Sonyas Welt: Rosa macht sanft
In der unendlich anmutenden rosa-lila Glitzer-Glitterwelt eines riesigen Spielwarencenters hatte mich doch glatt verlaufen. „Kann ich helfen?“ Die eine eifrige Verkäuferin witterte Beute. „Ich suche nach einem Geschenk für einen Zwei- und einen Vierjährigen.“ – „Jungs? Na, da sind sie hier falsch!“ Für die Dame war das so offensichtlich, dass sie sich ein leichtes Kopfschütteln nicht verkneifen konnte. „Das hier ist die Mädchenwelt. Auf der andern Seite des Mittelganges sind die Jungensachen.“
Jungs? Da sind sie hier falsch! Das ist die Mädchenwelt!
Eilig wurde ich in die Mini-Männer-Abteilung eskortiert, wo ich mir sofort so vorkam, als wollte man mich zum Militärdienst einziehen: Regale voller Waffenarsenale in NATO-Oliv, Braun, Grau und Schwarz. Im nächsten Gang konnte man sogar die ganze Galaxis bekämpfen: Star Wars-Figuren und -Fighter verbreiteten ihren düsteren Charme, soweit das Auge reichte. Anscheinend hatte links des Mittelgangs jemand das Licht ausgeknipst und jegliche Farbe verbannt. Zumindest im LEGO/Playmobil- und Autogang wurde es etwas bunter, frische Pastelltöne suchte man allerdings auch hier vergeblich.
„Entschuldigung, gibt’s LEGO nicht mittlerweile auch in Pastelltönen?“ – „Ja, aber das hier ist LEGO TECHNIK! LEGO FRIENDS gibt’s drüben bei den Mädchen.“ Aha! Das Thema Technik war also für Jungs reserviert, Wut und Aggression ebenfalls. Weichgespülte Mädels sollten sich gefälligst mit sozialer Kompetenz und Prinzessinnen-Traumwelten begnügen.
Wo war ich hier gelandet? Die Geschlechtertrennung konnte bei den Salafisten nicht radikaler ausfallen. Welch uralte Rollenklischees werden hier von der Spielzeugindustrie bedient? Oder sind wir Eltern schuld? Verwehren wir unseren lieben Kleinen das halbe Spektrum der Welt wg. Geschlecht? Die Folgen sind auf jeden Fall verheerend.
Der amerikanische Wissenschaftler Alexander G. Schauss vom American Institute for Biosocial Research hatte schon im Jahr 1979 herausgefunden, dass besonders aggressive Häftlinge ihre Lust auf Randale verloren, wenn sie nur für eine Viertelstunde in einen rosa gestrichenen Raum gesteckt wurden. Auf die Idee war der Forscher gekommen, nachdem er Probanden beim Armdrücken auf ein pinkfarbenes Blatt hatte schauen lassen – wodurch sie offenbar einen Teil ihrer Muskelkraft einbüßten und leichter zu schlagen waren. Blau stellte die Kraft wieder her.
Die Forschungsergebnisse von Schauss sind seither immer wieder bestätigt und praktisch angewendet worden. In einem Schweizer Gefängnis in Pfäffikon gibt es heute ebenfalls eine Zelle, die komplett in zartem Pink gestrichen ist. Was passiert, ist erstaunlich: Die Gefangenen werden erst mal noch aggressiver, wenn sie in die ganz in „Cool down Pink“ gehaltene Farbtherapiezelle geschickt werden, weil das „schwule Rosa“ ihnen gegen den Strich geht. Aber das Rosa wirkt trotzdem und senkt zuverlässig jede Aggression; die Jungs kommen ausnahmslos entspannt wieder raus aus der rosa Zelle.
Das klingt jetzt vielleicht nach Zauberei, aber der Effekt ist nachgewiesen. Rosa verlangsamt den Herzschlag, senkt den Blutdruck, entspannt, macht friedlich! Aggressionen und schlechte Gefühle lassen sich in Gegenwart von Rosa einfach nicht aufrechterhalten.
Jungs kommen ausnahmslos entspannt wieder raus aus der rosa Zelle
Ein amerikanisches Football-Team soll diesen Anti-Doping-Effekt genutzt haben, indem es die Umkleideräume der gegnerischen Gästemannschaft in Babyrosa gestrichen hat – friedliche Lämmchen im Happy-Modus lassen sich nun mal besser besiegen als zähnefletschende Höllenhunde. Und liebe rosa Mädchen sind ja so viel einfacher als zickige rote Zoras! Hätte ich Mädels, ich würde Rosa den Kampf ansagen!
Doch ich habe zwei Jungs. Und den festen Willen, zukünftig jegliches Gender-Marketing zu boykottieren und die tiefe Überzeugung, dass ein bisschen Rosa genau das Richtige ist für meine wilden Jungs. Also erstehe ich zwei Babypuppen mit Kinderwagen und lande damit zu Hause einen echten Hit.
Meine kleinen Männer mögen’s metrosexuell. Sie stehen auf bunt lackierte Nägel, sind stolz auf ihre langen Locken und lieben nicht nur Bagger, sondern eben auch ihre Puppies. Think pink – es lebe der Regenbogen!
Sonya Kraus