Lesbischer Stolz - ohne Vorurteil

Irina Schlauch ist die "Princess Charming". - Foto: RTL / René Lohse
Artikel teilen

Man hätte auch ganz schön danebengreifen können. 20 lesbische Frauen zwischen 21 und 33, die für zwei Wochen in einer Villa auf Kreta Tag und Nacht gefilmt werden, während sie versuchen, die Prinzessin an Land zu ziehen. Aber es ist auf den Punkt. Vielleicht weil „Princess Charming“ fast ausschließlich von Frauen gemacht wurde. Und die bedienen weder den male gaze, noch präsentieren sie die typischen Lesben-Klischees, von zwei-, dreimal abgesehen, aber hey, ein bisschen Selbstironie darf sein.

Anzeige

Stattdessen haben die Macherinnen und Protagonistinnen eine kleine Revolution angezettelt. Noch nie war so viel echtes lesbisches Leben in seiner ganzen Bandbreite im deutschen Fernsehen zu sehen: Tomboys, Femmes und Butches. Frauen, die Make-Up tragen oder eben nicht; die Fußball spielen oder eben nicht, die sich in sexy Kleider schmeißen oder noch schnell den Anzug aufbügeln. Etwas zurückhaltende Frauen oder solche, die wie die Bärin im Honigtopf durch die Sendung tapsen. Ja sogar Frauen, die aufrichtig über lesbischen Sex reden oder darüber, wie ihre Vulva aussieht. Wie Wiki: „Ich dachte immer, meine Vulva ist hässlich, weil die inneren Schamlippen die äußeren überragen. Es hat lange gedauert, bis ich mich da unten schön fand.“

Homosexuelle Jugendliche haben eine vier- bis siebenmal höhere Suizidrate als Heteros

Und von Folge zu Folge sagt, fast ganz nebenbei, eine der Frauen die klaren Worte: Ich – bin – lesbisch. Denn diese drei Worte gehen vielen auch im Jahr 2021 noch immer nicht leicht über die Lippen. Homosexuelle Jugendliche sind signifikant anfälliger für Depressionen und haben eine vier- bis siebenmal höhere Suizidrate als Hetero-Jugendliche. Die wichtigste Botschaft aller Charming-Kandidatinnen: Du kannst sein, wie du willst; und du bist gut so, wie du bist.

Die 20 Mädels von Princess Charming wissen, wovon sie reden. Fast alle der Kandidatinnen hatten als Kinder und Jugendliche keine lesbischen Vorbilder, fanden die Liebe von Frau zu Frau „unnatürlich“ und haben sich gefragt, ob Lesben überhaupt „echte Frauen“ sind. Auch das Outing vor den Eltern war für viele nicht einfach. Zum Beispiel für die 27-jährige Miri, die sich fünf Jahre lang fragte, was mit ihr nicht stimmen könnte. Oder die 29-jährige Kati, eine gebürtige Russin, deren Eltern noch immer glauben, „dass das halt so ’ne Phase sei“.

Und gerade, weil die Kandidatinnen diese Erfahrungen gemeinsam haben, fällt das typische Rumbitchen, das in Dating-Shows das Salz in der Suppe sein soll, größtenteils aus. Die Mädels feiern zusammen, sie knutschen, lachen, tanzen und bleiben sich selber treu.

Wer die Vorgängerformate „Bachelor“ und „Bachelorette“ kennt, weiß, dass es darin nicht um die große Liebe geht, sondern darum, einem breiten Publikum bekannt zu werden und einige Hunderttausend Instagram-Follower zu sammeln. „Princess Charming“ ist anders. Miri: „Wir sind alle reingegangen, weil wir wissen, dass wir etwas repräsentieren.“ Und Tabi: „Wir wollen zeigen, dass es lesbische Liebe nicht nur in Pornos gibt!“

Tabi: Wir wollen zeigen, dass es lesbische Liebe nicht nur in Pornos gibt!

Das zeigte Mitte des Jahres auch die ZDFneo-Serie „Loving her“, die erstmals in einem fiktionalen Stoff lesbisches Leben in all seiner Vielfalt darstellte (noch zu sehen in der ZDF-Mediathek).

Letzten Endes geht es diesen jungen Frauen um nichts Geringeres als um lesbischen Stolz. Denn der rennt dem schwulen Stolz noch ganz schön hinterher. Und darum verdient auch die „Princess“ der Serie, Irina Schlauch, ihre Krone. Die 30-jährige Anwältin für Immobilienrecht aus Köln sieht nicht nur verdammt gut aus, sie bringt auch Haltung in die Sendung: „Ich fand es angebracht, dass es nun ein Format nur für Frauen gibt, nachdem bereits die Männer dran waren. Wir brauchen Vorbilder!“

Lesbische Frauen müssen noch immer um Sichtbarkeit kämpfen. „Für ein bisexuelles Format wäre ich nicht angetreten“, sagt Irina. Die Sendung war zunächst anders gedacht, eine „Bi-Lady“ sollte sich am Ende für eine Frau oder einen Mann entscheiden. Darauf hatten die Frauenfreundinnen aber so gar keine Lust.

Die Sendung war gut bedient, auf die Kandidatinnen zu hören. „Princess Charming“ wurde am 16. September in der Kategorie „beste Unterhaltung Reality“ mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet (sämtliche Folgen waren Mitte des Jahres bereits im Pay-TV zu sehen). Princess Irina Schlauch stolz in ihrer Rede zur Preisverleihung: „Wir haben Haltung gezeigt. Irgendwann ist es dann vielleicht auch nicht mehr der Rede wert, wen wir lieben!“

TV: Princess Charming, immer freitags, 22.15 Uhr auf Vox

Artikel teilen

Anzeige

 
Zur Startseite