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Tradwives: Es lebe die Hausfrau?

XMalischka in der heimischen Küche. Foto: XMalischka/Instagram
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Hauptsache, er ist glücklich.“ „Ich mache mich so gern hübsch für meinen Mann.“ „Alles für meinen Prinzen.“ – So titeln die Videos, die die Deutsche „XMalischka“ auf TikTok und Instagram veröffentlicht: Wie sie die gemeinsame Wohnung auf Mallorca wienert, asiatische Gemüserollen kocht, Pfannkuchen zuckert, gebackene Blinis mit Blattgold serviert und achtsam einkaufen geht. Oder wie sie sich für ihren Mann Georg, genannt ‚Giorgio‘, schminkt, die Haare stylt, die Nägel designt. In aufreizenden Kleidern und in der immer gleichen Wohlfühl-Attitüde. Denn: „Sie wissen ja, eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen? Und: Was soll ich kochen?“ 

Entsprechend ist der Alltag der Lifestyle-Influencerin strukturiert. Malischka: „Zuerst mach ich mich hübsch für ihn und räume die Wohnung auf. Dann ist meistens auch schon Mittagszeit, also bereite ich ihm das Mittagessen zu und überleg mir noch, was ich für ihn backen kann.“ Und ihr Giorgio mag es, wenn die Köstlichkeiten auch hübsch angerichtet sind. „Mein Mann hat da einfach gewisse Ansprüche“, flötet Malischka und presst den Reis in eine Herzchenform.  Stress gibt es in Malischkas Welt nicht. 

Was könnte es also Schöneres geben, als ein Tradwife zu sein? Das dürften zumindest die rund 30.000 Frauen glauben, die „XMalischka“ auf Insta­gram folgen. Jenseits von Instagram heißt „XMalischka“ Carolina Tolstik, ist 27 Jahre alt, kommt aus Dortmund und hat ukrainische Wurzeln. Früher unterrichtete sie Deutsch und Sport an einer Brennpunktschule in Nordrhein-West­falen. Dann kam Corona. Sie zog mit ihrem Freund nach Mallorca und postete seither aus ihrem Leben als treuherziges „Stay-at-home-Girlfriend“. Wie gewinnbringend das ist, verrät sie nicht. Nur nebenbei: Mit Prinz Giorgio betreibt sie eine Agentur für virales Marketing. Das Geschäftsmodell: Produktplatzierungen. Aber ums Geld geht es den Tradwives ja nie. Haus­frauenehrenwort. Geldverdienen, das ist doch Männersache. 

Tolstiks Vorbild – bzw. Geschäftsmodell – dürfte Hannah Neeleman sein, die auf Instagram unter „@ballerinafarm“ zur Urmutter der Trad­wives avanciert ist. Bei Neeleman, einer ehema­ligen Ballerina, die ihre Karriere für ihren Mann aufgegeben hat, geht es um mehr als Geld (davon hat die Familie genug, ihr Mann ist milliardenschwerer Erbe einer Fluglinie). Ihr geht es auch ums Missionieren. 

Hannah Neeleman ist glühende Mormonin und Mutter von acht Kindern. Die Mormonen pflegen ein Frauenbild aus dem 19. Jahrhundert und sind selbstverständlich auch gegen das Recht auf Abtreibung. Auf ihrer Farm in Utah spielt Hannah „Unsere Kleine Farm“. Sie trägt Blumenkleider, stets ein Kind auf dem Arm, das hohe Gras der Wiese weht ihr um die Knie, die Kühe muhen. Oder sie stampft Butter im Butterstampfer, steht in der Holzhausküche vor ihrem selbst angesetzten Sauer­teig, backt Brot, haut ein rohes Ei in ihren Protein-Shake und spricht sich nebenbei auch schon mal gegen Abtreibung und für Gottesfurcht aus. Ende vom Lied: Zehn Millionen Follower. 

Doch auch mit weniger Reichweite lässt sich Geld verdienen. 

Tradwives mit mehr als 20.000 Followerinnen kassieren gern mal um die 3.000 Euro – pro Post. Von Mode- und Kosmetikfirmen, je nachdem, welches Produkt nonchalant in die Welt des Haushalts eingebaut wird. Ab 100.000 Followern können es schon mal 20.000 Euro sein, die fließen. 

Noch dazu lieben die Medien das Thema. Ein neuer Trend ist geboren! Und in der Tat scheinen sich nicht wenige der Followerinnen zu fragen: „Vielleicht war die stressige Emanzipation ja ein Fehler?“

2020 startete der Trend in den US-Medien durch, schwappte über nach Europa.

Frauen, die aussahen wie der Serie „Desperate Housewives“ entsprungen, begannen, auf Instagram und Tiktok zu kochen, backen, nähen und ihr Hausfrauendasein als den neuen Frauen-Traum zu verkaufen. 

Wie bei den allermeisten InfluencerInnen reicht es nicht, sich selbst zu vermarkten, sondern es geht vor allem um Emotionen, Lebensgefühl und eine Botschaft fürs Leben.

Und weil sich viele Menschen in unserer schnelllebigen und unsicheren Welt nach einer konservativen Wende sehnen, kommen die traditionellen Geschlechterrollen, deren Nachteile in Vergessenheit geraten, gerade recht. Nichts ist so unumstößlich wie das Patriarchat.

Tradwives betonen neben der Glorifizierung der Kindererziehung und Hausarbeit stets das „Sich-Aufgehoben-Fühlen“ sowie das Bedürfnis, sich einem starken Mann unterzuordnen. Und wenn der mal „durchgreift“, dann finden sie das sogar sexy. Stil: Ich liebe es, wenn er mir zeigt, wo es langgeht. Egal in welchem Zimmer. Zwinker-Zwinker.

Auch in Deutschland ist an der Sehnsucht nach der guten alten Hausfrauenrolle durchaus was dran. Laut der Shell-Jugendstudie 2024 wünscht sich knapp jedeR zweiteR JugendlicheR, Mädchen wie Jungen (49 Prozent) zwischen 12 und 25 Jahren eine eher „traditionelle Arbeitsteilung“ mit einem Mann als Allein- oder Hauptverdiener. Echt, liebe LeserInnen: Jede zweite eurer Töchter und Enkeltöchter!

Auf die Frage „Wie viele Stunden würdest du am liebsten durchschnittlich pro Woche arbeiten?“ – womit die entlohnte Berufsarbeit gemeint ist, nicht die Gratis-Familien­arbeit –, antworten 40 Prozent der jungen Männer: 40 Stunden, also Vollzeit. Aber nur 6 Prozent der jungen Frauen wollen Vollzeit berufstätig sein. Ähnliches bei der Teilzeit. Etwa 20 Stunden wöchentlich wollen 13 Prozent der Männer im Beruf, aber 43 Prozent der Frauen. „Ich will gar nicht berufstätig sein“, das sagt kein Mann, sagen aber 8 Prozent der Frauen. Dazu passt, dass nur 6 Prozent der jungen Männer möchten, dass „ihre Partnerin voll berufstätig ist“. Aber 37 Prozent der jungen Frauen wollen einen voll arbeitenden Mann. Und 12 Prozent der Männer möchten, dass die Frau gar nicht arbeiten geht – ­allerdings umgekehrt nicht eine einzige Frau.

Jede zweite junge Frau zwischen 15 und 25 richtet sich also auf eine traditionelle Zukunft ein. Das Ideal – eine-30-Stunden-Woche für ­Männer und Frauen, solange die Kinder klein und schulpflichtig sind – kommt kaum vor. 

Noch zu oft sind die Väter eben nicht mittendrin, sondern nur dabei. Noch immer liegt die Hauptlast der Familienarbeit bei den Frauen. Und viele sind der pornografisierten Außenwelt so überdrüssig, dass sie sich in die „heile“ Innenwelt flüchten wollen.  

Während die eingeschlossenen Frauen in Afghanistan nicht mal mehr am Fenster stehen dürfen – ein Mann könnte sie sehen, Iranerinnen jeden Tag ihr Leben für ihre Freiheit und gegen die Zwangsverschleierung riskieren, die Frauenmorde – auch in Deutschland – einen traurigen Höhepunkt erreichen, wirken die Tradwives wie der blanke Hohn, ja wie Verrat – und zwar an allen Frauen und unseren Errungenschaften. Mit ihrem gefakten Fifties-Gedöns verhindern sie das Aufbegehren gegen die realen Verhältnisse. Weil: Keine Zeit – der Joghurt muss noch angesetzt werden. Die Mehrheit der Frauen scheitert tagtäglich an der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, weil Kitaplätze, so notwendig sie auch sind, eben nur einen kleinen Teil des Problems lösen.

Trends wie die Tradwives machen das „Zuhause-Bleiben“ salonfähig. Sie öffnen Mädchen und jungen Frauen einen Korridor in die Sackgasse. Das passt auch den rechtspopulistischen Parteien, die im Kommen sind, und ihrer „traditionellen Familie als Leitbild“. Rechte Influencerinnen reisen allen voran auf diesem Ticket. In den USA gehören einige der Tradwives dem Spektrum der White Supremacists an und pro­pagieren die Produktion von möglichst vielen weißen Babys.

Doch nicht nur die klassischen Rechten wollen wieder Mutterkreuze verteilen, auch islamistische Fundamentalisten haben den Trend erkannt. Wie gefährlich die islamistischen Tradwives sein können, sieht frau zum Beispiel an der „traditionellen Frau“ Hanna Hansen. Die ­Kölnerin war Topmodel, gefeierte DJane und Kickbox-Weltmeisterin. Dann trat sie für ihren muslimischen Mann zum Islam über. Heute trägt die 40-Jährige lange beigefarbene Kleider mit eng gebundenem Kopftuch und tönt auf Instagram: „Es ist unglaublich, wie viele Frauen zum Islam kommen!“ Ihre Mission: neue Konvertitinnen anwerben. Allein bei Instagram folgen ihr 180.000 Menschen. 

Hansen verkauft das Kopftuch ganz „feministisch“ als Schutz vor dem Male Gaze, sie beklagt die Erziehung von Mädchen zu oberflächlichen Wesen, die Sexualisierung von Kindern. Sie tritt mit Predigern auf, die der Verfassungsschutz als Salafisten bezeichnete. Endlich ganz Frau sein. 

Nur: War da nicht mal was, was uns am „ganz Frau sein“ gestört hatte, liebe Malischkas?   

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