Staatschefinnen gegen Corona
Suchen Sie Beispiele für wirkliche Führungsstärke in einer Krise? Von Island bis Taiwan, von Deutschland bis Neuseeland zeigen Frauen der Welt, wie man eine Bedrohung für die Menschheit managt. Nehmen wir noch Finnland, Norwegen und Dänemark dazu, offenbart diese Pandemie, dass es Frauen sind, die die Qualitäten haben, die es braucht, wenn das Haus brennt.
Angela Merkel hat ihren Landsleuten frühzeitig und besonnen erklärt, dass sich bis zu 70 Prozent der Bevölkerung mit Corona infizieren könnten. „Die Lage ist ernst“, erklärte sie, „also nehmen Sie sie ernst.“ Sie tat es, also tat es die Bevölkerung ebenfalls. Deutschland übersprang die Phase des Leugnens und der Unaufrichtigkeit, wie es sie in anderen Ländern gab. Die Infektionszahlen sind weitaus niedriger als die in den europäischen Nachbarländern und es sieht so aus, als könnte Deutschland die Restriktionen relativ bald wieder lockern. Folge ihrer Strategie: bis Mitte April 2.969 Tote (ein Fünftel der Corona-Toten im vergleichbaren Frankreich).
Taiwans Präsidentin setzte sofort 124 Maßnahmen in Kraft
Eine der ersten, die schnell reagierte, war Taiwans Präsidentin Tsai Ing-Wen. Als im Januar die ersten Anzeichen einer neuen Krankheit auftauchten, setzte die Präsidentin sofort 124 Maßnahmen in Kraft, um ihre Ausbreitung zu verhindern. So musste sie keinen Lockdown verhängen wie andere Länder. Jetzt sendet Taiwan zehn Millionen Atemschutzmasken in die USA und nach Europa. CNN hat das Krisenmanagement von Tsai Ing-Wen als „eines der besten der Welt“ bezeichnet. Sie hat die Epidemie unter Kontrolle behalten und bisher nur sechs Tote zu beklagen.
Jacinda Adern in Neuseeland beschloss den Lockdown ebenfalls sehr früh und kommunizierte glasklar, dass sie das Land in maximalen Alarmzustand versetzen werde – und warum. Als erst sechs Corona-Fälle im ganzen Land bekannt waren, ordnete sie schon an, dass eingereiste NeuseeländerInnen sich in Quarantäne begeben müssen. AusländerInnen untersagte sie die Einreise bald darauf ganz. Ihre Klarheit und Entscheidungskraft retteten Neuseeland vor dem Sturm. Mitte April gab es erst vier Tote.
Island, regiert von Ministerpräsidentin Katrín Jakobsdottír, bietet allen BürgerInnen einen kostenlosen Corona-Test an, so dass das Land eine Schlüsselrolle spielen wird als Fallstudie über die wirkliche Verbreitung und Sterblichkeitsrate von Covid-19. Die meisten Staaten haben Tests begrenzt auf Menschen mit Symptomen. Das kleine Island (300.000 EinwohnerInnen) geht aufs Ganze. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung hat das Land schon fünf Mal mehr Menschen getestet als Südkorea und außerdem ein Tracking-System eingerichtet, so dass dem Land ein Lockdown erspart geblieben ist.
Sanna Marin war der jüngste Regierungschef der Welt, als sie im Dezember 2019 zur finnischen Ministerpräsidentin gewählt wurde. Es brauchte vielleicht eine Regierungschefin im Millenial-Alter, um Influencer als Speerspitze im Kampf gegen das Virus einzusetzen. Marin war bewusst, dass nicht jedeR Presse und Fernsehen verfolgt und stattdessen Informationen über die Sozialen Medien bezieht. Deshalb lud sie Influencer aller Altersgruppen ein, um die Fakten über die Pandemie und deren Eindämmung zu verbreiten. Folge: Bis Mitte April nur 49 Tote.
Norwegens Premierministerin gab eine Pressekonferenz nur für Kinder
Norwegens Premierministerin Erna Solberg hatte die innovative Idee, per Fernsehen die Kinder des Landes anzusprechen. Solberg hielt eine Pressekonferenz ab, bei der keine Erwachsenen erlaubt waren. Sie beantwortete die Fragen der Kinder, die aus dem ganzen Land gekommen waren, und nahm sich die Zeit zu erklären, warum es in Ordnung ist, Angst zu haben. Dieser ebenso originelle wie offensichtliche Einfall wirft die Frage auf, wie viele weitere simple, menschliche Innovationen mehr Frauen in Führungspositionen auf den Weg bringen würden. Bis Mitte April nur 98 Tote.
Überhaupt scheinen die Empathie und die Umsicht, die all diese weiblichen Regierungschefinnen an den Tag legten, aus einem anderen Universum zu kommen als aus dem, das wir kennen. Wer hätte gedacht, dass Anführer so klingen können? Jetzt wissen wir es.
Und jetzt vergleichen wir mal diese Anführerinnen mit den Machos (Trump, Bolsonaro, Obrador, Orban, Duterte, Putin, Netanyahu…) die diese Krise benutzen, um ihren grauenerregenden Dreiklang weiter nach vorne zu bringen: 1. anderen die Schuld geben, 2. die Justiz kapern, 3. Journalisten dämonisieren. Und 4. so ihr Land in den Abgrund stürzen.
Seit Jahren erklärt die Forschung bescheiden und zurückhaltend, dass der Stil, in dem Frauen führen und regieren, anders ist und dass die Menschen davon profitieren könnten. Trotzdem behaupten immer noch zu viele Parteien und Unternehmen, Frauen müssten sich verhalten wie Männer, wenn sie erfolgreich sein wollten. Dabei sind diese Regierungschefinnen das beste Beispiel für die sieben Regeln für gute Führung, die Männer von Frauen lernen sollten. Es ist an der Zeit, dass wir das erkennen – und mehr Frauen wählen.
Avivah Wittenberg-Cox