror kehrt nach Deutschland zurück? Er war nie weg!
Aber noch etwas irritierte an der Sendung. Nämlich, dass der Terrorismus-Experte der ARD, Michael Götschenberg, erklärte: "Wir hatten alle das Gefühl, dass der islamistische Terror in den Hintergrund geraten war." Hatten wir das? Im Ernst?
So eine Aussage kann man nur treffen, wenn man als Terror nur Anschläge betrachtet, die mit einem Bekennerschreiben des IS oder einer anderen Terrororganisation gelabelt sind. Und so wurde bei Miosga so getan, als ob es zwischen dem Attentat am Berliner Breitscheidplatz 2016 und dem Attentat auf dem Solinger Stadtfest keinen „islamistischen Terror“ gegeben hätte. Damals war der Tunesier Anis Amri mit einem LKW in einen Weihnachtsmarkt gerast und hatte 17 Menschen getötet. Amri war vom IS rekrutiert worden, ebenso wie jetzt anscheinend Issa al Hassan. „Der IS-Terror kehrt nach Deutschland zurück“, schreibt auch der Spiegel.
Dabei hat es in den letzten acht Jahren unzählige Terrorattacken junger, islamistisch verhetzter Männer gegeben. Doch allzu oft wurden sie beim Bundeskriminalamt nicht als „politisch motivierte Gewalttaten“ geführt. Zwar hatten die Täter bei ihren Attacken „Allahu akbar“ gerufen, wurden aber als Einzeltäter abgetan. Nicht selten galten sie als „geistig verwirrt“.
Wie Mohammad R., der im Oktober 2018 am Kölner Hauptbahnhof zuerst Benzin in einer McDonalds-Filiale verteilte, dann einen Molotow-Cocktail warf und einem 14-jährigen Mädchen schwere Brandverletzungen zufügte. In der benachbarten Apotheke übergoss er eine Mitarbeiterin mit Benzin und nahm sie als Geisel. Erinnert sich noch jemand daran?
Oder Abdihraman A., der im Juni 2021 in Würzburg bei Woolworth ein Küchenmesser nahm und damit auf Verkäuferinnen und Kundinnen einstach. Drei Frauen starben, vier wurden schwer verletzt. Kennt jemand die Namen der Opfer? Nein, denn sie wurden nicht einmal bei der Trauerfeier genannt.
Und noch vor wenigen Wochen attackierte ein 19-jähriger Afghane eine Frau, die am Frankfurter Mainufer auf einer Parkbank saß, aus dem Nichts mit einem Cuttermesser. Er stach ihr in den Hals und verletzte sie schwer. Laut Staatsanwaltschaft gibt es „keinen Hinweis auf ein politisches Motiv“. Und der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU) erklärte den Mordversuch zum „Einzelfall“.
Das ist falsch, grundfalsch. Diese Morde und Mordversuche an Frauen sind keine Einzelfälle und sie sind hochpolitisch. Sie sind Terror gegen Frauen. Genauso wie die Kölner Silvesternacht 2015 Terror gegen Frauen war. Und wie die Gruppenvergewaltigungen, deren Zahl seit 2016 in die Höhe geschossen ist, Terror gegen Frauen sind.
Frauen haben schon lange das Gefühl, dass es sie überall treffen könnte
Diese Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs, die es in die Medien schafft. Allein in Berlin gab es 2023 an jeden dritten Tag eine Gruppenvergewaltigung. Weit überproportional, nämlich zu über 50 Prozent, sind junge Männer aus Ländern die Täter, in denen Frauen Menschen dritter Klasse sind und unverhüllte Frauen Schlampen. Das ist nicht privat, sondern politisch.
War es eigentlich mal Thema, warum junge islamistische Männer in Wien ihren Anschlag ausgerechnet auf ein Taylor-Swift-Konzert verüben wollten? Das Konzert einer starken, erfolgreichen Frau mit überwiegend weiblichen Fans? Wurde in den Medien die Frage gestellt, warum der Attentäter von Southgate ausgerechnet drei Mädchen erstochen hat? Warum wenige Tage später in London eine Frau und ihre elfjährige Tochter von einem Unbekannten mit einem Messer attackiert und das Mädchen schwer verletzt wurde? Mal wieder gab es „keinen Hinweis, dass es sich um eine Terrortat handelt“.
Spätestens mit dem Messerattentat von Solingen dürfte sich das Sicherheitsgefühl vieler Menschen in Deutschland endgültig massiv verschlechtert haben. Das Ziel solcher Attacken sei, erklärte der ARD-Terrorismus-Experte Götschenberg bei Miosga, "das Signal, dass es jeden und überall treffen könnte".
Frauen haben dieses Gefühl schon lange. Nein, nicht erst seit der Zuwanderung, die 2015 begann. Sexuelle Gewalt droht auch von deutschen Männern. Aber das Problem hat sich seither massiv verschärft. Und es ist nicht hilfreich, mit zweierlei Maß zu messen: Hier die „private“ Gewalt gegen Frauen, die als „Einzelfall“ in keiner Statistik landet - und da der „politische Terrorismus“, bei dem der Kanzler (zurecht) anrückt und der Bundespräsident große Worte spricht.
Die britische Innenministerin Yvette Cooper hat übrigens angekündigt, Frauenhass als „Extremismus“ einstufen lassen zu wollen. Ein Beispiel für Deutschland? Ja! Aber dazu müsste man erstmal anerkennen, dass es ihn gibt: den Terrorismus gegen Frauen.