Hexenverfolgung und Vivisektion
Vor ein paar hundert Jahren wurden Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen von Frauen als angebliche Hexen verbrannt. Dieser von Kirchen, Wissenschaft und Herrschenden abgesegnete Massenmord wird heute als eines der übelsten Kapitel des zuende gehenden Mittelalters und der beginnenden Neuzeit angesehen.
Die Denker der Scholastik im 13. Jahrhundert, mit Thomas von Aquin, Bonaventura und Albertus Magnus an der Spitze, waren damals zu der Erkenntnis gekommen, dass Teufel, Dämonen, Zauberer und Hexen real existierende Wesen seien. Niemand dachte daran, diese spitzfindigen Überlegungen anzuzweifeln, denn sie galten als streng wissenschaftliche Erkenntnisse.
Bekannte Juristen der damaligen Zeit begründeten alle Grausamkeiten der Folter damit, dass der Teufel die Hexen gefühllos machte und sie gar keinen Schmerz verspüren könnten. Gut drei Jahrhunderte hat sich der Hexenwahn gehalten, fundiert durch "wissenschaftliche" Erkenntnisse, abgesegnet von der Kirche, getragen vom Sendungsbewusstsein kirchlicher und weltlicher Institutionen, gestützt und gesichert durch Gesetze.
Was hat all dies mit Vivisektion und Tierversuchen zu tun? Viel. Die mittelalterliche Wissenschaft war von der Notwendigkeit der Hexenverfolgung genauso unerschütterlich überzeugt wie die heutige Wissenschaft von der Notwendigkeit der Tierversuche. So sicher, wie die Gelehrten der damaligen Zeit waren, dass nur mit einer totalen Vernichtung der Hexen Krankheiten und Seuchen. Hungersnöte und Naturkatastrophen. Tod und Elend vom Menschen abgewandt werden konnten genauso sicher sind die Gelehrten der heutigen Zeit, dass Krankheiten und Epidemien, von Krebs bis AIDS, sich nur mit Tierversuchen beseitigen lassen.
Wer damals die Verfolgung der Hexen kritisierte oder störte, war ein Ketzer oder Verächter der Menschen, der selbst mit dem Teufel im Bunde stand wer heute Tierversuche kritisiert. ist nach Meinung der offiziellen Wissenschaft entweder ein weltfremder Spinner oder ein Menschenverächter. der den Fortschritt der Wissenschaft aufhält und damit der Menschheit schadet. Dabei konnte bis heute die Notwendigkeit von Tierversuchen nicht in einem einzigen Fall ernsthaft bewiesen werden. Immer wird mit anekdotischen Beweisen argumentiert, die eine Beweiskraft haben vergleichbar der von Hellsehern und Sterndeutern.
Die Ähnlichkeiten zwischen Hexenprozess und Tierexperiment sind mehr als erschreckend! In beiden Fällen waren und sind die Täter Männer, die, blind für jede Art von Selbstreflexion, ihre sadistischen Gelüste bis zum Exzess als selbsternannte Helfer der Menschheit auslebten. Männer, die Anstifter und geistigen Väter der Vivisektion, von Claude Bernhard bis zu unserer heutigen biomedizinischen "Wissenschaftselite", von den Erfindern von qualvollen Tierschindereien wie "DraizeTest" oder LD5ö-Test, bis zu den Theoretikern des wissenschaftlichen "Tiermodells" und Experimentatoren in universitärer Forschung und in der Industrie, den Laboranten.
Immer waren und sind es Männer, die ohne die geringste Spur von Selbstzweifel - im Auftrag der Wissenschaft, der Gesellschaft oder einfach selbsternannt - ihre "bahnbrechenden" Versuche mit wehrlosen Tieren ausführen.
Die Opfer sind Frauen und Tiere. Der Hexenmord betraf vor allem Außenseiterinnen. Einzelgängerinnen. Ausgestoßene. Verfemte. Unheimliche. Die Opfer der Vivisektion: Anfangs herrenlose "Straßenköter". freilaufende Katzen, heute vorwiegend "Ekeltiere" wie Mäuse und Ratten. Wehrlos, ausgeliefert, verängstigt. Hingegen sind Tiere, die in das Nützlichkeitsdenken oder das ästhetische Schönheitsbild des Menschen passen. Tiere die im Schutz der Familie stehen, einigermaßen sicher also keine Experimente mit Goldhamstern oder Eichhörnchen. Wellensittichen oder Papageien.
Maulwürfen oder Löwenbabies. auch nicht mit reinrassigen Familienhunden; dafür aber mit Mäusen und Ratten. Massenvögeln wie Zebrafinken. Meerschweinchen oder mit billigen Mischlingshunden. Die Hürden der Ethikkommissionen sind für Affen hoch, für Mäuse und Ratten niedrig.
Die Folter: Die Anwendung jeglicher Folter und Marter war zulässig, weil die Hexe nach verbreiteter Ansicht durch den Teufel gefühllos gemacht worden war und keinen Schmerz verspüren konnte.
Die Durchführung jeglicher Verstümmelung, Vergiftung. Zerstörung, Verstrahlung beim Tierversuch ist zulässig, weil das Tier möglichst narkotisiert ist, womit nach gängiger Ansicht das Problem Qual und Schmerz erledigt ist. Wenn Anästhesie das Versuchsergebnis stört oder nicht anwendbar ist. wird das Experiment trotzdem durchgeführt, zum Wohle der Menschheit. Abgesehen davon wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Tiere höchstens Schmerz empfinden, aber im menschlichen Sinne gar nicht leiden können.
Die Notwendigkeit: Bei der Verfolgung der Hexen herrschte ein breiter gesellschaftlicher Konsens, dass zur Abwendung größter Gefahr jedes Mittel, jede Tortur, jede Folter, jede Quälerei, zulässig und notwendig wäre. Die Organisatoren der Hexenjagden waren selbst Opfer ihrer Hexenhysterie. Sie verbrannten die Frauen in der tiefen Überzeugung, auf dem richtigen Weg zu sein. Die Auffassung von der Notwendigkeit und Zulässigkeit der Tierexperimente wird gemeinsam von Wissenschaft und Industrie. von Kirche und Staat getragen und verbreitet.
Keinerlei Widerspruch von kirchlichen Autoritäten. keine juristischen Bedenken, keine moral-philosophischen Einwände, keine nennenswerten gesetzlichen Hürden. Zur angeblichen Erforschung und Bewältigung der Krankheiten von Krebs bis AIDS ist jedes Mittel, jedes Opfer, jede Qual, jedes Leid zulässig.
In den etablierten Kreisen unserer medizinischen Wissenschaftskultur wird kein zweifelnder Gedanke an die Frage der Richtigkeit und Zuverlässigkeit von millionenfachen Tieropfern verschwendet.
Es wird nicht hinterfragt, ob der eingeschlagene Weg nicht eine Sackgasse ist. Es wird nicht über die Tatsache nachgedacht, dass die Menschen immer kränker werden, obwohl die Ausgaben für unser medizinisches Forschungssystem in astronomische Höhen steigen.
Die Rolle der Massen: Ihre berechtigte Lebensangst vor Hungersnöten, Epidemien, Naturgewalten, Krieg, fand ein Ventil, indem die Hexen als Verursacher allen Übels aufgestöbert und "mit Stumpf und Stil" ausgerottet wurden. Die Einstellung der Bevölkerung zu den Qualen der Tierversuche weitgehend Desinteresse. Die berechtigte Angst vor den Zivilisationskrankheiten führt nicht etwa zur Beseitigung der naheliegenden Ursachen, sondern zur dankbaren Entgegennahme auch der unsinnigsten Pharmaentwicklungen. Tonnenweise Pillen werden geschluckt, deren Entwicklungen auf unermesslichem Leid von Abermillionen von Versuchstieren beruht, in der Hoffnung. damit den Konsequenzen industrieller Tierproduktion, einer auch für den Menschen ungesunden Lebensweise entgehen zu können.
Die Folgen: Mit der Verfolgung der angeblichen Hexen, mit der Vernichtung der "Weisen Frauen", wurde ein enormer Erfahrungsschatz, auch der Naturmedizin, endgültig vernichtet. Wissen aus dem Bereich der Kräuterheilkunde ging verloren. Kenntnisse von ganzheitlich ökologischen Heilweisen, die zum Teil bis zu den Heilkünsten der Kelten zurückgingen. wurden unwiederbringlich zerstört. Die Folgen der tierexperimentellen Ideologie sind nicht weniger schlimm. Wichtige Ansätze von "sanften" Heilweisen. wie etwa im Bereich der Homöopathie oder der Phythotherapie, wurden von der mechanistisch denkenden modernen Medizin überrollt.
Die totale Ausrichtung der Medizin am Experiment, das dem Tier zuerst einen Schaden zufügt und diesen dann mit Chemikalien oder operativen Maßnahmen zu beseitigen versucht, ließ das Gefühl für Wechselwirkungen zwischen Psyche und Soma weitgehend verkümmern: zwischen Geist und körperlichen Erscheinungen. die am Anfang jeder Erkrankung stehen und die Ausprägung jeder Krankheit bestimmen. Der Schaden, den die tierexperimentell ausgerichtete Forschung durch die Brutalisierung der Medizin und Zerstörung intuitiver ärztlicher Vorgehens- und Denkweisen angerichtet hat, ist kaum abzuschätzen.
Und da ist noch eine Parallele: Wissenschaftlich verbrämte Hetzschriften wie "Hexenbulle" und "Hexenhammer" hätten ohne die gerade erfundene Drucktechnik möglicherweise ebenso wenig Verbreitung gefunden wie unsere wissenschaftlichen Experimentalstudien ohne ein Publikationssystem, bei dem es letztlich nur mehr darauf ankommt, möglichst viele Beiträge in einer Unzahl von Fachzeitschriften zu veröffentlichen.
Selbst die Tatsache, dass erste kritische Ansätze nicht die Notwendigkeit der Hexenverfolgung in Frage stellten. sondern eine Reduzierung der Hexenprozesse forderten, dass diese kritischen Stimmen nicht aus den Reihen der etablierten Wissenschaft öder Kirche, sondern von intellektuellen Einzelkämpfern kamen, hat frappierende Ähnlichkeiten mit der heutigen Vivisektionskritik. Die heutige Beurteilung dieser "Irrtümer" sollte zum Nachdenken darüber anregen. wie spätere Generationen unsere Zeit. das Zeitalter der Vivisektion einschätzen werden.
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