Südafrika: Helen Zille - die Gerechte

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Auf der staubigen Straße in dem Township bei Kapstadt drängen sich Menschen um ein Wohnhaus. Ein Mann ist erschossen worden. Ministerpräsidentin Helen Zille ist da, sie tröstet die weinenden Angehörigen, lässt sich von den Augenzeugen die Tat schildern, spendet Beistand.

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Helen Zille kennt die Probleme in den Townships. Jahrelang lag ihr Wahlkreis in einer der ärmsten und gefährlichsten Siedlungen bei Kapstadt. Eine Gegend, in die viele weiße Südafrikaner noch nie einen Fuß gesetzt haben.

Heute regiert Zille das Westkap. Sie ist die mächtigste weiße Frau in der südafrikanischen Provinz. Für ihre Anhänger ist die Ministerpräsidentin und Vorsitzende der Partei „Demokratische Allianz“ gleichzeitig die Hoffnungsträgerin für ein Südafrika ohne Rassismus und Korruption.

Die Tochter deutscher Emigranten ist auch die schärfste Kritikerin des Präsidenten Jacob Zuma und seiner Partei „Afrikanischer Nationalkongress“ (ANC). Mit ihrem Wahlslogan „Stoppt Zuma!“ wurde sie 2009 mit beeindruckender Mehrheit zur Ministerpräsidentin der Provinz Westkap gewählt, die einzige Region, in der der Afrikanische Nationalkongress die Mehrheit verloren hatte.

Als sie vor vier Jahren Bürgermeisterin von Kapstadt wurde, glaubten viele, dass sich die resolute Dame mit dem blonden Pagenschnitt nicht lange halten würde. Kein Tag ohne neue Schlagzeilen: „Mob stoppt Zille in Township“ oder „Zilles Amtszeit wird kurz sein, warnen Gegner“. Und als sie die kostspielige Baumaßnahme des neuen Fußballstadions in Kapstadt stoppte, bis die Finanzierung sicher war, hieß es „Zille legt WM-Planung auf Eis“. Das „GodZille Monster“ nannte der damalige ANC-Landeschef James Ngculu die kultivierte 59-Jährige.

Denn Helen Zille ist nicht nur für ihre Zivilcourage, sondern auch für ihren zupackenden Politikstil bekannt: Eine ihrer ersten Amtshandlungen als Bürgermeisterin bestand darin, der Provinzverwaltung den Strom so lange abzuschalten, bis die ausstehenden Rechnungen in Millionenhöhe beglichen waren.

Innerhalb von drei Jahren senkte die Resolute die Kriminalitätsrate der Millionenmetropole um 90 Prozent. Sie entschlackte den von Vetternwirtschaft durchwebten Beamtenapparat der Stadt und als sie bei einer Demonstration gegen Drogen- und Alkoholmissbrauch mitmarschierte, wurde die Bürgermeisterin sogar kurzfristig festgenommen. Die Deutschstämmige spricht neben Englisch, Deutsch und Afrikaans auch Xhosa, die regionale Bantu-Sprache.

Für ihren Einsatz zeichnete sie das internationale Netzwerk „City Mayors“ 2008 zur weltbesten Bürgermeisterin aus. „Ein südafrikanisches Vorbild vergleichbar mit Nelson Mandela und Desmond Tutu“, lautete die Begründung der Jury. Helen Zille sei eine Frau, die sich ihr ganzes Leben lang mit Mut, Kraft und Liebe für ihre Landsleute eingesetzt habe.

„Gebt mir eine schwere Aufgabe und ich bin glücklich“, sagt sie in dem arte-Film „Helen Zille – Demokratin aus Leidenschaft“ der Kölner Filmemacherin Birgit Schulz. In vier Jahren endet Zumas Regierungszeit, Zilles Anhänger handeln die zielstrebige Politikerin schon jetzt als Anwärterin auf seinen Posten.

Zilles Tag beginnt um fünf Uhr morgens, er endet selten vor Mitternacht. In ihrem Dienstwagen hetzt sie von Termin zu Termin. Im Auto telefoniert sie, liest Akten, führt Verhandlungen. Sie mag den Druck, die vielen Deadlines, das Gefühl, immer etwas zu tun zu haben. Helen Zille, deren Eltern aus Nazi-Deutschland fliehen mussten, nennt das ihren „preußischen Arbeitsethos“. Ihre Mitarbeiter nennen es Arbeitswut.

Schon früh kämpfte Zille gegen Rassismus und politische Willkür. Als Reporterin bei Rand Daily Mail deckte sie 1977 den Mord an dem schwarzen Menschenrechtsaktivisten Steve Biko auf, der im Kerker zu Tode gefoltert worden war – und nicht, wie die Behörden zunächst behaupteten, an den Folgen eines Hungerstreiks starb. Ihre journalistische Karriere gab sie zugunsten der Politik auf. Sie schloss sich der „Black Sash“ an, einer Anti-Apartheidsbewegung, versteckte Mitglieder des damals noch verbotenen ANC monatelang in ihrem eigenen Haus.

Heute lebt die Politikerin mit ihrem Mann Johann Maree, einem Soziologieprofessor, und ihren beiden Söhnen im „Leeuwenhof“, ein traditionsreiches Anwesen in Kapstadt. Zille selbst wuchs in einer widerständigen Familie auf. Sie ist die Großnichte des Berliner Milieumalers Heinrich Zille, der ihr politisches Bewusstsein genau so prägte wie ihre Eltern: Mutter Mila und der mittlerweile verstorbene Vater Wolfgang lernten sich in den vierziger Jahren in Südafrika kennen. Sie kam aus Essen, er aus Dessau.

Beide haben jüdische Wurzeln und flüchteten unabhängig voneinander vor dem Naziregime – ausgerechnet in das Land, in dem Rassentrennung gerade zum Gesetz erklärt wurde. Auch Mutter Mila war Mitglied in der Black-Sash-Bewegung – und wurde so schnell zur Außenseiterin in der weißen Oberschicht.

„Weder meine Mutter noch ich können Zynismus, einen Mangel an Integrität oder die Vorspielung falscher Tatsachen ertragen. Sobald wir etwas in diese Richtung bemerken, stellen wir uns öffentlich dagegen“, sagt Helen Zille nicht ohne Stolz. Heute ist Zille nicht mehr Teil der Opposition, sondern sie sitzt in der Regierung. Den Mächtigen ihres Landes, die jetzt nicht mehr weiß, sondern schwarz sind, bietet sie nach wie vor die Stirn.

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