Lasst die Kurden nicht im Stich!
„Sie haben den Nobelpreis erhalten? Wofür hat man Ihnen den denn gegeben?“, fragte Donald Trump vor drei Monaten Nadia Murad in seiner bemerkenswerten Ignoranz. Murad rang für einen kurzen Moment um Fassung im Oval Office und schilderte dann mit brüchiger Stimme das Schicksal ihres Volkes, ihrer Familie, sprach von Mutter, Geschwistern. „Und wo sind die jetzt?“, fragte Trump. „Tot, ermordet, in Massengräbern“, antwortete Murad.
Nadia Murad war eine der Gefangenen des selbsternannten „Islamischen Staates“. Sie wurde, wie tausende, gefoltert und vergewaltigt – und überlebte nur wie durch ein Wunder. Zuflucht fand sie in Deutschland in einem Projekt des Landes Baden-Württemberg, das dutzenden Jesidinnen eine neue Heimat bot. (EMMA berichtete)
Im Schutz dieser neuen Heimat ist es entsetzlich für Murad, zu sehen, wie es den Zurückgebliebenen ergeht.
Nach den Jesidinnen jetzt also die Kurdinnen. Sie werden von Erdogans Soldaten und von den von ihm angeheuerten „Freien Männern des Ostens“ gejagt. Das sind fanatisierte islamistische Söldner, die nur eines wollen: alle Ungläubigen massakrieren.
Die Kurden im Stich zu lassen ist beschämend und gefährlich
Amerika zieht seine Truppen zurück – der Weg ist frei für den türkischen Präsidenten, endlich das zu tun, was er seit Jahren plant: in Syrien auf Raubzug zu gehen, um sich ein Stück des Landes einzuverleiben. Das scheint allerdings nicht ganz so zu klappen, wie Erdogan sich das vorgestellt hat. Nicht nur Kanzlerin Merkel und der ganze Westen verurteilen den Überfall auf Syrien, auch die arabischen Länder tun dies. Aus Erdogan, dem einstigen „Held der muslimischen Welt“, wird jetzt der Bösewicht der muslimischen Welt.
Auch Nadia Murad, die Friedensnobelpreisträgerin von 2018, möchte dazu beitragen, Erdogan zu stoppen. Sie appelliert:
„Ich verurteile die gegenwärtige türkische Invasion im Nordosten Syriens. Dieser Akt der Aggression wird ein Wiederaufleben des IS und anderen radikalen Gruppen und eine weitere Destabilisierung der Region zur Folge haben. Religiöse Minderheiten in Syrien und im Irak werden, wieder einmal, von radikalen Gruppen bedroht. Tausende Kurden haben ihr Leben im Kampf gegen den IS verloren. Die Kurden im Stich zu lassen, ist beschämend und gefährlich. Es starben bereits Zivilisten und, sobald die Kämpfe eskalieren, werden es die Frauen und Kinder sein, die am meisten leiden. Dies wird zu mehr Vertreibung und Leid von unschuldigen Menschen führen.
Wenn die Front gegen den IS zerstört ist, werden die Kämpfer, die Frauen und Kinder versklavt haben und den Genozid wollen, davonkommen, ohne vor Gericht zu stehen. Die internationale Gemeinschaft hat eine moralische Verantwortung, die Region zu stabilisieren. Trumps Entscheidung, die Türkei taktisch zu unterstützen, wird schwerwiegende Konsequenzen haben für die Leben von Zivilisten und die Region.
Es ist noch nicht zu spät für eine friedliche, politische Lösung, um die Sicherheit all jener in der Region zu bewahren. Wir fordern jeden auf, die Menschen zu unterstützen, die bereits aus ihrer Heimat in Nordost Syrien geflohen sind.“
"Worten müssen Taten folgen" Erdogan verstehe nur die Sprache von Macht und Geld. Europa habe beides, sei aber mutlos "und gefährdet damit die eigene Sicherheit". Ali Ertan Toprak, Repräsentant der Kurdischen Gemeinschaft in Deutschland, erklärt warum. https://t.co/1NSGzfDziM
— Ali Ertan Toprak (@toprak_aliE) October 14, 2019
In Deutschland appellierte Ali Ertan Toprak, der Repräsentant der Kurdischen Gemeinschaft, an Europa und die USA, Erdogan zu stoppen. „Erdogan bezeichnet die Kurden als Unmenschen, er will sie auslöschen“, klagte er in Interviews. Auch äußerte er sich zum so genannten „Pakt“ mit Assad: „Es ist kein paktieren! Der Westen hat die Kurden ausgeliefert. Sie haben keine andere Wahl. Sie stehen vor einem Genozid.“
Die USA und Europa hätten genug Möglichkeiten, Erdogan zu stoppen, aber sie müssten die Sprache sprechen, die Erdogan versteht: die von Macht und Geld. „Es müssen wirtschaftliche Sanktionen folgen“, sagt Toprak, „alles andere wäre eine Tragödie für die freie Welt!“