Tabu auf Katholikentag: Diakoninnen

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Der Papst hat es wieder getan: Er hat am 12. Mai laut über ein kirchliches Tabu-Thema nachgedacht. Und alle haben zugehört. Vor allem die Frauen. Anlässlich einer Audienz von 900 Oberinnen von Frauenorden aus aller Welt wagte eine von ihnen die Frage, ob man nicht zumindest in einer Kommission über das Amt des Diakonats für Frauen reden könnte. Die überraschende Antwort des Heiligen Vaters: Ja, man kann.

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Warum die Aufregung über eine solche „Nachdenk-Kommission“? Der Diakonat ist die erste von drei in der katholischen Kirche bekannten Weihestufen. Die beiden folgenden sind: Priester und Bischof. Seit Franziskus Vorvorgänger, Johannes Paul II., gab es ein Rede- und Denkverbot zum Thema Weiheamt für Frauen. (Ordinatio sacerdotalis 1995). Die wirkliche Gretchenfrage lautet also: Muss man nicht P wie Priesterin denken, wenn man D wie Diakonin denkt? Oder auch B wie Bischöfin?

Genau deshalb bemühen sich seit den jüngsten Überlegungen des Papstes verschiedenste Kirchenmänner um Einhegung der allzu freien Gedanken: Eine Untersuchung der historischen Faktenlage sei angedacht, so der Pressesprecher des Vatikans. Die braucht aber keine und keiner mehr, historische Arbeiten gibt es genug und ihr Befund ist eindeutig: Es gab in den ersten christlichen Jahrhunderten Diakoninnen.

Eine Zulassung von Frauen zum Diakonat würde zu „heftigen Konfrontationen“ führen, fürchtet Kardinal Walter Kasper. Man könnte ja auch Gemeindediakoninnen ohne Weihe andenken, so der deutsche Kardinal. Und außerdem wären Frauen selbst als Diakoninnen nur den bereits vorhandenen „ständigen Diakonen“ gleichgestellt, also verheirateten Männern, die aufgrund ihrer Ehe weder Priester noch Bischof werden können.

Diese jüngsten Wortmeldungen machen deutlich, mit wie vielen Ängsten und beinahe mythischen Vorstellungen das Weiheamt in der katholischen Kirche noch aufgeladen ist. Religionswissenschaftlich darf man hier ruhig an archaische Tabus rund um weibliche Unreinheit und deren Ausschluss vom Heiligen denken – was zwar in unseren Breiten keiner mehr sagt, aber sehr wohl auf anderen Kontinenten, wie die Spaltungen innerhalb der anglikanischen Kirche anlässlich der Zulassung von Frauen zum Priester- und Bischofsamt zeigen.

Zumindest im westlichen Europa ist der Dienst als Diakon aber schon jetzt eine herzlich wenig mythische Angelegenheit: Ständige Diakone übernehmen viele pastorale Aufgaben, für die es schlichtweg in vielen Pfarren keinen Priester mehr gibt. Sie besuchen Kranke, begleiten Firmgruppen ebenso wie Trauernde und künftige Ehepaare. All dies tun in der katholischen Kirche engagierte Frauen in Deutschland und Österreich schon seit langem.

Diakone führen auch Begräbnisse, verteilen die Kommunion und stehen in Albe und Stola, also rituellem Gewand, neben dem Priester bei der Messe vorne im Altarraum. Genau das dürfen Frauen derzeit nicht, ebenso wenig wie männliche Laien. Als Diakoninnen dürften sie es.

Die Zulassung von Frauen zum Diakonat würde ihrem Wirken in der Kirche jene äußere Bestätigung und Form geben, die gerade im katholischen Christentum mit seinen vielen Riten und Titeln so wichtig ist. Diakoninnen würden Frauen in der Kirche ein Stück weit sichtbarer machen, sie aus der Besenkammer hinter dem Altarraum hervorholen. Solche Diakoninnen wären auch ein machtvolles Signal an viele andere Frauen, die vielleicht nicht selbst vorne stehen möchten, sich sehr wohl aber eine Kirche wünschen, in der sie auch weibliche Ansprechpartner haben.

Allzu optimistisch stimmen die ersten Reaktionen aus den Reihen kirchlicher Würdenträger indes nicht. Ihnen allen Frauenfeindlichkeit zu unterstellen, wäre sicher falsch. Angst vor Veränderung trifft es schon eher. Und wohl auch ein wenig Angst davor, irgendwann die Macht teilen zu müssen.

Aber wer weiß: Es gibt auch Kommissionen, in denen der Heilige Geist wirkt. Sogar im Vatikan, sonst hätten wir jetzt keinen Papst Franziskus.

Theresia Heimerl

www.katholikentag.de

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Frauen stürmen den Männerclub

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Ganz anders. Das sind Frauen nach Meinung noch immer (zu) vieler Männer. Sie haben nicht nur ein anderes Einkommen (weniger), andere berufliche Chancen (auch weniger), nicht nur andere Geschlechtsorgane – nein, ihr ganzes Wesen ist ein anderes. Und das Wesen bestimmt das Sein und das Bewusstsein offenbar derart, dass sie nicht nur ein anderes Wesen haben, sondern sind: Frauen sind andere Wesen. Diese wesenhafte Andersartigkeit verdanken wir Frauen zu einem guten Teil der Kirche und ihrer Theologie, der katholischen wie der evangelischen. Hier soll von der katholischen Kirche und ihrem Verhältnis zu den Frauen die Rede sein. 

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Die ernsthafte Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit der Moderne ­begann mit dem 2. Vatikanischen Konzil (1960 bis 1965) und stand unter dem Anspruch „in der Welt von heute“ zu sein. Das hat in manchen Bereichen ganz gut geklappt (Stichwort Volkssprache statt Latein), in anderen, wie eben dem Frauenbild, eher weniger. Dabei waren erste Ansätze 1963 durchaus vielversprechend, hieß es doch: „Die Frau, die sich ihrer Menschenwürde heutzutage immer mehr bewusst wird, ist weit davon entfernt, sich als seelenlose Sache oder als bloßes Werkzeug einschätzen zu lassen: sie nimmt vielmehr sowohl im häuslichen Leben wie im Staat jene Rechte und Pflichten in Anspruch, die der Würde der menschlichen Person entsprechen.“ (Pacem in terris). 

Frauenpriester-
tum? Darf nicht einmal diskutiert werden!

Wenn man weiß, dass in der klassischen Theologie des Thomas von Aquin die Frau eben genau das, nämlich Werkzeug und Hilfsmittel (adiutorium) des Mannes war, und vor allem, wenn man die Betonung des öffentlichen Lebens ernst nimmt, war das tatsächlich ein mutiges Statement. Und keineswegs selbstverständlich im gesellschaftlichen Kontext der frühen 60er Jahre. Frau sehe sich nur einmal einen der frühen Bondfilme an, wo Blondinen schmückendes Beiwerk sind, das für ernsthafte Männergespräche weggeschickt wird. 

Doch lange hält der mutige Aufbruch in der Kirche leider nicht an: Bereits in einem der großen abschließenden Konzilstexte, Gaudium et spes 1965, findet man Frauen nur noch als Teil des hochgelobten Eheganzen. Sie werden in einer, gelinde gesagt, extrem spiritualisierten Sprache dazu angehalten, dem Auftrag zur Gattenliebe und vor allem der Fortpflanzung nachzukommen. Alles andere als die unauflösliche katholische Ehe sei schließlich eine „Entartung“, erkennbar an „Egoismus, Genußsucht und unerlaubten Praktiken gegen die Fruchtbarkeit“. Nun ja. 

1968 ist nicht nur in der Welt-, sondern auch in der Kirchengeschichte ein entscheidendes Jahr. Der Anfang vom Ende der kirchlichen Hoheit in den Schlafzimmern der Schäfchen beginnt mit der Enzyklika Humanae vitae, besser ­bekannt als „Pillenenzyklika“, von Papst Paul VI. Die Verfasser des berüchtigten Pillenverbotes warnen: „Männer, die sich an empfängnisverhütende Mittel gewöhnt haben, könnten die Ehrfurcht vor der Frau verlieren, und, ohne auf ihr körperliches Wohl und seelisches Gleichgewicht Rücksicht zu nehmen, sie zum ­bloßen Werkzeug ihrer Triebbefriedigung erniedrigen.“ 

Abgesehen davon, dass damit indirekt die angebliche Ehrfurcht vor der Frau als in Wahrheit Angst vor Alimentationszahlungen entlarvt wird, entlarvt dieses Dokument ein Geschlechterrollenbild, das sich in Folge hartnäckig in der katholischen Kirche halten wird: Frauen sind schwache, schützenswerte Wesen, dem Mann und seinen Trieben hilflos ausgeliefert, so nicht tapfere Kleriker sie davor ­beschützen. Wer ein derart zartes Wesen hat, kann natürlich auch nicht die gleichen Arbeiten und Aufgaben verrichten wie ein Mann, womöglich auch noch ­innerhalb der Kirche selbst. 

Ausgerechnet im Jahr der (auch sexuellen) Revolution legt die katholische Kirche damit ein Frauenbild offen, das sich diametral entgegengesetzt dem der westlichen Welt bewegt. Genutzt hat die Warnung vor den verderblichen Folgen der Pille übrigens nicht einmal in den bravsten katholischen Schlafzimmern. Zwar anfangs noch mit schlechtem ­Gewissen verweigerten jedoch immer mehr Frauen den Gehorsam. Und heute wissen selbst unsere Theologiestudentinnen nicht mehr, was ihnen die Kirche so alles verbietet. 

Was nach 1968 folgt, sind immer schärfere Warnungen und Verbote aus dem Vatikan, einerseits 1994 gipfelnd im Diskussionsverbot zum Frauenpriestertum (Ordinatio sacerdotalis) – andererseits eine immer phantasievollere Beschwörung des bedrohten „Wesens der Frau“. 1988 beschert uns das katholische Lehramt einen viele Seiten langen Text (Mulieris dignitatem), der die klerikalen Angstphantasien auf den Punkt bringt: Nämlich, dass die emanzipierte Frau nicht mehr zuhause als Mama mit dem Mittagessen wartet, sondern im Büro zur Konkurrentin des Mannes wird. Jedoch widerspräche das ihrem Wesen, das sich durch Demut, Schwäche, Dienstbarkeit sowie natürlich Mütterlichkeit auszeichnet. Exemplarisch dargestellt wird dieses Wesen dann recht langatmig von Maria bis zu den weiblichen Heiligen der Kirchengeschichte. Was ein Fehler war. Denn in keinem anderen Bereich ist die theologische Frauenforschung bereits in den 1980er-Jahren soweit wie im historischen. 

Die feministische Theologie, die sich auch im deutschen Sprachraum mit den 1970er Jahren zu entwickeln beginnt, hat ihren Schwerpunkt bis heute in der Bibelwissenschaft und Geschichte. Zum einen, weil dies keine traditionellen „Priesterdisziplinen“ sind – sprich Fächer, die an der Uni von geweihten Männern besetzt sein müssen –, zum anderen aber auch, weil sich der in der katholischen Kirche so wichtige „Traditionsbeweis“ eben über die kritische Auseinandersetzung mit der ­Tradition trefflich in Frage stellen lässt. 

Die starren Geschlechter-Kategorien sind in Auflösung

Das Wesen der Frau war schon immer sanftmütig? Ein Blick in das Alte Testament, wo Judith den Hauptmann der Gegner verführt und ihm dann im Bett den Kopf abschlägt, genügt. Frauen ohne katholischen Trauschein sind gefallene Mädchen? Und wie war das mit Maria? Die weiblichen Heiligen waren besonders mütterlich? Im Vergleich zu ihnen und ihrem Umgang mit den eigenen Kindern sind postmoderne Mütter wahre Glucken. Macht ist ein Widerspruch zum weiblichen Wesen? Schon von den Äbtissinnen in Spanien gehört, denen der Bischof bis ins 19. Jahrhundert den Ring küssen musste, nicht umgekehrt? 

Denkverbote machen erfinderisch. Das zeigt die Frauengeschichte vielleicht nirgends so deutlich wie in der katholischen Kirche. Mitunter ganz still und leise, nicht selten auch gefördert von (klerikalen) Männern, die mit dem Retro-Kurs im Vatikan selbst nicht einverstanden waren, etablierten sich Frauen in den 1990er-Jahren an den Theologischen Fakultäten. Und während die erste Professorin Anne Jensen noch ein Kuriosum war und dem Mann galant die Hand küssen durfte (wir sind in Österreich), finden sich Theologinnen ab den 2000er-Jahren zunehmend selbstverständlich in diversen universitären Leitungsämtern. Sie tragen dementsprechend bei der Fronleichnamsprozession den akademischen Talar, umgeben von Priestern aller Ränge. 

Allerdings: Es sind allesamt staatliche Posten, auf denen Theologinnen Karriere mach(t)en. Und auch das nur, solange sie bis zum Erreichen einer unbefristeten oder beamteten Stelle sich nicht zu den gegenwärtigen heißen Eisen äußerten: Amt, Sex, Macht. 

Ein Paradies für Frauen war und ist die katholische Kirche nicht, aber ein interessanter Diskursraum, wenn frau die Herausforderung sucht und einen langen Atem hat. 

Und manchmal auch ein wenig Mitleid mit den alten Herren in Schwarz und Rot hinter den vatikanischen Mauern. Wer sich den letzten Text von 2004, in dem noch einmal das Wesen der Frau sein Unwesen treiben darf, zu Gemüte führt, sieht bereits in der Einleitung, was wirklich Sache ist: Protest, Macht, Rivalität, Verwirrung, Schaden – ausgelöst von „einigen Denkströmungen“, hinter denen unschwer feministische Theorien zu erkennen sind. Sie werden in dieser Schrift als neue Bedrohung der Weltordnung geortet. 

In kritischer Lesart heißt das: Man hat im Vatikan sehr wohl verstanden, dass nicht mehr nur die Berufstätigkeit von Frauen, ihre sexuelle Autonomie, ja nicht einmal mehr nur das Priesteramt zur Diskussion stehen. Weit darüber hinaus steht ein sehr grundsätzlicher Diskurs darüber an, was Frauen und Männer überhaupt sind und wer eigentlich die Deutungshoheit über Geschlecht und Geschlechterrollen hat. Fast könnten sie frau leidtun, die alten Männer im Vatikan, die sich seit über 50 Jahren vergeblich bemühen, mit der Welt Schritt zu halten. Und die jetzt auch noch ihre letzte Sicherheit, nämlich was Männlein und was Weiblein sei, in Frage gestellt sehen. 

Der Schritt in die Realität der Gegenwart geht jedoch auch ohne Selbstmitleid und Rückzugsphantasien, wie es das jüngste Vorbereitungsdokument zur Familiensynode beweist, die im Oktober 2015 stattgefunden hat. Kursierte in der ersten Version von 2014 noch die Angst vor der „Genderideologie“ und Mahnungen zur Wiederentdeckung der „Pillenenzyklika“, hat bis zur zweiten Version vom Juni 2015 der Heilige Geist oder einer seiner Mitarbeiter ordentlich ausgemistet. Geblieben ist eine nüchterne Beschreibung der sehr unterschiedlichen Lebensrealitäten von Frauen in der ganzen Welt fernab des bürgerlichen Familienidylls. Diese Realität ist nicht bedroht von Feminismus und Verhütung, sondern von Ausbeutung, Unterdrückung und männ­licher, struktureller Gewalt. 

Die Frau oder gar das „Wesen der Frau“ gibt es endlich nicht mehr. Es gibt die Frauen. Das ist, schaut man zurück auf die vielen Facetten der vergangenen 50 Jahre, ein großer Fortschritt. Für manche ein zu großer Fortschritt, wie die Diskussionen bei der Synode selbst gezeigt haben. Was völlig ausgeklammert bleibt, ist eine differenzierte Auseinandersetzung mit anthropologischen Grundsatzfragen, die zum Verständnis alternativer Identi­täten und Sexualitäten jenseits eines streng zweigeschlechtlichen Modells führen könnten. Auch die Konsequenz der Gleichberechtigung in der Kirche selbst wird nicht einmal angedacht. 

Das Thema Müttlerlichkeit bleibt ambivalent

Seltsam ambivalent bleibt ebenso das Thema Mütterlichkeit. Die Belastungen von Frauen mit Kindern in der Arbeitswelt und in unterschiedlichen Familienkonstellationen werden zwar erkannt. Der eindeutige Aufruf, die Verhältnisse zu ändern – anstatt Frauen vor die Wahl Kind oder ­Arbeit zu stellen, wie er in einer Fassung des Vorbereitungsdokumentes zur Synode noch zu finden war – ist leider wieder verschwunden. Er ist den männlichen Ängsten zum Opfer gefallen, sich selbst aus dem Kühlschrank bedienen zu müssen.

Dennoch: Die Tür ist zumindest wieder offen für das Gespräch. Das demütige Wesen der Frau verwest irgendwo in den Abstellkammern vatikanischer Ideologie. Und wenn selbst in der katholischen Oststeiermark, wo Frauen in meiner Kindheit noch beim Kirchgang Kopftücher trugen, die langjährige Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung feststellt, sie hoffe doch sehr auf Frauen zumindest als Diakoninnen zu ihren Lebzeiten, dann können sich die Männer in der Kirche noch auf einiges gefasst machen. Worüber der jetzige Papst vielleicht gar nicht so unglücklich ist (er lebt ja noch!).                

Theresia Heimerl - Die Autorin ist außerordentliche ­Professorin für Religionswissenschaft an der Katholisch-Theologischen ­Fakultät der Universität Graz. Ihre ­jüngste Publikation: Andere Wesen. Frauen in der Kirche (Styria-Verlag).

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