Alice Schwarzer schreibt

Teurer Newton

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Am 3. Juni wird das Newton-Museum in Berlin eröffnet. Auf Staatskosten. Und mit Staatsgästen. Anzunehmen, dass unter den Ehrengästen der Kanzler sein wird und auch der Regierende Bürgermeister von

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Berlin. Denn beide haben sich, gegen alle Bedenken, stark engagiert für das Newton-Museum. Und darum können jetzt alle Träume wahr werden, zumindest die von Helmut und June Newton. So träumte die Witwe jüngst, im Erdgeschoss solle gezeigt werden, wie ihr Mann gelebt hat, ja „sein ganzes Arbeitszimmer könnte ausgestellt werden“. Kaum hatte sie ihn auf einer Pressekonferenz verlauten lassen, wurde ihr Traum schon wahr. „Gegenstände aus Helmut Newtons privatem Besitz“ werden zu sehen sein, berichtete die Frankfurter Rundschau: „Eine Art Devotionalien-Sammlung: Turnschuhe, Medaillen, seine ‚Spielsachen‘, etwa die auf dem Kopf stehende Kleiderpuppe, die er in seinem Arbeitszimmer hatte. Und ein alter BWM-Kübelwagen, den er fuhr.“

Ein teuerer Traum. Bezahlt wird er, via „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“, von Bund und Ländern, also von den SteuerzahlerInnen. Und warum? Weil der Fotograf Newton eine Person der Zeitgeschichte ist? Oder weil sein Werk als Kunst in die Ewigkeit eingehen wird?

Zumindest zwei, die Witwe Newton und der deutsche Kanzler, scheinen davon überzeugt zu sein. Letzterer ließ es sich nach dem Unfalltod von Newton im Januar nicht nehmen, der Witwe mitzuteilen: „Ich trauere mit Ihnen um einen großen Künstler und großartigen Menschen.“ Hätte der „große Künstler“ selber seine Nachrufe lesen können, er hätte sich bei so hehren Worten vermutlich ein Grinsen nicht verkneifen können. Denn schließlich hat er selber sich lebenslang – und keineswegs nur selbstironisch – schlicht als „Modefotograf“ bzw. „Propagandafotograf“ und „a gun for hire“ (Auftragsmörder) bezeichnet – und damit den Nagel auf den Kopf getroffen.

Es blieb Deutschland vorbehalten, den handwerklich versierten, künstlerisch jedoch unbedeutenden Fotografen zu einem der „bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts“ hoch zu stilisieren. Dabei hatte Newton zwar in der Welt der Modefotografie einen Namen, wirklich berühmt bzw. berüchtigt jedoch wurde er erst in den 80ern dank seiner Pornografisierung der Modefotografie und seiner darin ungehemmt ausgelebten sado-masochistischen Obsessionen.

Im Kunstmilieu jedoch ist die Geringschätzung der Newton-Fotos ein offenes Geheimnis. Darum scheint es schon jetzt Absagen von bedeutenden Fotografen zu geben, denen angeboten wurde, unter dem Dach des Newton-Kasinos auszustellen, wo in der dritten und vierten Etage ein allgemeines „Museum für Fotografie“ Unterschlupf finden soll. Und genau darum hat sich keines der Länder, in denen Newton in den letzten Jahrzehnten lebte, hat sich weder Frankreich noch Amerika je ernsthaft für den Newton-Nachlass interessiert.

In Deutschland hat sich in den letzten Jahren vor allem Newtons alter Freund, der aus der Emigration in seine Heimatstadt Berlin zurück gekehrte Galerist Heinz Berggruen, für die museale Seligsprechung seines Kumpels eingesetzt. Der 1920 als Helmut Neustädter in Berlin geborene Newton musste vor den Nazis mit seiner jüdischen Familie in die Emigration fliehen. Es fällt auf, dass diese Tatsache eine größere Rolle bei der umstrittenen Entscheidung für das Newton-Museum gespielt zu haben scheint als sein Werk. Die „Heimkehr des großen Sohnes der Stadt“ gilt, so der Kanzler, als „Geste der Versöhnung“.

Was die Geste keineswegs schon stimmig macht. Schon gar nicht im Sinne der Versöhnung. Denn es stellt sich die Frage, ob eine solche Geste nicht eher der Ausdruck eines Prosemitismus ist, dieser so verräterisch gut gemeinten anderen Seite des Antisemitismus. Schließlich hätte nicht die Tatsache, dass Newton ein rassistisch Verfolgter war, entscheidend sein dürfen für die Errichtung eines staat-lichen Newton-Museums – sondern die Qualität seines Werkes hätte es sein müssen.

Newton selbst hat diese dunkle Seite seines Lebens übrigens erst sehr spät öffentlich thematisiert, dann jedoch zielgerichtet: An dem Prachtbau in den Jebenstraße 2 hänge so besonders sein Herz, erklärte er, weil darauf beim Einstieg in den Zug in die Emigration sein „letzter Blick“ gefallen sei.

Und als die Newton-Witwe June sich Anfang April nach einem passenden Platz für das vom Berliner Senat überschwänglich angebotene „Ehrengrab für den spät Heimgekehrten“ umsah, lehnte sie alle zunächst angebotenen Stätten dankend ab. Mit sicherem Instinkt fürs Öffentlichkeitswirksame entschied sie sich für einen Platz auf dem eher unspektakulären Schöneberger Friedhof Friedenau – nur zwei Grabstätten entfernt von Marlene Dietrich. Die kann sich ja nicht mehr wehren.

Es blieb mir vorbehalten, 1993 in einer Bildanalyse aufzuzeigen, dass Newtons Fotos nicht nur sexistisch, sondern auch rassistisch sind. Und dass er zwar in der Tat geprägt ist von dem sado-masochistischen Fetischismus der Nazis – sich jedoch nicht selbstkritisch oder gar selbstquälerisch damit auseinandersetzt, sondern im Gegenteil: Newton propagiert in seinen Bildern genau das Menschenbild, vor dem er selbst einst fliehen musste (siehe mein Text von 1993 auf der folgenden Seite).

Die Tatsache, dass ausgerechnet dieser Fotograf jetzt ein staatliches Museum für die Ewigkeit bekommt, ist darum ein Schlag ins Gesicht der Menschlichkeit – und ein Schlag ins Gesicht der Kunst. Denn Propaganda ist schlicht das Gegenteil von Kunst.

„Ich bin sicher, dass dieses Museum eine der größten Attraktionen Europas werden kann“, erklärte die Newton-Witwe auf einer ihrer zahlreichen Pressekonferenzen. Doch dieser Traum wird vermutlich nicht in Erfüllung gehen. Ist erstmal der erste Ansturm der Neugierigen abgeklungen, bleibt wohl vor allem das einschlägige Publikum vom Bahnhof Zoo, das nach einem Rundgang durchs „Beate-Uhse-Museum“ auch noch im Newton-Museum vorbei schaut.

Denn, um es mit den Worten eines der vielen Kunstexperten zu sagen, die sich bald hoffentlich auch selber einmal öffentlich zu Wort melden werden: „Nur wahre Kunst ist ewig. Diese Art von Gebrauchs- und Propaganda-Fotografie hat ein sehr rasches Verfallsdatum.“

ACHTUNG Alle, die nicht so begeistert sind von einem Newton-Museum und dem auch Ausdruck geben wollen: Bitte EMMA informieren. Vielleicht lässt sich da ja der Unmut vernetzen...

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