Kultur im Bordell?
Nur dank des Protests konnte verhindert werden dass das Kölner Festival im "Pascha" stattfindet.
Das hatte sich Pascha-Geschäftsführer Armin Lobscheid so schön vorgestellt: Das renommierte Kölner ‚Sommerblut‘-Festival mit über 80 Musik- und Kabarettveranstaltungen und homosexueller Zielgruppe würde am 16. Mai im ‚Pascha Nightclub’ eröffnet. Ganz selbstverständlich stünde Kölns Großbordell, aus dem auch schon mal Minderjährige und Zwangsprostituierte rausgeholt werden, zusammen mit den Namen Herbert Feuerstein und Nessi Tausendschön, Doris Kunstmann und Martin Semmelrogge in den Medien. Die sollten nämlich bei der Auftaktveranstaltung ‚Wilde Nächte‘ lesen bzw. singen, der WDR wollte übertragen.
Daraus wird nun nichts. Und auch die Schlagzeilen sind alles andere als positiv. Zu breit war der Protest gegen diesen neuerlichen Versuch, das Bordell im besonderen und Prostitution im allgemeinen in der Domstadt salonfähig zu machen. „Wir finden es skandalös, dass die Sucht nach immer ‚abgefahreneren Locations‘ zu einer Distanzlosigkeit gegenüber einem System führt, das immer wieder mit Gewalt und Verzweiflung zu tun hat“, erklärte das – ausschließlich von Frauen gemanagte – Kölner atelier-Theater.
Theaterleiterin Sabine Heinrichs-Knab weigerte sich, an der gemeinsamen Pressekonferenz zum Festival teilzunehmen, die am 5. April ebenfalls im Pascha stattfand. Marion Scholz, Kabarettistin und Organisatorin der Gala ‚Sommernachtsfrauen‘, ging hin und diktierte den JournalistInnen ihren Ärger in den Block.
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Makabere Pointe der Pascha-Affäre: Der Erlös der Gala geht an – ein afrikanisches Projekt gegen die Zwangsprostitution von Mädchen und Frauen. Vor zwei Jahren hatte die Polizei bei einer Razzia übrigens auch drei minderjährige Mädchen aus Afrika aus dem Pascha geholt.
In den Tagen nach der Ankündigung des Festivals explodierte das ‚Sommerblut‘-Gästebuch, und auch aus der Politik kam Protest. „Die Präsentation von Kunst an einem Ort, an dem der Prostitution nachgegangen wird, mag legal sein, ist aber denkbar ungeeignet, weil Prostitution aus unserer Sicht immer etwas mit Erniedrigung von Frauen zu tun hat“, ließ die Kölner CDU verlauten. ‚Köln Tourismus‘ verkündete, man werde als Partner des Festivals mit „Nachdruck darauf hinwirken, dass das Pascha im nächsten Jahr als Veranstaltungsort nicht mehr dabei ist“. Und auch so mancher schwule Künstler, wie Bernd von Fehrn (alias Wanda Rumor) oder Holger Edmaier (Duotica) erklärte sein „klares Nein zum Versuch, eine Kulturveranstaltung zum Zweck der Normalisierung von Prostitution zu missbrauchen“.
Das Pascha macht diesen Versuch nicht zum ersten Mal. Schon seit geraumer Zeit will das laut Eigenwerbung „größte Laufhaus Europas“ (141 Zimmer) das Etablissement in der Hornstraße von einer No-Go-Area zum In-Place machen und geht dabei gezielt vor.
Nicht nur das Fanprojekt des 1.FC Köln feierte seine alljährliche Fanparty 2006 zum ersten Mal im Pascha; das links-alternative Filmhaus lud jüngst zum Auftakt seines Kurzfilmfestivals ins Bordell; und die 7. Etage, in der Trans- und Homosexuelle den Möchtegern-Paschas zur Verfügung stehen, fuhr gar auf einem Pascha-Reklame-Wagen bei der Christopher Street Day-Parade mit. Teile der Community protestierten und sind entschlossen, eine Wiederholung des Skandals im Jahr 2007 zu verhindern.
Leider hat sich jetzt auch Festivalleiter Rolf Emmerich vor den Puff-Karren spannen lassen. Er habe sich „nächtelang im Pascha umgesehen“ und alles für „in Ordnung“ befunden, erklärte der 51-jährige Eventmanager. „Wir hätten Herrn Emmerich bei der Recherche helfen können“, klärte der Kölner Stadt-Anzeiger auf, der groß über den Minderjährigen-Skandal berichtet hatte, und klagte: „Emmerich fördert das ‚Ist doch gar nicht so schlimm Image‘ des Pascha und macht so Prostitution salonfähig.“
Das hätte eigentlich auch der ‚Sommerblut‘-Schirmherr Jürgen Roters erkennen müssen. Dem Ex-Regierungspräsidenten und Ex-Polizeipräsidenten von Köln müsste der fatale Zusammenhang zwischen Rotlichtmilieu, Gewalt und Kriminalität aus eigener Anschauung bekannt sein.
Der Protest gegen die galoppierende Enthemmtheit in Sachen Prostitution hatte Erfolg. Feuerstein, Tausendschön & Co. werden ihre ‚Wilden Nächte‘ nun im Theaterhaus Köln feiern. Vier weitere KünstlerInnen allerdings – darunter Romy Haag und Lilo Wanders – sollen weiterhin im Pascha auftreten. Die Debatte geht also weiter: Für den 20. Mai hat Rolf Emmerich zu einer Podiumsdiskussion über ‚Kultur im Bordell‘ eingeladen. Passenderweise ins Filmhaus.
EMMA 3/07