§219a: Baerbock gegen Kompromiss
Warum sprechen Sie morgen in Berlin beim Aktionstag zur Abschaffung des §219a?
Die Entscheidung, ob eine Frau eine Schwangerschaft abbricht oder nicht, gehört sicherlich zu den schwersten im Leben. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir Frauen sie selbstbestimmt und gut informiert treffen können. Aber genau das wird durch den Paragrafen 219a verhindert. Er schreibt ein „Werbeverbot“ vor, was Ärzte im kommerziellen Sinn ohnehin nicht dürfen. Somit stellt dieser Sonderparagraf faktisch die medizinische und sachliche Information über einen Schwangerschaftsabbruch unter Strafe. Ärztinnen geraten so in große Rechtsunsicherheit.
Und die schwangeren Frauen?
Gerade im ländlichen Raum, wo es nicht an jeder Ecke Frauenärztinnen gibt, bräuchte es Onlineinformationen. Sonst wissen Frauen gar nicht, welche Ärztin oder welcher Arzt sie beraten kann. Das müssen wir ändern. Schwangere haben ein Recht auf Unterstützung und Information.
Welche Möglichkeiten sehen Sie als Grüne, die politischen Entscheidungen über das Recht auf Abtreibung zukünftig zu beeinflussen?
Wir bringen uns intensiv in die Debatte ein. Das gilt zum einen im Parlament, wo wir - auch aus der Oppositionsrolle heraus - versuchen, über Fraktionsgrenzen hinweg endlich eine Lösung zu finden. Zum anderen ist der Zusammenschluss mit der Zivilgesellschaft so wichtig wie lange nicht.
Wieso?
Auch bei uns droht von einigen Kräften aus ein “Rollback“. Frauenrechte sind ein Seismograph für den Stand um die liberale Demokratie, wie wir in Polen, den USA oder Russland sehen können. Daher sind wir in engem Kontakt und unterstützen die internationale Bewegung, gerade auch die polnische Frauenbewegung, die unter harten Bedingungen gegen eine Verschärfung der Abtreibungsregeln kämpft. Hier ist Solidarität über Grenzen hinweg gefragt. Und Erfolge wie in Irland machen Mut. Jetzt erst recht! Das ist die Devise.
Was ist ihr Ziel? Nur die Abschaffung des §219a – oder auch die Abschaffung des §218? Also endlich eine Fristenlösung auch für Frauen in Deutschland.
Beim Paragraf 219a geht es ja nicht um das Für oder Gegen Abtreibung. Es geht um Informationsfreiheit für Ärztinnen. Die Vorstellung, man verhindert Abbrüche, wenn Frauen sich möglichst schlecht informieren können, ist doch absurd. Daher gilt für mich: Frauen brauchen bei ungewollter Schwangerschaft Unterstützung und Hilfe, keine Bevormundung und keine Strafe. Und angesichts der erneuten Angriffe von rechts oder von fundamentalistischen Abtreibungsgegnern gilt es gerade, sich dem konsequent entgegen zu stellen und alles dafür zu tun, dass es nicht noch zu einer Verschärfung kommt.
Wie schätzen Sie die Position der SPD bei der anstehenden Abtreibungsdebatte ein? Werden die Grünen den Schulterschluss oder die Konfrontation suchen?
Ich sehe im Moment keine grundsätzliche Abtreibungsdebatte. Es geht um die Frage, ob Ärztinnen und Ärzte über ihre Leistungen informieren dürfen. Wer das will, kann den Paragraf 219a getrost streichen. Es gibt eine parlamentarische Mehrheit dafür. Die Streichung steht und fällt mit der SPD, die das ja schon mal einstimmig beschlossen hat. Wir brauchen da keine symbolischen Kompromisse, sondern Klarheit. Und das heißt: Streichung des Paragrafen 219a.