Studentin gegen Donaulied

Im Bierzelt fallen alle Hemmungen. Foto: dpa
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"Oans, zwoa, gsuffa“: Schee ist‘s auf den Wiesn, auf der Dult, auf dem Bierzelt. Da wird geschunkelt, die Maß geleert und auch mal eine Vergewaltigung besungen: „Ich machte mich über die Schlafende her, Ohohoholalala, Sie hörte das Rauschen der Donau nicht mehr, Ohohoholalala“ (…) „Mein Mädchen, mein Mädchen, was regst du dich auf, Ohohoholalala, Für mich war es schön und für dich sicher auch, Ohohoholalala“ – heißt es im Donaulied, einem uralten niederbayrischen Volkslied von 1900.  Joa mei, des is halt a Volkslijed, was regt’s ihr euch so auf?

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Corinna Schütz regt sich auf. Schon seit zwei Jahren. Die 22-jährige Passauer Studentin will per Online-Petition erreichen, dass das Donaulied nicht mehr in Kneipen und auf Festzelten, am besten nirgendwo mehr, gesungen wird. Dazu hat sie die „Aktion gegen Bierzelt-Seximus“ auf Openpetition.de ins Leben gerufen. Die Forderungen: Kein Donaulied mehr in Passauer Bierzelten und Kneipen! Das Nachdenken über jegliche Formen von Bierzeltsexismus anregen! Passau zu einer sexismusfreien, lebenswerteren Stadt für PassauerInnen machen!

Das Donaulied mag über 100 Jahre alt sein, seine "Story", ein schlafendes Mädchen zu vergewaltigen, ist hochaktuell. Immer mehr Vergewaltigungen passieren, nachdem der Täter heimlich K.O.-Tropfen ins Glas gerührt hat. (EMMA berichtete)

Das Lied verherrlicht sexuelle Gewaltfantasien gegen Frauen!

Über 25.000 Menschen haben bereits unterschrieben. Schon 790 Unterschriften hätten gemessen an der Einwohnerzahl für ein Quorum, also eine Beschlussfähigkeit, gereicht, um die Stadt Passau zum Verhandeln zu bringen. Noch hat Bürgermeister Jürgen Dupper (SPD) nicht reagiert.

Schütz will nun auch eine Bürgerinitiative gründen. „Das Lied vermittelt ein Weltbild, das sexuelle Gewaltfantasien gegen Frauen normalisiert und verherrlicht. Es ist sexuelle Gewalt“, sagt sie. Ihre KommilitonInnen kämen aus aller Welt. „Und wir müssen uns dann rechtfertigen, warum wir so etwas noch singen.“ Als kürzlich die TV-Moderatoren „Joko und Klaas“ Sendezeit hergaben und Frauen in der virtuellen Ausstellung „Männerwelten“ sexuelle Belästigung anprangerten, sei ihr die Idee mit der Petition gekommen. „Ich bin nicht gegen Traditionen und gehe gern zur Dult (Jahrmarkt), aber dann stehen wir auf der Bierbank und müssen uns das anhören.“

Auch in den sozialen Medien muss sich Corinna so einiges anhören: „Anscheinend is des Corona schon bei manchen ins Hirn, falls die eins haben, vorgedrungen und hat Schäden hinterlassen“, heißt es da. Oder: „Der wünsch I, dass sie später Kaugummi verkaufen muass an der Tankstelle. Vielleicht soi de aber erstmoi mit ihren intellektuellen Freunden a Demo gegen die niederbayerische Kultur organisieren.“ Auch Morddrohungen und Vergewaltigungsfantasien sind dabei.  

Was genau zur niederbayerischen Kultur gehört, darüber streiten sich die niederbayerischen PolitikerInnen. CSU-Landrat Hans Koller hatte auf Facebook eine spöttische Aussage gegen die Aktion als „sehr gut“ bewertet. Daraufhin fragte ihn der Grünen-Landtagsabgeordnete Toni Schuberl in einem offenen Brief: „Darf ich das so werten, dass Du die Verherrlichung und das Besingen einer Vergewaltigung gutheißt?“ Koller lenkte ein, bezeichnete das Lied als „ein uraltes, primitives Sauflied“. Und obwohl nun auch eine Gegenpetition FÜR das Donaulied gestartet wurde, sind die Gegenstimmen sehr viel stärker. MeToo hat sich auch in Niederbayern niedergeschlagen. Sexistischer Mist geht nicht mehr durch, nur weil er alt ist. 

Solche Lieder haben nichts mit Humor, Harmlosigkeit oder Traditionspflege zu tun!

„Lieder dieser Machart leben von der Grenzüberschreitung“, sagt Michael Fischer, Direktor des Zentrums für Populäre Kultur und Musik an der Universität Freiburg. Doch: „Der Text des Donauliedes ist aus heutiger Sicht unerträglich. Das Singen solcher Lieder hat nichts mit Humor, Harmlosigkeit oder Traditionspflege zu tun.“

Und harmlos ist es auf und hinter den Bierzelten für Frauen selten. Die Aktion „Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen“ hat in den vergangenen Jahren einen Anstieg um 75 Prozent der Gewaltfälle im Vergleich zu vor zehn Jahren festgestellt. Die meisten sexuellen Belästigungen und Vergewaltigungen kämen laut Polizei nicht einmal zur Anzeige, weil das „auf den Wiesn schon fast dazu gehöre“. Jede auf der Wiesn befragte Münchnerin gab an, schon einmal sexuell belästigt worden zu sein.

"Für mich war es schön und für dich sicher auch, Ohohoholalala" - Nein, war es nicht und wird es nie sein. Und jetzt schleich di! 

 

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K.O.-Tropfen: Die Gefahr aus dem Nichts

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Pass auf, dass dir niemand was ins Glas tut! Jede jüngere Frau kennt diesen Satz – spätestens seit ihrem ersten Disko-Besuch. Frauennotrufe, Medien, Diskothekenbesitzer – sie alle warnen in regelmäßigen Abständen vor K.O.-Tropfen. Dabei sind sich Experten längst einig: Die „fiesen Tropfen im Glas“ kommen nicht nur von dem Phantom in der Disko. „Von diesem Bild müssen wir uns unbedingt lösen,“ sagt Ralf Wischnewski von der Drogenhilfe Köln. Die Realität ist, dass K.O.-Tropfen auch privat ins Glas getan werden. „In 90 Prozent der Fälle sind die Täter gute Bekannte, Nachbarn oder Kollegen“, bestätigt auch Rechtsanwältin Sylvia Bagusch, eine der Rechtsberaterinnen vom Frauennotruf in Köln.

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Der Einsatz von „date rape drugs“, Vergewaltigungsdrogen, nimmt international stark zu, warnte im vergangenen Jahr sogar die UNO in ihrem Drogenreport. Denn die Täter setzen mittlerweile eine Vielzahl von Stoffen ein, einige davon unterliegen keiner internationalen oder nationalen Kontrolle – wie dem Betäubungsmittelgesetz zum Beispiel.

Die bekanntesten Substanzen aus dem Spektrum der K.O.-Tropfen sind die Substanzen Gamma-Hydroxybutyrat (GHB) und Gamma-Butyrolacton (GBL), die auch als Partydrogen konsumiert werden und unter dem Namen „Liquid Ecstasy“ bekannt sind.
GHB unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz und GBL wird als Lösungsmittel vertrieben. Beides sind geruchs-, farb- und geschmacklose Flüssigkeiten, die in kleinen Mengen enthemmend wirken, in großen Mengen betäubend und als Überdosis tödlich sein können. Aber auch Medikamente wie Psychopharmaka und Schlafmittel werden als K.O.-Mittel eingesetzt.

Über das Ausmaß der Vorfälle wissen Experten so viel, wie die Opfer über das, was sie erlebt haben: so gut wie nichts. Es gibt, klagt der Bundesverband der Frauennotrufe, weder eine Statistik noch aktuelle Fallzahlen auf Bundesebene, geschweige denn eine Dunkelzifferstudie. „Anhand der Betroffenen, die sich bundesweit melden, können wir trotzdem mit Sicherheit sagen, dass die Anzahl der Übergriffe stark zugenommen hat“, sagt Burkhard Madea von der Gerichtsmedizin Bonn. Und nicht nur das: K.O.-Tropfen sind zwar keine Neuheit, neu ist aber ihr Haupteinsatzgebiet: „Früher begingen die Täter mit K.O.- Tropfen Raubüberfälle. Heute werden sie vor allem bei sexueller Gewalt eingesetzt.“

Für diese Geschichte hat EMMA mit mehreren Frauen gesprochen, die glauben, dass sie unter K.O.-Tropfen vergewaltigt wurden. Geschäftsfrauen und Partygirls, die einfach noch einen letzten Drink nehmen wollten. Und am nächsten Morgen unbekleidet an einem unbekannten Ort aufwachten. Ohne zu wissen, was in der Nacht zuvor passiert ist, aber mit dem sicheren Gefühl, Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Oder die sich womöglich sogar an die Vergewaltigung erinnerten – allerdings so betäubt waren, dass sie sich nicht wehren konnten. Die meisten dieser Frauen wollten ihre Geschichte am Ende nicht gedruckt sehen, weil sie sich zu sehr schämen; weil sie Angst haben, dass ihnen niemand glaubt. Übrig geblieben sind zwei Fälle: Eine Studentin und eine Schülerin.

Hamburg: Julia (Name geändert) sitzt in ihrer Wohnung auf dem Sofa und ihre Hände graben sich ins Polster. Es ist etwas Schreckliches passiert, ist sie sich sicher. Aber sie weiß nicht, was. „Das ist das Schlimmste an allem!“ Soweit reicht Julias Erinnerung: Das Semester geht zu Ende und sie geht mit ihrer Freundin noch einen trinken. Die Bar hat einen schlechten Ruf. Ein Abschleppschuppen, heißt es. Egal. Ein oder zwei Bier, ein bisschen tanzen. In der Bar treffen die beiden Bekannte, die sie über die Arbeit kennen, die Stimmung ist ausgelassen. Plötzlich stehen zwei Schnäpse da. Die Mädchen prosten sich zu.

Julia schlägt die Augen auf. Es ist Mittag. Sie liegt in ihrem Bett und kann sich nicht bewegen. Ihr Kopf fühlt sich an, als wolle er platzen. Was war geschehen? Die Erinnerungen an den Rest des Abends tauchen nur bruchstückhaft vor ihrem inneren Augen auf: Julia und ihre Freundin, wie sie sich auf der Straße anbrüllen. Julia wie sie auf dem Boden sitzt und weint. Die Freundin, die schreit: „Ich habe kein Bock mehr. Selbst wenn ich von der Brücke springe, wen würde es interessieren?“ Julia, die auf sie einredet, dass es ziemlich viele gibt, die das sehr interessieren würde. Die Haustür. Lange nichts. Dann der Traum von einem Knall. „Heute Nacht hat es irgendwann total laut geknallt!“, sagt der Mitbewohner, als Julia am Frühstückstisch sitzt. Ihre Kopfschmerzen sind unerträglich, die ganze rechte Körperhälfte ist blau bis zu den Fußspitzen.
Wo ihre Freundin ist, weiß sie nicht. „Ich glaube, ich bin die Treppe runtergefallen.“ – „Wie bist du überhaupt nach Hause gekommen?“ – „Keine Ahnung!“  Julia geht zum Arzt. Verdacht auf Schädeldeckenriss, aber Julia hat „nur“ Prellungen und mehrere gebrochene Zehen. „Ich dachte: So was passiert in Filmen, aber doch nicht mir!“ sagt die Studentin heute.

Julia versucht den Abend zu rekonstruieren. Es gelingt ihr nicht. Sie ruft bei der Drogenberatung an. Dort erfährt sie, dass K.O.-Tropfen maximal 12 Stunden im Blut nachgewiesen werden können. Zu spät. Sie durchforstet die Foto-Datenbank der Bar, ohne Anhaltspunkte zu finden. Ihre wieder aufgetauchte Freundin erinnert sich an noch weniger. Ein Jahr dauert die Physiotherapie, bis sie sich wieder normal bewegen kann. Monatelang geht Julia nicht aus. Sie weiß bis heute nicht genau, wer ihr die Tropfen ins Glas getan hat – und was er vor hatte. Am meisten quält sie die Vermutung, dass es einer der Bekannten gewesen sein könnte. Sie weiß auch nicht, was passiert wäre, wenn sie nicht zu zweit, sondern alleine an der Bar gestanden hätte. Und: Was ist in den Stunden passiert, an die sie sich nicht erinnern kann?

Bergisch Gladbach: Im vergangenen Jahr hat die Anwältin Sylvia Bagusch eine Abiturientin begleitet, die einen jungen Mann wegen Vergewaltigung nach der Verabreichung von K.O.-Tropfen angezeigt hatte. Er wollte schon länger etwas von ihr, aber sie nicht von ihm. Er lud sie zum Essen ein, servierte Wein. „Mach ja keine Dummheiten“, will das Mädchen noch gesagt haben. Plötzlich, so schildert es die Anwältin, wird die Schülerin müde. Sie schläft bekleidet auf der Couch ein. An alles, was danach geschieht, kann sie sich nicht erinnern. Nur daran, dass sie am nächsten morgen nackt und mit blauen Flecken übersät neben dem Mann aufwacht. Sie schließt sich im Klo ein, hat Angst, ruft eine Freundin an. Dann hat sie wieder ein Blackout und wacht erst Stunden später zu Hause auf. Das Mädchen duscht, sie ist verwirrt, kann sich an nichts erinnern. Aber die emotionale Gewissheit ist da: Er hat sie vergewaltigt!

Wenige Tage später erstattet die Schülerin Anzeige. Die Polizei kommt sofort zu ihr nach Hause und nimmt die Kleidung mit, die sie an dem Abend getragen und noch nicht gewaschen hat. Die Ermittler finden DNA-Spuren des Mannes, die „Rückschlüsse auf Geschlechtsverkehr zugelassen haben“, sagt Bagusch. Kurz nach der Vernehmung hatte die junge Frau einen Nervenzusammenbruch, der einen längeren Klinikaufenthalt zur Folge hatte.

Die Schülerin kann auf Grund ihres Blackouts keine genauen Angaben zum Tathergang machen. Die Verteidigung setzt auf „einvernehmlichen Sex“. Der Mann wird freigesprochen. „Wie wollen sie in diesem Fall das Gegenteil beweisen?“ klagt die Anwältin rückblickend. „Seitdem würde ich jeder raten, nur dann anzuzeigen, wenn es genügend Beweise gibt und die Betroffene psychisch stabil ist und andernfalls das zermürbende Verfahren meiden“, sagt die Anwältin.

Inzwischen ist der Täter zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er hatte einige Monate später eine Frau vergewaltigt, die die Tat nachweisen konnte. Dass er sie mit K.O.-Tropfen betäubt hatte, konnte jedoch auch in diesem Fall nicht bewiesen werden. Allerdings: Diese Frau konnte sich an Einzelheiten erinnern.

Die Beweislage bei Sexualverbrechen ist immer schwierig. Spielen K.O.-Tropfen eine Rolle, ist sie katastrophal. Um die Substanzen nachzuweisen, müssen Opfer innerhalb weniger Stunden ihr Blut analysieren lassen. Gehen sie zur Polizei, bedeutet das: Es wird sofort Anzeige erstattet. Denn Vergewaltigung ist ein sogenanntes Offizialdelikt, das vom Staat als Verbrechen verfolgt bzw. verfolgt werden muss – die Anzeige liegt nicht in den Händen der Opfer. Alternativ bieten Gerichtsmedizinische Institute Opfern von sexueller Gewalt auch in Deutschland eine anonyme Spurensicherung an, um Beweismittel zu sichern und die Entscheidung für oder gegen eine Anzeige aufzuschieben.

Die Grunduntersuchung, unter anderem Sperma-Spuren, ist zum Beispiel bei der Gerichtsmedizin Bonn kostenlos. Die toxikologische Untersuchung auf K.O.-Mittel von Blut und Urin nicht. „Auf Wunsch können die Frauen die Untersuchung selbst bezahlen“, sagt Rechtsmediziner Burkhard Madea. Kosten: 200 bis 300 Euro.

In Nürnberg ging im Dezember 2010 ein Prozess zu Ende, der zeigt, wie leicht man an die Vergewaltigungsdrogen kommen kann. Der Liquid-Ecstasy-Stoff Gamma-Butyrolacton ist im Grunde in jedem Felgenreiniger enthalten und wird von Chemikaliengroßhandeln in Massen verkauft. In Nürnberg hatte ein 32-Jähriger zwei Jahre mehr als sieben Tonnen GBL gekauft und über das Internet an Kunden in ganz Deutschland vertrieben. Der Mann wurde zu neun Jahren und drei Monaten Haft verurteilt, wegen „vorsätzlichem unerlaubten Inverkehrbringen von bedenklichen Arzneimitteln“.

„Die leichte Verfügbarkeit senkt die Hemmschwelle, die Substanzen einzusetzen“, sagt Ralf Wischnewski von der Drogenhilfe Köln. Er hat als Streetworker mit Männern in Nachtclubs geredet, die zwar keine Vergewaltigung planten – aber doch sehr zufrieden darüber waren, dass sie selbst und auch die Frauen auf Liquid Ecstasy „einfach ein bisschen lockerer sind“.

Kein Wunder, dass die Frauennotrufe und Frauenberatungsstellen alarmiert sind. „Die Aufklärungsarbeit über K.O.-Tropfen verläuft schleppend“, erklärt Monika Bulin vom Frauennotruf Aachen. Sie hat gemeinsam mit ihren Kolleginnen eine Modellkampagne über K.O.-Tropfen initiiert, die inzwischen von mehreren Städten übernommen wurde.

Mittlerweile gibt es in den meisten Bundesländern Kampagnen, bei denen Frauenberatungsstellen mit der Drogenberatung und der Polizei zusammenarbeiten und konkrete Vorschläge für den Umgang mit Vergewaltigungsdrogen machen. Zum Beispiel Stoffe wie GBL und GHB, durch einen bitteren Geschmack oder eine schrille Farbe zu enttarnen. Forscher von der Universität Tel Aviv entwickeln derzeit einen Schnelltest, mit dem sich die Tropfen im Glas aufspüren lassen: ein Sensor an der Spitze eines Umrührstäbchens, der chemisch auf K.O.-Mittel reagiert – und zur Warnung beispielsweise ein Lichtsignal aussendet.

In den wenigen Fällen, die in Deutschland an die Öffentlichkeit gelangten und die letztlich zu einer Verurteilung führten, waren immer weitere Beweismittel im Spiel: Im Fall „Liserl“ aus München zum Beispiel flößten drei Männer (ein BWL-Student, ein Hilfsarbeiter und ein Angestellter, alle Ende Zwanzig) einer Frau nach dem Oktoberfest K.O.-Tropfen ein. Zwei der Männer vergewaltigen die Frau, der dritte machte Fotos – die waren dann der Beweis für die Tat. Beide Vergewaltiger sitzen für je acht Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Der „Fotograf“ bekam drei Jahre. Doch „die wenigsten K.O.-Tropfen-Opfer erstatten überhaupt Anzeige“, weiß Irmgard Kopetzky vom Frauennotruf Köln.

Dass sich um die Tropfen so viele Gerüchte ranken, macht es den Opfern nicht einfacher. K.O.-Tropfen? Ein Mythos? Diese Einschätzung steckt nach wie vor oft in den Köpfen. Vor zwei Jahren zitierte (k)The Telegraph eine Studie, die behauptet, die Panik vor „date raping“ sei eine Erfindung von Frauen, die nicht wahrhaben wollen, dass sie zu viel getrunken haben. Ein Vorwurf, der der Tatsache geschuldet ist, dass die Vorfälle oft abends auf Festen stattfinden, wo Alkohol im Spiel ist und Liquid Ecstasy nicht nur zur Betäubung heimlich, sondern auch zur Berauschung freiwillig eingeschmissen wird, so dass die Situation für Außenstehende oft gar nicht bedrohlich aussieht. Ein Mann, der einer scheinbar Sturzbetrunkenen den Arm reicht, um sie nach Hause zu bringen? Der ist doch hilfsbereit!

Auch die Bezeichnung K.O.-Tropfen (nach dem englischen Knock-Out: außer Gefecht setzen) kann irreführend sein. Denn in den seltensten Fällen sind die Opfer sofort ausgeschaltet. Eher verfallen sie erst in einen Dämmerzustand, ihr Reaktionsvermögen nimmt ab, sie verlieren die Kontrolle über ihren Körper, den Frauen wird übel und schwindelig. Die Bewusstlosigkeit setzt, je nach Substanz, erst nach einer Stunde oder später ein. Ein schleichender Prozess, der die Betroffene schrittweise handlungs- und erinnerungsunfähig macht.

„Für die, die sich nicht erinnern, ist es schwerer, das Geschehene zu verarbeiten“, sagt die Traumafachberaterin Andrea Pantel von der Ambulanz für Gewaltopfer in Düsseldorf. Aber auch wenn sich die Opfer nicht bewusst erinnern – ihr Körper erinnert sich. Frauen klagen über plötzlichen Ekel, Übelkeit oder Panik, der durch Reize ausgelöst wird, die mit der Tat zu tun haben. „Das kann im Grunde alles sein“, sagt Pantel. „Der Anblick von Tabletten oder Alkohol, ein bestimmtes Lied, ein Geruch, ein Ort“. Was der Kopf nicht weiß, weiß der Körper. Und vergisst es nicht. Auch nicht der von der Studentin aus Hamburg und der Schülerin aus Bergisch Gladbach.

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