Total bedient

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In meiner neuen Umgebung fiel mir zuerst auf, dass ich niemandem mehr auffiel. Es passierte gleich am zweiten Tag: Ich schlenkerte mein Staubschwert auf dem Gang, bereit, jedes, aber auch wirklich jedes vergessene Staubkorn persönlich zu erwischen, und fühlte mich ein bisschen wie eine Comic-Heldin auf der Jagd nach dem fiesen Gangster.

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Aus einem der Zimmer trat ein Mann, Mitte dreißig, hellgrauer Anzug, Black-Berry einsatzbereit, und machte sich auf den Weg in Richtung Fahrstuhl. Ich grüßte ihn und hätte ihn sicher gleich wieder vergessen, wenn nicht etwas Seltsames geschehen wäre. Er musste meinen Gruß gehört haben, denn er schaute mich direkt an. Er starrte förmlich in mein Gesicht, aber er sah dort offenbar nichts, denn aus seinem Mund kam kein Gruß zurück. Er murmelte nicht einmal etwas, was man mit viel gutem Willen noch als Gruß hätte interpretieren können. Er nickte mir auch nicht zu.

Es war, als sei ich gar nicht da. Es war, als sei meine Kleidung ein Tarnanzug, durch nichts zu unterscheiden von dem Muster der Tapeten und Teppiche. Es war das erste Mal, dass mir jemand so direkt gegenüberstand und mich trotzdem nicht sah. Der Mann war mir ja fast in die Arme gelaufen. Ich war neu und hatte mir vorgenommen, jeden laut und deutlich und freundlich zu grüßen. Kurz war ich versucht, dem Gast hinterherzulaufen, ihn zu fragen, warum er nicht grüßt. Etwas verloren blieb ich im Flur zurück, meine Lanze im Kampf gegen den Missetäter verwandelte sich zurück in das, was sie war: ein stoffbespannter Stiel zum Staubwischen.

Der zweite Nichtgrüßer begegnete mir schon eine halbe Stunde später. Und es kam noch ein dritter, ein vierter und ein fünfter hinzu, danach hörte ich auf zu zählen. Ich fragte meine Kollegin Nadine, wie sie es mit den Nichtgrüßern hält. „Ach“, sagte sie, „vergiss die. Wenn du putzt, wirst du halt nicht gegrüßt. So ticken die.“ – „Aber warum? Die sehen uns doch.“ – „Natürlich sehen die uns. Aber wer uns nicht mehr zu sehen braucht, der hat’s geschafft.“ Zum ersten Mal, seit ich im Hotel arbeitete, empfand ich ein Gefühl für Oben und Unten. Die Gäste hier waren so weit oben, dass sie uns da unten gar nicht mehr sahen. Wir waren im toten Winkel.

Auch die Hotelangestellten – also eigentlich meine Kollegen – waren vom Virus des Nichtgrüßens befallen. Sie mussten sich bei den Gästen irgendwie angesteckt haben. Der hauseigene Zimmerservice rang sich meist noch ein Hallo ab. Aber wer zur Rezeption oder gar zum Marketing gehörte, ignorierte es vollständig. Die Angestellten in Nobelhotels fühlen sich irgendwann selbst nobel.

Am schlimmsten sind die Concierges. Es steigt ihnen zu Kopf, dass sie so viel Macht haben und Dinge über die Gäste wissen, die sonst niemand wissen darf. Sie besorgen den Prominenten die Friseurtermine, organisieren Karten für ausverkaufte Opernvorführungen, wissen, wo man einen guten Tisch zum Abendessen bekommen kann und was die Prostituierten pro Stunde kosten.

In der Sterneskala war ich ganz oben angekommen. Ich arbeitete in einem der teuersten Hotels der Hauptstadt, mitten im Zentrum Berlins, die Nacht kostete 300 Euro und mehr. Hier übernachteten Menschen, die in einem Jahr so viel Geld verdienten wie ich vielleicht im ganzen Leben nicht. Ich wischte täglich über Marmor und streichelte Seide. Ich war umgeben von goldenen Bilderrahmen mit echten Kunstwerken und von teuren Teppichen, die nur in eine Richtung gesaugt werden durften.

Gleichzeitig war ich im Kastenwesen der Nobelhotellerie in der untersten Kaste angekommen. Ich war für alle irgend so eine „Fremdputze“. So sprach man über uns, wenn man glaubte, wir hörten es nicht. Selbst die Praktikanten des Hotels, die für kein oder fast kein Geld monatelang schufteten, wollten mit uns nicht mal eine Zigarette rauchen gehen.
Sieben oder acht Zimmermädchen unserer Firma arbeiteten pro Etage. Sie kamen aus China, Polen und aus kleinen, ehemals sowjetischen Teilrepubliken, deren Namen ich mir nie merken konnte. Es waren zwei darunter, die sich mit 55 krumm schufteten, alle anderen waren deutlich jünger.

Es gab Analphabetinnen, die es nicht schafften, die Fernsehzeitung auf das richtige Datum zu blättern. Frau Gabriel erklärte mir, dass man sie nie zu zweit zum Putzen einteilen durfte – dann würden sie zu viele Schwätzchen halten statt Toiletten zu wischen. „Bei Valentina musst du aufpassen“, riet sie mir. „Die macht ein Zimmer in zwanzig Minuten.“

Niemand schafft es normalerweise, ein 25-Quadratmeter-Zimmer in 20 Minuten von allen Haaren, Papieren, Essensresten, versteckten Krümeln und offensichtlichen Sauereien zu befreien, die brettharten Laken neu aufzuziehen und jeden, wirklich jeden Wasserfleck im Bad zu entfernen.

Ich wusste natürlich, wie Valentina zu diesem Rekord getrieben wurde: Für ein Zimmer zahlte ihr die Fremdfirma 2,51 Euro. Valentina, die drei Zimmer – und niemand wusste genau, wie – in einer Stunde schaffte, verdiente so rund sieben Euro fünfzig brutto.

Als Assistentin der Hausdame kontrollierte ich die Arbeit der Zimmermädchen und verlieh den Zimmern den letzten Schliff, war also dafür zuständig, dass das Zimmer so perfekt aussah, als habe noch nie zuvor jemand einen Fuß über die Schwelle gesetzt. Mein Zimmercheck begann meist im Badezimmer: Ist das erste Blatt des Toilettenpapiers auch exakt gefaltet? Sind die Zahnputzgläser richtig poliert? Ist die Toilette auch unter den Rändern sauber? Sind die Handtücher so aufgehängt, dass der Gast die geschlossene Seite sieht und nicht die offene, wenn er aus der Dusche steigt? Stehen Duschgel, Shampoo, Seife, Nagelfeilen- und Duschhaubenschachtel so, wie sie sollen, um einen Waschlappen herum? Sind nirgendwo Wasserflecken im Bad?

Hängen im Schrank auch wirklich 20 Kleiderbügel? Und davon zehn nach links und zehn nach rechts? Liegen die beiden Bademäntel exakt auf Kante? Liegt die Wäscheliste parallel zum Einlegeboden? Und ist nirgendwo Staub? Das vor allem nicht: Staub! Steht der Fernseher auf Standby? Liegt die Mappe mit Briefpapier und Briefumschlägen parallel zum Schreibtisch? Und ebenso parallel der Stift? Zeigt der Aufdruck des Kugelschreibers wirklich nach oben? Haben Mappe und Stift den gleichen Abstand zur Tischkante? Liegen die sechs verschiedenen Zeitschriften exakt als Fächer auf dem Lounge-Tisch? Sind die Falten, die die Vorhänge werfen, alle gleich groß? Schlägt die Tagesdecke keine Falten? Vor allem: Steht der Schreibtischstuhl exakt im 45-Grad-Winkel zur Eingangstür? Das musste sein, damit der Gast das Gefühl bekam, dass er sich gleich hinsetzen konnte.

In anderen Häusern brauchte ich für einen Zimmer-Check oft nur zehn Minuten, hier dauerte er nicht selten eine halbe Stunde. Wenn das Zimmer für einen VIP gebucht war, einen Geschäftsmann von großer Wichtigkeit, eine Schauspielerin oder einen Fernsehmoderator, verbrachte ich manchmal sogar mehr als eine Stunde auf allen vieren, um auch das letzte Staubkorn noch zu erwischen. Ich wusste ja, dass die VIP-Zimmer noch einmal nachkontrolliert werden.

Was mich in den Zimmern, aus denen gerade erst die Gäste abgereist waren, überraschte, waren die Einkaufstüten. Unmengen von Einkaufstüten und Schachteln, die die weiblichen Gäste mitgebracht hatten und quer in den Zimmern verteilten: leere Tüten und Schachteln von Hermès, Gucci, Prada, Escada – die ganze Sex-and-the-City-Palette, achtlos durchs Zimmer geworfene Überreste ihrer Beutezüge durch die Boutiquen.

Hat mal jemand untersucht, wie hoch die Quote der arbeitenden Ehefrauen bei den fünf Prozent der reichsten Leute der Welt ist? Allzu hoch kann sie nicht sein. Zumindest sahen die mitreisenden Frauen nicht so aus, als müssten sie mit ihren perfekten Fingernägeln in die Tasten hauen oder auch nur mal zu Edeka gehen.

Wie muss es wohl sein, wenn man ein Kleid für ein paar tausend Euro kauft, und zu dem Kleid ein zweites und ein drittes noch am selben Tag, und am Ende des Tages stopft man diese Kleider in einen Koffer, vergisst womöglich, wo man welches gekauft hat, vergisst es vielleicht bald im Kleiderschrank oder auch unter einem Hotelbett (das kam vor), weil man so viele hat und sich ständig neue kauft. Ob man sich dann überhaupt noch freuen kann?

Nach ungefähr drei Wochen hatte ich mich an die Dildos gewöhnt. Mein erster, ich fand ihn schon nach ein paar Tagen, war ein dunkelblauer Delfin und steckte in der Ritze zwischen den Matratzen. Nadine machte sich lustig über mich, weil ich das Teil auf keinen Fall anfassen wollte. Dass Hotelgäste Prostituierte mitbringen, sie aufs Zimmer bestellen oder direkt am Empfang ordern, ist in den meisten Hotels der gehobenen Klasse Standard. Selbst im Central gingen die Nutten ein und aus.

Oft blieben benutzte Kondome herrenlos im Zimmer zurück. Sie fanden aus irgendeinem Grund nur sehr selten den Weg in die Mülleimer, sondern blieben neben den Betten oder unter der Decke liegen. Offenbar gab es Gäste, die sich an dem Gedanken erfreuten, dass im Hotel jemand kommt und die Kondome, die Dildos, das Gleitgel und die Handschellen wegräumen muss. Ich versuchte mir vorzustellen, worin der Reiz besteht, erst mit derlei Utensilien um sich zu werfen, danach zum Frühstück zu gehen und genau zu wissen, dass die, die da gerade mit einem Berg Handtücher im Arm über den Gang hastet, gleich das zweifelhafte Vergnügen haben wird, die nächtlichen Ergüsse wegzuputzen.

Es gibt in allzu ekligen Fällen auch ein Gegenmittel. Ich nenne es „Die Rache der Zimmermädchen“. Wer es übertreibt mit den Schweinereien im Zimmer, der sollte, nur so als Tipp, unbedingt seine Zahnbürste wegräumen, bevor geputzt wird. Sonst kann es sein, dass die Toilette mit einer Bürste gereinigt wird, die dafür viel zu klein ist. Das ist die Höchststrafe. Eine mildere Strafe besteht darin, den Fernseher, der im Hotel auch als Wecker dient, auf vier Uhr nachts zu programmieren.

Meine Freundin Katja arbeitete zur gleichen Zeit in einem anderen Nobel-Hotel. Da hatte sie mit einer Gruppe Basketballprofis zu tun, die sich für ein dreiwöchiges Trainingslager in ihrem Hotel einquartierten. Die Mannschaft nahm mit Trainern, Masseuren, Physiotherapeuten und Ärzten eine halbe Etage ein – die sie ohne Scham innerhalb weniger Tage in eine Art Bordell verwandelten. Die Prostituierten spazierten von einem Zimmer zum nächsten. „Wenn sie nicht sowieso alle zusammen auf einem Haufen herumliegen.“ Katja verdrehte die Augen. Die Spieler fragten mehrfach, ob Katja und ihre Kolleginnen nicht mitmachen wollten. Die lehnten jedes Mal dankend ab, mussten aber bald die Handtücher auch dann auswechseln, wenn im Bett noch gevögelt wurde. Sie wären sonst mit ihrer Arbeit nie fertig geworden.

Eine Kollegin, die an der Rezeption arbeitete, hätte wirklich mal schnell viel Geld verdienen können. Sie stand bei uns im Housekeeping-Büro und hatte eine neue VIP-Liste dabei. „Da hat eine ganze Delegation eingecheckt, alles wichtige Leute, Botschaftsmitarbeiter, alle piekfein und gepflegt“, erzählte sie. „Und dann kommt gestern der eine Typ um kurz nach Mitternacht noch mal runter und fragt mich, ob ich nicht mit hochkommen will: ‚I give you three thousand Euros.‘ – Ich: ‚Sorry, but I am not a professional. I work here.‘ – Er: ‚That’s what I want.‘ Der Typwollte keine Nutte, der wollte ein ganz normales Mädel. Dann hat er mir fünftausend geboten, und ganz ehrlich: Der war nicht mal hässlich oder ekelig.“ So ganz ging es ihr nicht mehr aus dem Kopf: „Ab wann ist man käuflich? Da fängste doch an zu überlegen.“

Es war in einer meiner ersten Wochen im „Royal“, als ich durch die Etagen ging, um in den Bleiberzimmern zu überprüfen, bei wem die Mädchen putzen konnten. Ich vollführte an jeder Tür mein übliches Ritual. Aus Zimmer 300 kam schon nach dem ersten Klopfen ein entspanntes „Ja, kommen Sie rein.“ Ich trat ein, um schon mal die Handtuchlage zu checken und zu gucken, ob dem Gast etwas fehlte. Ein bärtiger Dicker saß splitterfasernackt auf dem Schreibtischstuhl und tippte, ohne eine Miene zu verziehen, auf seinem Laptop.

Der Mann war ungewöhnlich dick, ein wahrer Koloss, der zwei Meter Abstand zum Tisch halten musste, um seinen Wanst noch vor die Tischplatte zu bekommen. Er musste richtig lange Arme machen, um an sein MacBook zu kommen, und sein Bauchfett lag in Falten auf seinen Knien. Er saß auf einem gelben Handtuch, das definitiv nicht aus dem Royal stammte. Er musste es von zu Hause mitgebracht haben. Ich blieb stehen. Der Mann arbeitete und beachtete mich nicht. „Möchten Sie Service?“, hörte ich mich fragen. Ich spulte einfach mein normales Programm herunter. „Nein, danke, ist alles in Ordnung“, sagte er nur. Er drehte sich nicht einmal zu mir um und tippte einfach weiter. Ich schnappte mir schnell die „Bitte nicht stören“-Karte und verschwand aus dem Zimmer. Die Karte hängte ich draußen an die Tür. Diesen Anblick wollte ich jeder anderen ersparen.

Besonders heikel war der Turn-Down-Service am frühen Abend, wenn die Betten zum Schlafengehen hergerichtet werden, die Tagesdecke verschwindet und die kleinen Fußmatten vor die Betten kommen. Nicht selten sind die Gäste dann im Zimmer, machen sich fertig für das Abendessen oder entspannen vom Arbeitsoder Einkaufstag. Ein direkter Kontakt ist also oft nicht zu vermeiden.
Der Anteil der allein reisenden männlichen Gäste, die uns dabei halbnackt begegneten, war ziemlich hoch. Es war auffallend, wie oft vor allem Männer am frühen Abend unter der Dusche standen. Im Royal begegneten mir ständig welche, die nur ein kleines Handtuch um die Hüfte geschlungen hatten.

„Möchten Sie nicht noch einen Moment bleiben?“ Mich traf fast der Schlag, als der Typ mir diese Frage stellte. Ein untersetzter Mittvierziger mit lichtem Haarkranz – ein Mann, dem man, träfe man ihn bekleidet im Fahrstuhl, nichts Böses zutrauen würde. Er stand im Bademantel vor mir, aber er hantierte mit der Kordel herum, sodass es nur noch eine Frage von Sekunden war, bis das Frotteestück sich öffnen würde. Ich dachte an den Nackten im „Central“ und trat sofort den Rückzug an, auch wenn ich die Tagesdecke noch gar nicht ordentlich in den Schrank gelegt hatte.

Sehr beliebt war auch die Frage, welcher Service denn im Turn-Down-Service noch enthalten sei. „Was können Sie mir denn noch so bieten?“ Alles immer mit einem Lächeln vorgetragen. Ich tat stets, als hätte ich die Frage gar nicht gehört. Und war bald beim Tagesdeckeweglegen ein Wunder an Schnelligkeit. Heute frage ich mich, warum ich diesen Mist so einfach erduldet habe. Warum kam ich gar nicht mehr auf die Idee, die Nackten unten an der Rezeption zu melden, auf dass sie nie wieder nackt eine Tür öffnen und eine Frau mit schmierigen Angeboten zum Bleiben aufforderten? Ich glaube, ich tat es nicht, weil ich irgendwann tatsächlich geglaubt habe, das sei normal.

Der Room-Service hatte in dieser Hinsicht noch weniger Spaß als wir. Ich weiß, dass manche weiblichen Angestellten sich weigern, nach Einbruch der Dunkelheit noch etwas in die Zimmer zu bringen. Ein männlicher Gast, der nachts um halb drei einen Tee bestellt, hat ja keinen blassen Schimmer, was er damit beim Zimmerservice für ein Unwohlsein verursacht. Es gibt zwar ein Gäste-Warn-System, ein Notizsystem im Hotelcomputer, in dem vermerkt wird, wenn ein Gast eincheckt, der schon einmal Frauen belästigt hat. Es ist aber nicht einfach, einen solchen Eintrag zu bekommen. Nur mal nackt die Tür geöffnet zu haben reicht dafür jedenfalls nicht aus.

Das Erregungspotenzial, das von unserem Berufsstand ausgeht, scheint enorm zu sein. Wer das nicht glaubt, der gebe bitte mal „Zimmermädchen“ bei der Google-Bildersuche ein. Was man da zu sehen bekommt, hat mit dem Alltag von Zimmermädchen nichts zu tun. Ich wüsste nicht, in welchem Hotel jemand so kurze Röckchen und geschnürte Mieder als Berufsbekleidung trägt. Wie viele Pornos von Zimmermädchen handeln, will ich gar nicht erst wissen.

Wir sind die ideale Projektionsfläche für Phantasien aller Art: Frauen, die immer zu Diensten sind, ohne jeden Widerspruch. Wir erfüllen ja auch sonst jeden Wunsch. Und: je jünger die Frau und je niedriger ihr Status, umso derber die Anmache. Doch ich muss all jenen Männern mit Zimmermädchenphantasien eine Illusion rauben: Niemand träumt von euch. Niemand! Ich habe Hunderte von Frauengesprächen im Hotel miterlebt, und es ging um alles, aber es ging nie um einen Gast, zu dem man sich gerne mal ins Bett gelegt hätte.

Die Chance, ein Zimmermädchen zum Sex überreden zu können, ist nicht größer als die, eine wildfremde Frau auf der Straße zum Sex zu überreden. Nur dass es sich die Männer auf der Straße nicht trauen. Im Hotel zeigt sich die Fratze der Männlichkeit, und in der gehobenen Hotellerie zeigt sie sich am deutlichsten. In den meisten Hotels drohen dem Gast keinerlei Konsequenzen. Er weiß, dass die Frauen, die er da belabert oder belästigt, nichts sagen werden. Nichts sagen dürfen. Würden sie einschreiten, könnte ihnen passieren, was sie am meisten fürchten: Sie könnten einen gut zahlenden Kunden verlieren.

Der Text ist ein gekürzter Auszug aus dem Buch von Anna K.: „Total bedient – ein Zimmermädchen erzählt“ (Hoffmann & Campe).

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