Suli Puschban: feiert Mädchen
Wenn Suli Puschban mit ihrer Gitarre auf der Bühne steht, dauert es nicht länger als zehn Minuten, bis sich ihr Publikum in eine zappelnde, freudestrahlende Masse verwandelt. Ihre Lieder heißen „Ich hab‘ die Schnauze voll von Rosa“, „Meine Mamas sind genial“, oder „Rosa Parks bist du!“. Und die Musik, die Suli Puschban dazu macht, begeistert nicht nur Kinder, sie lässt feministische Mütter vor Dankbarkeit auf die Knie fallen. Denn Lieder, die Mädels zu Superheldinnen machen, ihre Abenteuerlust feiern und ihnen alternative Rollenbilder bieten, die gibt es selten. Wie die gesamte Musikszene ist auch die der Kindermusik größtenteils Männersache.
Und das stört Suli immens. „Für mich ist das Private immer politisch. Das, was ich mache, steht klar in der feministischen Tradition“, sagt die Musikerin, die es zudem höchstamüsant findet, wenn Kinder sie fragen, ob sie ein Junge oder Mädchen sei. Über ihr burschikoses Äußeres hat sie natürlich auch ein Lied gemacht: „Ich seh‘ aus wie Elvis“.
Über ihren Status als Rarität sagt sie: „Mir wäre es lieber, es würde viel mehr aufstampfende Künstlerinnen in der Kindermusik geben. Ich bin die Nische in der Nische.“ Und darin ist die gebürtige Österreicherin höchst erfolgreich. Vier Alben hat sie bereits herausgebracht, 2019 verlieh ihr die Gema als „Ausnahmeerscheinung als Liedermacherin für Kinder“ den Preis in der Kategorie „Kinderlied Text“.
Sie ist auch die Vorsitzende des Netzwerks Kindermusik.de, in dem etwa siebzig Acts vertreten sind. „In unserem Netzwerk sind Frauen ebenfalls in der Minderheit, die meisten Rockbands bestehen aus vier coolen Männern.“ Sulis Texte setzen fast immer auf Begegnung, das große Miteinander – ohne dabei kindertümelnd zu sein. „Diese aufgesetzte Coolness und die lapidaren Texte, die viele Bands so produzieren, finde ich schrecklich. Was soll Kindern das geben?“
Suli kommt von der Basis, ist studierte Pädagogin, arbeitet weiterhin als Musiklehrerin an einer Kreuzberger Grundschule und tritt am liebsten in Kindergärten und Schulen auf. Ihre Stärke bei den Auftritten: Sie will Kindern nicht gefallen, sie ist einfach sie selbst. Ihre burschikose Art kommt an, der Auftrittskalender ist voll.
„Ich bin wie ich bin“, sagt Suli (was von Ursula abgleitet ist). „Und ich hatte das Glück, das immer schon sein zu dürfen.“ Ihre Mutter war Ikebana-Lehrerin und Floristin, der Vater Ingenieur und begeisterter Klavierspieler. Und beide haben Tochter und Sohn nicht nach Geschlecht aufgeteilt. „Nur einen Rat hat mir meine Mutter, die ein großer Fan von Johanna Dohnal war, mitgegeben: Mach dich nie von einem Mann abhängig!“, erzählt Suli. Das war kein Problem, denn eigentlich waren schon immer ausschließlich Frauen Sulis Ding.
In Wien hat sie in einer Krisenhotline für vergewaltigte Frauen und Mädchen gearbeitet. 1994 zog sie wegen Lisa, ihrer damaligen Liebe, nach Berlin. In Brandenburg hat sie über 25 Jahre einen Frauenferienort mitaufgebaut. Und in ihrem heutigen Wohnhaus, das bis in die 1980er Jahre besetzt war, leben auch nur Frauen, verteilt auf 15 Wohnungen. Hier wohnt sie, zusammen mit ihrer Partnerin Erica, die aus Südafrika stammt, und mit Pudel Maxi.
Aktuell bereitet Suli Puschban sich mit ihrer Band, der „Kapelle der guten Hoffnung“ auf die Konzerte im Sommer vor. „Als Kind war Winnetou mein großer Held“, sagt sie. „Ich hatte sogar einen Starschnitt von Pierre Brice in meinem Kinderzimmer hängen. Eine weibliche Identifikationsfigur hatte ich nie. Wenn du ein Mädchen bist, wie ich es war, gibt es kaum Rollenvorbilder. Ich war immer auf der Suche nach einem.“
Auf diese Suche müssen Mädchen, die Suli Puschbans Musik hören, nicht mehr gehen.
ANNIKA ROSS
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