Todesstoß für den FMT?: Kommen Sie
Das Interesse der Medien war groß an dieser Pressekonferenz des FrauenMediaTurm im Heine-Institut. Rund 30 JournalistInnen von Presseagenturen, Print, Funk und Fernsehen befragten anderthalb Stunden lang Alice Schwarzer (Gründerin und Vorstandsvorsitzende der gemeinnützigen Stiftung), Barbara Schneider-Kempf (Vorstandsmitglied und Generaldirektorin der Staatsbibliothek Berlin) und Friedrich Bode (bis 2010 Ansprechpartner des FMT im NRW-Wissenschaftsministerium) zu der dramatischen Kürzung der Förderung des feministischen Archivs in Köln. Doch die brisanteste Information dieses Tages wurde nur in dem FAZ- bzw. WDR-Kommentar eines Kollegen erwähnt.
Im gleichen Jahr, 2011, in dem die „Emanzipationsministerin“ Barbara Steffens im März rückwirkend zum 1.1.2011 ihren Förderungsanteil über 70.000 € für den FMT ersatzlos strich, im gleichen Jahr ließ die Ministerin 7 Millionen, die im NRW-Haushalt für Frauenprojekte bereit standen, verfallen, rief sie nicht ab. Gleichzeitig aber begründete Steffens die FMT-Streichung mit der „Haushaltssituation“. 70.000 €, das ist ein Hundertstel von 7.000.000 €. Am fehlenden Geld also kann es nicht gelegen haben. Was also sind die wahren Motive der grünen Ministerin?
Er habe das in 25 Jahren Dienstzeit noch nie erlebt, dass eine Förderung rückwirkend gestrichen werde, erklärte Friedrich Bode, der als Ministerialrat des Wissenschaftsministeriums den Datenverbund von FMT und Hochschulbibliothekszentrum NRW begleitet hatte. "Üblicherweise wird in so einem Fall auf eine Institution zugegangen und nach einer Lösung gesucht. Schließlich sind die Gehälter, Miete etc. ja schon geflossen."
Überhaupt wunderte der erfahrene NRW-Kulturbeamte sich über Steffens „Verhältnis zur Wahrheit“. Die hatte auf eine Kleine Anfrage im Mai 2011 dem Parlament mitteilen lassen, die Streichung der FMT-Förderung sei haushaltsbedingt.
Außerdem sei der FrauenMediaTurm ja nur an einem Tag in der Woche für die NutzerInnen zugänglich. Diese – kurzfristige – Reduzierung der Öffnungszeiten jedoch war die Folge der Mittelstreichung durch Steffens, konnte also kaum der Grund gewesen sein. Denn der FMT hatte im April umgehend eine von drei Mitarbeiterinnen entlassen müssen. Kommentar Bode: „Über Unwahrheiten gegenüber dem Parlament sind schon Minister gestürzt.“
Absurde Züge nimmt die Debatte um die Öffnungszeiten des FrauenMediaTurm z.B. auf sueddeutsche.de an. Da beklagt die Kommentatorin, dass der FMT „Interessierten lediglich von Montag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr offen (steht), und das nur mit Voranmeldung. Am Wochenende ist die Nutzung zur Recherche völlig unmöglich.“ – Die Journalistin hält das Archiv und Dokumentationszentrum anscheinend für ein Museum, in dem Dutzende von Angestellten tätig sind.
Dennoch kann den „Interessierten“ geholfen werden: Die Webseite www.frauenmediaturm.de ist Tag und Nacht zugänglich und reich an Informationen und Dokumenten. Ebenso der online-stehende Verbundkatalog des Hochschulbibliothekszentrums, in dessen Bestand die permanent aktualisierte Datenbank des FMT seit 2008 integriert ist. Darüber ist auch die Fernleihe möglich. Tag und Nacht.
Barbara Schneider-Kempf, die Generaldirektorin der ehrwürdigen Berliner Staatsbibliothek, die im letzten Jahr ihr 350-jähriges Bestehen feierte, wies auf die Notwendigkeit spezialisierter Facharchive hin, die eine Ergänzung zu universalen Bibliotheken seien.
Gerade auch die feministischen Archive würden Dokumente sichern, die vom Vergessen bedroht sind, erklärte sie und betonte: In dem Reigen der zahlreichen Frauenarchive und -bibliotheken im deutschsprachigen Raum hätte der Kölner FrauenMediaTurm aufgrund seiner umfassenden Sammlung und modernen Erschließung eine herausragende Sonderstellung, mit der nur das Kasseler „Archiv zur Geschichte der Frauenbewegung“ vergleichbar sei. Dies aber sei eine historische Sammlung, im FMT jedoch stehe die Aktualität neben der Historie im Mittelpunkt.
Übrigens: Die schwarzgelbe Regierung in Hessen erhöhte gerade die Förderung des Kasseler Archivs von 160.000 € auf 202.000 € im Jahr – während die rotgrüne Regierung in NRW im gleichen Jahr die Förderung von 210.000 € auf 70.000 € kürzte.
Alice Schwarzer stellte, auf Nachfrage, einige Klischees klar. Nein, die EMMA-Redaktion ist nicht seit 1994 im Turm, sie hat 2003 eine von fünf Etagen gemietet und zahlt für 48 qm genau 6.812 € Miete im Jahr an die gemeinnützge Stiftung FMT (fast die Hälfte vom gesamten Pachtzins). Nein, sie hat kein Himmelbett im Turm stehen, sondern einen Schreibtisch etc. etc.
Und sie erinnerte daran, warum Feministinnen wie sie ab den 1980er Jahren begannen, Archive zu gründen: Weil sie entdeckten, dass sie nicht die Ersten waren, sondern bedeutende Vorgängerinnen hatten, von denen sie hätten lernen können, ja müssen. Deren Spuren aber waren verschüttet, zum Teil sogar vernichtet. Schwarzer: „Frauen sind nicht geschichtslos, sie werden geschichtslos gemacht. Doch nur wer eine Geschichte hat, hat auch eine Zukunft.“
Wie schon in den Tagen davor ist auch nach der Pressekonferenz viel über den Konflikt des FrauenMediaTurm mit der NRW-Regierung geschrieben und gesendet worden. Das meiste zielt auf Personalisierung (Schwarzer) und Skandalisierung (Frauenzoff). Niemand allerdings zielte so unter die Gürtellinie wie WDR-Moderator Thomas Bug auf der offiziellen Webseite des WDR.
Ministerpräsidentin Kraft hält sich noch bedeckt. Auch wenn sie auf sechs zunehmend dringlicher werdende Briefe von Alice Schwarzer, zwischen März und November 2011, nicht einmal antwortete.
Dennoch hat die FMT-Gründerin jetzt wieder die Initiative ergriffen: Sie hat am Tag nach der Pressekonferenz die Ministerpräsidentin und ihre drei Ministerinnen erneut eingeladen, sich den so stolzen FrauenMediaTurm am Rhein doch endlich einmal selber anzusehen.
Bisher waren waren die rotgrünen Politikerinnen nämlich noch nie in dem Archiv – im Gegensatz zu zahlreichen Spitzenpolitikerinnen aller Parteien von Bund und Land. Denn noch hat der FrauenMediaTurm die Hoffnung, dass das alles nicht Absicht, sondern vielleicht ein Missverständnis ist – und dass gerade eine rotgrüne „Frauenregierung“ dieses weit über Deutschlands Grenzen hinaus bekannte und gerühmte Frauenarchiv nicht zu Tode kürzen wird.
EMMAonline, 1.2.2012
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