Stoppt die Sexpuppen!
Es war die Nachricht in allen Medien: In Toronto wird ein Sexpuppen-Bordell eröffnet. Doch auch als die Stadt dem Betreiber „Aura Dolls“ den ursprünglichen Standort per Verordnung untersagte, war das nur ein vorläufiger Rückschlag für das Unternehmen. Das Bordell wird kommen, denn Silikon-Sexpuppen sind der neuste Schrei auf dem Markt, der es Männer ermöglicht, ihre von Pornos befeuerten Phantasien in die Tat umzusetzen.
So bewirbt „Aura Dolls“ seine Produkte wie folgt: „Jedes Loch hat eine andere, ja einzigartige Textur, Oberfläche und Enge, sodass es dir so intensive Gefühle beschert, wie es nicht einmal eine echte Penetration vermag.“ Entzückend, oder? Und ein weiterer Schritt der Entmenschlichung von Frauen. Dabei gehen Männer sowieso schon davon aus, dass Frauen jede Männerfantasie und jeden ihrer Wünsche erfüllen sollen. Zweifellos werden die Sexpuppen schon bald auch darauf programmiert sein, „Ja, mein Herr!“ zu sagen, Kaffee zu kochen und den Boden zu wischen.
Um eins klarzustellen: Sexpuppen sind alles andere als harmlos. Sie sind die ultimative Abwertung von Frauen. Sie zeigen einmal mehr, wie sich die Gesellschaft Schritt für Schritt aus ihrer Verantwortung stiehlt, Frauen wertzuschätzen, zu respektieren und zu beschützen. Sexpuppen sind die Manifestation der Porno-Kultur und des Glaubens daran, dass in dieser männlich dominierten Gesellschaft alles dafür getan werden muss, Männern zu ermöglichen, immer und überall Sex haben zu können – um jeden Preis.
Die ultimative Abwertung von Frauen
Eine Sexpuppe ist nicht bloß eine Gummipuppe, die unter dem Mann liegt. Nein. Die Sexpuppe ist jede Frau, die ihn zurückgewiesen hat; jede Frau, die er nicht haben kann; jede Frau, die erfolgreicher war als er; die mehr gelobt wurde als er; die begehrter war, als er es sich jemals hätte träumen lassen... Und nun kann er endlich alles mit ihr machen, was er will. Es ist nicht die Puppe, die er vergewaltigt, würgt, schlägt – es sind all die Frauen, mit denen er nicht mithalten konnte.
Vielleicht wird es eines Tages eine echte Frau sein.
Es gibt kein „Recht auf Sex“ für Männer. Feministinnen kämpfen seit Jahrhunderten dafür, Frauen davon zu befreien, Sexobjekt zu sein. Es ist ein steiniger Weg. Spärlich bekleidete Frauen und kleine Mädchen in BHs und durchsichtigen Strümpfen werden dazu benutzt, Werbeanzeigen „aufzusexen“. Sie müssen für nahezu jedes Produkt herhalten: für Autos, Bier, Zigaretten, Kleidung, Schuhe und Unterwäsche. Und je mehr die Frau als Objekt dargestellt wird, desto besser ist die Werbung und desto höher sind die Einnahmen.
Durch die Porno-Kultur hat das Wort „einvernehmlich“ jede Bedeutung verloren. In Pornos sagen Frauen „Nein“, während ihnen Tränen die Wangen herunterfließen. Ihr Schmerz und ihre Angst sind real. Die Botschaft aber, die Männern damit übermittelt wird, lautet: „Mach es ihr härter! Mach es ihr länger! Lass sie noch mehr leiden!“
"Lasst sie noch mehr leiden!"
Kinder stecken in Schulpausen ihre Köpfe zusammen, um sich auf dem Smartphone frauenerniedrigende Pornos anzusehen – es genügt, dass ein Kind dabei ist, das die Erlaubnis hat, sein Handy mitzubringen. Und so wird Kindern einerseits in Schulen beigebracht, wie wichtig Zustimmung und Zugewandtheit beim Sex ist. Andererseits bekommen sie gleichzeitig von der Pornoindustrie die entgegengesetzte Nachricht vermittelt: Sie lernen, dass Frauen nichts weiter als Wegwerfartikel sind.
Die Porno-Kultur lehrt Mädchen, dass ihr Wert davon abhängt, ob sie Männern und Jungen gefallen. Und um ihnen zu gefallen, müssen sie sich in ein Objekt männlichen Vergnügens verwandeln. Jungen lernen von der Pornografie, dass sie ein Recht darauf haben, Mädchen und Frauen zu benutzen und zu missbrauchen. Und einige Jungen und Männer sind dermaßen davon überzeugt, dass sie auf das „Nein“ einer Frau aggressiv und voller Hass reagieren.
Mädchen und junge Frauen werden heutzutage stärker zum Objekt gemacht als in irgendeiner anderen Epoche in der Geschichte der Menschheit: Die Spielzeuge, mit denen sie spielen; die Kleidung, die sie tragen; die Filme und Fernsehserien, die sie schauen, sowie die Online- und Videospiele, die sie nutzen – alle stellen Mädchen und Frauen als Sexobjekte, verfügbar für Männer, dar.
Frauen: verfügbare Sexobjekte für Männer
Sexpuppen-Bordelle sind somit bloß ein Symptom des sehr viel größeren Problems der Abwertung von Frauen und Feindlichkeit ihnen gegenüber. Die Rechte der Männer wiegen weiterhin schwerer als die der Frauen. So lange aber Frauen diese Menschenrechte nicht zugestanden werden, so lange werden Frauen nicht mehr sein als austauschbare Objekte.
Und was könnte austauschbarer sein als eine Silikonpuppe? Nachdem sie von dem einen Mann benutzt wurde, wird sie gesäubert und dem nächsten Benutzer gereicht. Wenn sie kaputt ist, verschlissen, abgenutzt und nicht länger brauchbar, wird sie mit dem restlichen Müll entsorgt. Hört sich an, wie das Leben zahlreicher realer Frauen, oder?
Wie war das nochmal: Silikon-Sexpuppen sind nur eine harmlose Männerfantasie? Wir sollten nicht überrascht sein, dass so etwas im Jahr 2018 existiert. Was wirklich überraschend ist – und was uns empören sollte! – ist die Tatsache, wie viele Menschen zugelassen haben, dass wir an diesem Punkt angekommen sind.
Megan Walker
Megan Walker ist Direktorin des kanadischen London Abused Women’s Centre (LAWC).
Die Campaign Against Sex Robots hat eine Petition gegen Sexroboter gestartet: