„Wir müssen Tiere verstehen lernen!“

Hier erforscht Angela Stöger die Stimmen von Elefanten im „Addo Elephant National Park“ im Süden von Afrika.
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Das Reich der Tiere ist immer noch voller Geheimnisse. Dass Tiere denken können und Gefühl haben, gilt mittlerweile als bewiesen. Aber eines hat die Wissenschaft noch vor sich: Zu verstehen, was Tiere einander sagen, oder auch, was sie uns sagen.

Tiere zwitschern, bellen, schnattern, schnurren oder piepen nicht zufällig. Sie verständigen sich auch nicht einfach nur durch ein rein instinktives Ruf-Antwort Muster. Sie kommunizieren und interagieren bewusst miteinander. Aber was genau sagen die Tiere? Worin unterscheiden sich Tier und Menschensprachen? Diese Fragestellungen behandelt die Bioakustik, eine Forschungsrichtung innerhalb der Zoologie, die sich mit der Kommunikation von Tieren auseinandersetzt.

In meiner Forschung beschäftige ich mich sowohl mit den Eigenschaften und der Entstehung der Laute sowie mit ihrer Bedeutung und Wirkung im Zusammenleben der Tiere. Denn die Art und Weise, wie Tiere miteinander kommunizieren, ermöglicht uns einen Einblick in ihre Lebensweise, zu ihrem Denkvermögen, zu ihrer Gefühlswelt.

Die Erforschung der Tierlaute stellt uns Menschen oft vor Herausforderungen, denn Tiere kommunizieren auch in Frequenzbereichen oder Tonhöhen, die uns Menschen verborgen bleiben. Der menschliche Hörbereich umspannt 20 bis 20.000 Hertz. Alles, was sich darunter befindet, bezeichnen wir als Infraschall. Schall über 20.000 Hertz wird als Ultraschall bezeichnet – in diesem Frequenzspektrum vokalisieren zum Beispiel Fledermäuse und Mäuse. Elefanten hingegen produzieren sehr tiefe Laute, deren tiefste Frequenz anteile im Infraschallbereich, also unter 20 Hz liegen. Aufgrund seiner enormen Körpergröße ist beim Elefanten natürlich auch das Lautorgan, der Kehlkopf, deutlich größer als bei uns, und daher die Frequenz tiefer. Unsere Stimmbänder sind zwei Zentimeter lang, die eines ausgewachsenen Elefantenweibchens etwa zehn Zentimeter. Bei einem noch einmal deutlich größeren Bullen sind es sogar fünfzehn Zentimeter.

Werden sie durch den Luftstrom der Lunge beim Vokalisieren in Vibrationen versetzt, vibrieren sie schon aufgrund ihrer Masse deutlich langsamer als kurze Stimmbänder. So kommt das „Rumblen“, so nennt man diese tiefen Elefantenlaute, zustande: Weil langsame Vibrationen Töne niedrigerer Frequenz erzeugen als schnelle Vibrationen.

Aber abgesehen von der Länge der Stimmbänder und der Größe des Lautorgans, produzieren Elefanten diese Infraschalllaute tatsächlich auf die gleiche Art und Weise, wie wir Menschen sprechen und singen: Indem der Luftstrom aus der Lunge die Stimmbänder in Vibrationen ver setzt. Wenn eine Elefantenherde – aus für mich unersichtlichem Grund – plötzlich von einem Wasserloch aufbricht, hätte ich nur zu gerne die Kommunikation mitgehört, die zuvor zur Koordination via Infraschall stattgefunden haben muss.

Mein Anspruch ist es, mehr als bloß eine Ahnung von der Welt der Tiere zu bekommen. Daher verwenden wir Mikrofone, die den Infraschall aufnehmen können. Es gibt aber auch Methoden, um Schall sichtbar zu machen und auf diese Weise tiefer in die Welten der Tierlautproduktion vordringen zu können.

Ich bin dankbar dafür, dass es in den vergangenen zwanzig Jahren, in denen ich forsche, diese rasanten Fortschritte gab. Wie sonst kämen wir Lauten auf die Schliche, die wir weder aus anatomischen Gegebenheiten noch aus dem Verhaltensrepertoire von Tieren ableiten können – und auch gar nicht hören?

Fledermäuse zum Beispiel senden Klicklaute im Ultraschallbereich aus. Ansatzweise können wir diese bei einzelnen Fledermaus oder Flug hundarten wahrnehmen. Aber wenn die Tiere bei 100 Kilohertz vokalisieren, ist es unmöglich für uns zu hören. Fledermäuse können sich mit ihren Rufen so famos im Dunklen orientieren, dass sie selbst bei hoher Geschwindigkeit nicht mit Bäumen oder Gegenständen kollidieren.

Kommunikation ist ein essenzieller Bestandteil des Verhaltens, nicht nur bei uns menschlichen Tieren, sondern auch bei den anderen, von der Maus bis zum Elefanten. Akustische Signale spielen in so gut wie jedem Lebensbereich eine Rolle: Wenn es darum geht, einen Partner zu finden und sich fortzupflanzen; bei der Aufzucht der Jungen; bei der Orientierung im Raum; bei der Jagd bzw. beim Vermeiden, selbst gejagt zu werden; und selbstverständlich in allen Bereichen des sozialen Lebens. Das trifft auf uns Menschen zu, genauso wie auf die meisten anderen Wirbeltiere.

In Anbetracht dessen verwundert es, wie wenig wir bisher tatsächlich über die Sprachen der Tiere wissen. So wussten wir bis vor kurzem nicht, dass Mäuseriche versuchen, ihre Weibchen mit einem Gesang anzulocken. Und wir wussten auch nicht, wie Elefanten ihre tieffrequenten Laute erzeugen. Erst kürzlich haben wir einen neuen Giraffenlaut „entdeckt“, dessen Funktion wir aber noch nicht verstehen.

Wir Menschen waren auf dem Mond, wir bekommen Tonaufnahmen vom Mars, aber wir kennen die Bandbreite der Kommunikation von Lebewesen auf dieser Erde noch nicht – von einer „Entschlüsselung der Tiersprachen“ ganz zu schweigen. Gleichzeitig wird es immer lauter, wir erzeugen Schall und Lärm, ohne zu wissen, ohne zu bedenken, wie das die Lebewesen auf dieser Erde beeinflusst oder gar schädigt. Wenn wir unsere Artenvielfalt und Biodiversität erhalten wollen, müssen wir verstehen, was Tiere brauchen, um zu überleben, in allen Bereichen ihres Lebens. Wir brauchen dieses Wissen, damit wir Menschen uns gezielt anpassen können. Denn wir können nicht erwarten, dass Tiere sich uneingeschränkt uns und unseren Eingriffen in ihren Lebensraum anpassen.

Wir müssen uns bewusst machen, dass unsere Wahrnehmung nicht die einzige ist. Wenn wir uns einlassen auf die Welt der Tiere und auch auf ihre Kommunikation, könnten wir hoffentlich eines Tages unseren Blick auf unsere tierischen Artgenossen für immer verändern und sie respektieren. Der Laut eines Schweines in Panik hat die gleichen akustischen Merkmale wie der eines panischen Menschen. Die Mutterkuh ruft verzweifelt nach ihrem Kalb, wenn sie getrennt werden, manchmal stundenlang. Je mehr Menschen besser über das Leben der Tiere Bescheid wissen, desto eher sind sie vermutlich bereit zu erkennen, dass wir auf dieser Welt vielleicht doch nicht alles tun und lassen sollten, wie es uns passt.

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