Sie war 1919 die erste Frau im Bund Deutscher Architekten (BDA) und schlug die Brücke zum „Neuen Bauen“.
1. Januar 2018
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Sie kommt 1875 in einer wohlhabenden Brauerei-Familie in Ottobeuren zur Welt und studiert Lehramt, das einzige, was eine Frau damals studieren konnte. Sie heiratet und bekommt drei Kinder. Um die 30 lässt sie sich scheiden und gibt ihre halbwüchsigen Kinder ins Internat. Sie wird Gasthörerin für Architektur an der Technischen Hochschule von München. Ihre Familie bricht mit ihr.
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Die TH in dem kunstbewegten München ist zu der Zeit die erste Adresse für Architektur in Deutschland. Dennoch sind nur drei Prozent der Studenten weiblich. Mogger begegnet dort ihrer Kommilitonin Elisabeth von Knobelsdorff. Die beiden studieren ab 1909 zusammen weiter in Berlin. 1912 gibt es in der Hauptstadt eine erste von Frauenrechtlerinnen arrangierte Architektinnen-Ausstellung. Dort kommt es zu einem Konflikt zwischen „echten“ Architektinnen und „Kunstgewerblerinnen“ (die überwiegend Innenarchitektinnen sind). Mogger argumentiert scharf pro Professionalität. Inzwischen ist sie nach Düsseldorf gezogen und eröffnet dort ein eigenes Büro.
In den 1920er-Jahren ist sie die erste Präsidentin des Künstlerinnen-Vereins. Ab den 1930er-Jahren wandte Mogger sich der schlichten, funktionalen Formensprache des „Neuen Bauens“ zu und konzentrierte sich auf die „soziale Architektur“. Sie ist bis zuletzt auch als Theoretikerin aktiv. (1875 – 1956)
Dieses Jahr wird die Architekturbiennale in Venedig zwar von zwei Frauen kuratiert, den Irinnen Yvonne Farrell und Shelley McNamara. Aber rechnet man die Japanerin Kazujo Sejima (2010) hinzu, standen in ihrer rund 40-jährigen Geschichte nur drei Frauen an der Spitze der wichtigsten Architektur-Ausstellung der Welt. Kein Wunder also, dass im Jahr 2018 die Me-Too-Debatte auch die Biennale erreicht hat.
Diese noch unbekannte Architektin repariert 1910 das Dach des Berliner Rathauses.
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Am Eröffnungstag demonstrierten 150 Frauen (darunter auch einige Männer) mit bunten Fächern gegen die Diskriminierung und Belästigung von Frauen in der Branche. Denn es spielt noch immer eine gewaltige Rolle, ob „the architect“ (Zaha Hadid) Mann oder Frau ist. Inzwischen gibt es zwar mehr Architekturstudentinnen als -studenten – aber nur jeder fünfte freie Architekt ist weiblich, und verdient dafür ein Drittel weniger als der Kollege. Die Architektur-Biennale läuft noch bis zum 25. November. Welche Rolle spielen Frauen in der Architektur?
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Um 1900 folgte eine Handvoll Frauen einer kühnen Idee: Sie setzten sich über die vorherrschenden bürgerlichen Vorstellungen von Weiblichkeit hinweg, der zufolge Frauen ins Haus gehörten, und beschlossen, Architektinnen zu werden. Dieses Vorhaben verstieß gegen die in der Architektenschaft fest verankerte Überzeugung, dass einzig Männer zu dieser Arbeit fähig seien.
Die Geschichte offenbart, wie sehr sich die Gesellschaft diesem Wandel widersetzt hat und wie engagiert man vorgehen musste, um das zu verändern.
Das Vorurteil: Frauen können nicht drei- dimensional denken.
Auf der Weltausstellung 1893 in Chicago erregte ein Pavillon weltweit Aufmerksamkeit: ein monumentales Woman’s Building, der siegreiche Entwurf von Sophia Hayden für ein Gebäude, in dem Kunst, Projekte, Statistiken zu frauenrelevanten Themen und Bücher von Frauen ausgestellt waren. Deutsche Frauen beteiligten sich umfangreich mit Exponaten und die Bostoner Architektin Lois L. Howe erklärte: „Meine mit mir selbst gemachten Erfahrungen lehren mich, dass es kein Hindernis gibt, das eine Frau, die für das Fach Interesse und Neigung hat, nicht zu bewältigen vermöchte.“
Es ist wohl nicht überraschend, dass drei der ersten Architektinnen in Deutschland – Emilie Winkelmann, Therese Mogger und Elisabeth von Knobelsdorff – gerade das Erwachsenenalter erreichten, als die Nachrichten von der Weltausstellung in Chicago mit dem Woman’s Building in den Medien kamen. Nach 1900 begannen Frauen, in kleiner, aber beständig steigender Zahl Architekturklassen als Gasthörerinnen zu besuchen. 1909 erlangten sie in sämtlichen deutschen Ländern das Recht, technische Hochschulen zu besuchen. 1921 hob man in Preußen die Regelung auf, die Professoren das Recht einräumte, offiziell immatrikulierte Frauen vom Unterricht auszuschließen.
Auf der Suche nach Ausbildung besuchten einige Frauen Kunstgewerbe- oder Baugewerkschulen, die beide weniger restriktiv waren, weil sie nicht das Abitur als Voraussetzung verlangten. Bis weit in die 1920er-Jahre hinein nahmen diese und andere Institutionen, wie das Bauhaus, Studentinnen auf, rieten ihnen jedoch von einem Architekturstudium ab. Wenn sie einmal ihr Studium abgeschlossen hätten, wer würde eine Architektin einstellen?
In Deutschland blieben weiterhin die Vorurteile vorherrschend, Frauen seien unfähig, ein Budget zu verwalten, dreidimensional zu denken oder Arbeiter auf einer Baustelle zu überwachen. Da kann es nicht überraschen, dass manche der ersten Architektinnen als ihre eigenen Auftraggeberinnen fungierten oder von ihren Familien unterstützt wurden. So erwarb Therese Mogger ab 1911 Grundstücke in Düsseldorf und baute auf diesen Mehrfamilienhäuser. Sowohl Elisabeth von Knobelsdorff, die als erste Frau in Deutschland 1911 an der Königlichen Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg den Grad einer Diplomingenieurin der Architektur erworben hatte, als auch Prinzessin Victoria zu Bentheim und Steinfurt errichteten eine Vielzahl von Gebäuden auf den Gütern ihrer Familien.
Emilie Winkelmann eröffnete 1907 in Berlin als erste Frau in Deutschland ein Architekturbüro. Sie hatte in jungen Jahren im Baugeschäft ihrer Familie in Aken an der Elbe eine gründliche Ausbildung erhalten – für eine Frau dieser Epoche eine ungewöhnliche Art der Lehre.
Der Erste Weltkrieg brachte Frauen ungeahnte Chancen. Während weibliche adlige Architektinnen bevorzugt beim Militär tätig waren, konnten etliche Architektinnen aus dem Bürgertum beim Wiederaufbau von Ostpreußen ihre ersten praktischen Erfahrungen sammeln. In der Nachkriegszeit waren akademisch gebildete Frauen bestrebt, Positionen als Beamtinnen anzutreten, weil diese Sicherheit versprachen sowie eine Befreiung von der in der Privatwirtschaft allgegenwärtigen Diskriminierung.
1920 wurde Elisabeth von Knobelsdorff zur ersten Regierungsbaumeisterin in Potsdam berufen; 1923 begann Edith Dinkelmann ihre Arbeit im Stadtbauamt Dessau; 1924 trat Hanna Löv den Dienst bei der Oberpostdirektion in München an; 1925 bekam Margarete Lihotzky eine Anstellung im Frankfurter Hochbauamt und 1930 wurde Hildegard Schroeder Regierungsbaumeisterin in Potsdam. Von einer Architektin im öffentlichen Dienst wurde aber verlangt, dass sie ihrem Mann grundsätzlich den Vorzug ließ: Knobelsdorff, Lihotzky, Dinkelmann und Schroeder verloren ihre Festanstellungen aufgrund ihrer Heirat.
Während der Zeit der Weimarer Republik erleichterte das bei Frauen verortete Expertenwissen über Haus und Heim vermutlich den Zugang zur Planung von Projekten des sozialen Wohnungsbaus, von Modellküchen und Inneneinrichtungen. Frauen arbeiteten auch beim Neuen Bauen in der Regel mit einem männlichen Partner zusammen. Ein Besucher, der 1927 die Weißenhofsiedlung in Stuttgart besuchte, stieß auf Lilly Reich und Ludwig Mies van der Rohe, auf Marlene Moeschke-Poelzig und Hans Poelzig oder auf Else Oppler-Legband und Peter Behrens. Diese Frauen hatten durch ihre Ausbildung in den Bereichen Kunsthandwerk und Kunst zur Architektur gefunden und ihre Beiträge konzentrierten sich auf Innenräume und Möbel – was als der weniger prestigeträchtige Bereich der Architektur galt.
Das Dritte Reich hatte verheerende Folgen für die langsam wachsende Zahl von Architektinnen. Aufträge von privater Seite waren rar und der Staat kontrollierte den überwiegenden Teil der Bautätigkeit. Etwa 100 jüdische Architektinnen kamen im Holocaust ums Leben, darunter Ilse Cats-Bloch sowie die Bauhausstudentinnen Friedl Dicker-Singer und Zsuzsanna Bánki. Andere wanderten in das Mandatsgebiet Palästina aus, wo Architekten gebraucht wurden. Einige wenige, darunter Marie Frommer, Elsa Gidoni und Karola Bloch, gingen ins Exil in die Vereinigten Staaten.
Allerdings herrschte im Gegensatz zu den ein halbes Jahrhundert früher erschienenen optimistischen Berichten inzwischen in der amerikanischen Architektenschaft eine frauenfeindliche Stimmung und die Integration erwies sich als schwierig. Viele Architektinnen, die in den 1930er- oder zu Anfang der 1940er-Jahre bereits praktizierten, mussten sich ihre Aufträge hart erkämpfen; einige zogen auf der Suche nach einer Anstellung häufig um, andere wurden für kriegsbezogene Tätigkeiten verpflichtet.
Mit dem Einsatz der Männer an der Front stieg die Zahl der Architekturstudentinnen, um nach Ende des Zweiten Weltkrieges wieder stark abzunehmen. Unmittelbar nach dem Krieg „war die zerstörte Stadt meine Chance“, erinnert sich die Berliner Architektin Hilde Weström. Ihr erstes Projekt stammt von 1946 und bestand aus dem Entwurf einer Leichenhalle für die amerikanischen Streitkräfte in West-Berlin. Für eine kurze Zeitspanne wurden Architektinnen selbst unmittelbar nach dem Abschluss ihres Studiums dringend gebraucht.
Doch mit dem beginnenden Wirtschaftswunder waren Frauen dem Wettbewerb um Aufträge mit den zurückkehrenden Soldaten ausgesetzt. Sie schalteten Anzeigen in Architekturzeitschriften, in denen sie ihre Qualifikationen betonten: hochwertige Ausbildung, umfassende Erfahrung und die Bereitschaft umzuziehen. Unabhängig davon, ob sie in Ost- oder Westdeutschland tätig waren, stellten Frauen in den 1950er- und 1960er-Jahren fest, dass sie größere Chancen hatten, wenn sie sich auf als „weiblich“ geltende Bereiche konzentrierten, also beispielsweise auf Wohnprojekte und Einrichtungen für Jugendliche und Kinder oder auf Innenräume.
Trotz allem gelang es einigen Frauen, neue Wege zu gehen und öffentliche Projekte zu realisieren. In der DDR errichtete Iris Dullin-Grund 1965 das Haus der Kultur und Bildung in Neubrandenburg. Und in den 1970er- und 1980er-Jahren entwarf Gertrud Schille für den VEB Carl Zeiss-Jena Planetarien für den internationalen Export. In der BRD erbaute Sigrid Kressmann-Zschach in West-Berlin multifunktionale Geschäftshäuser. Und Ingeborg Kuhler machte sich spätestens 1990 mit dem Museum für Arbeit und Technik in Mannheim einen Namen.
In Westdeutschland, wo die etablierten Organisationen der Architektenschaft ihre Interessen nicht vertraten, strömten die Architektinnen nun in Scharen in die Berufsverbände für Frauen. Als die UIFA (Union Internationale des Femmes Architectes) als Gegenstück zur UIA (Union Internationale des Architectes) 1963 in Paris gegründet wurde, schickte Deutschland die größte Delegation und spielte bis weit in die 1980er-Jahre eine Schlüsselrolle in dieser Organisation.
Angespornt von Diskussionen, die bei diesen reinen Frauentreffen stattfanden, begannen Architektinnen in Westdeutschland, die Isolation von Frauen in der Nachkriegsstadt zu untersuchen und konzipierten Lebensräume für neue Familienformen, insbesondere für alleinstehende Frauen und solche mit Kindern. Mit dem Aufkommen der Zweiten Frauenbewegung in den 1970er-Jahren pries man die „Unterschiede“ und träumte von einer Architektur, welche die Sinnlichkeit des weiblichen Körpers reproduziert, auf ökologischen Prinzipien und auf Erfahrungen des Alltags basiert und nicht auf abstrakten Theorien. Und in Ost- wie Westdeutschland begann man, die Geschichte der Frauen in der deutschen Architektur sorgfältig zu erforschen und zu dokumentieren.
Und doch fiel es vielen Frauen weiterhin schwer, in der Architektur zu reüssieren. In Westdeutschland, wo die frei praktizierenden Architekten überwogen, arbeitete eine unbekannte Zahl verheirateter Architektinnen gemeinsam mit ihren Ehemännern. Beliebte Erklärungen dafür waren, dass Frauen so Familie und Arbeit besser miteinander verbinden könnten und den Männern die Zusammenarbeit mit einer vertrauten Partnerin geboten würde, mit der sie Ideen weiterentwickeln oder Probleme besprechen könnten. Man wies der Frau eine unterstützende Rolle zu, während der Mann als Schöpfer des gemeinsamen Werkes galt.
Im Gegensatz dazu erhielt eine in der DDR frisch graduierte Architektin Unterstützung bei der Suche nach Arbeit in einem staatseigenen Büro. Trotz des flächendeckenden Baus von Kindertagesstätten und einer sozialen Infrastruktur trugen Architektinnen aber auch in der DDR oft die doppelte Belastung von Erwerbstätigkeit und Familie und fanden selten die Zeit, sich an öffentlichen Debatten zu beteiligen und so ihre Bekanntheit zu steigern. Sie hatten größere Chancen, wenn sie in kleineren regionalen Büros arbeiteten oder sich auf weniger prestigeträchtige Felder wie Wohnungsbau, Denkmalpflege oder Landschaftsarchitektur verlegten.
Wie ihre westdeutschen Kolleginnen waren manche der Meinung, Frauen würden eine besondere Empfindsamkeit in den Planungsprozess einbringen. Im Unterschied zur BRD waren die Architektinnen in der DDR jedoch bestrebt, den vorherrschenden fachlichen Normen zu entsprechen, und nicht daran interessiert, das Image der Architektin radikal zu verändern.
In den 1980er-Jahren, als Projekte von Architektinnen national und international öffentliches Aufsehen erregten – wie Zaha Hadids visionäre Zeichnungen oder Gae Aulentis Umbau des Pariser Gare d’Orsay zum Musée d’Orsay –, folgte die Gegenreaktion. Die westdeutsche Wochenzeitschrift Bauwelt veröffentlichte zunehmend Fotos, auf denen Frauen als Objekt die Bauten „verschönten“. So wie die Sexsymbole auf den Autokühlern. Ein Aufschrei der Architektinnen war die Folge. Der Spiegel widmete 1988 dem schwärenden Unmut in ihren Reihen einen Artikel. Die Architektinnen in Westdeutschland verlangten eine Reform der Architekturkultur und wollten nicht länger hinnehmen, dass noch immer als Norm galt, dass der Schöpfer von Architektur immer männlich sei.
Am 9. November 1989 fiel die Mauer, der architektonische Diskurs wendete sich den Herausforderungen der Wiedervereinigung zu. Jetzt, fast drei Jahrzehnte später, sind Architektinnen als Professorinnen, Leiterinnen von Büros, Mitarbeiterinnen, Politikerinnen, leitende Angestellte und Präsidentinnen von Berufsverbänden tätig. Doch trotz der zunehmenden Fülle und Qualität ihrer Leistungen, können Architektinnen sich noch immer recht isoliert und einsam fühlen – besonders, wenn sie erfolgreich sind.
Mary Pepchinski - Übersetzung: Christiane Court
Der leicht gekürzt und überarbeitete Text ist aus dem Katalog zu der Ausstellung "Frau Architekt - Seit mehr als 100 Jahren: Frauen im Architekturberuf" (Wasmuth Verlag, 48 €)