Transgender: Weder Mann noch Frau

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„The Danish Girl“ erregte Aufsehen auf dem Filmfestival in Venedig. Es geht darin um die reale Geschichte der intersexuellen – also mit weiblichen wie männlichen Körpermerkmalen – 1882 geborenen Lili Elbe, die zunächst als Mann aufwuchs. Als Student der Kunstakademie in Kopenhagen lernt er Gerda Gottlieb kennen, die beiden heiraten und ziehen nach Paris. Aus Einar wird nun zunehmend Lili. Als erster intersexueller Mensch lässt er/sie sich 1930 in Berlin am Hirschfeld-Institut operieren – und stirbt an den Folgen der dritten geschlechtsangleichenden Operation.

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Männerforscher Connell lebt heute als Frau

The Danish Girl wurde von Tom Hooper verfilmt, dem Regisseur des wunder­baren, oscarpremierten „The King’s Speech“. Dargestellt wird der Mann, der unter ­unseren Augen zur Frau wird, von Eddie Redmayne („Die Entdeckung der Unendlichkeit“). Wir sehen, wie er sich die (Körper)Sprache der Frauen aneignet, zunächst noch zögernd und verspielt, dann immer besessener. Und perfekt.

EMMA hat sowohl mit physisch Intersexuellen als auch mit psychisch Transsexuellen geredet. Darunter zwei FeministInnen, von der die eine den Wechsel von Mann zu Frau vollzogen hat, die/der andere den von Frau zu Mann. Die australische Professorin Raewyn Connell war schon als Mann der international interessanteste Männerforscher. Und der deutsche Computerfachmann und Punkmusiker Ines-Paul Baumann ist auch als Mann Feminist geblieben – genauer: mag sich als heutigeR „Ines-Paul“ gar nicht so recht entscheiden für eines der beiden Geschlechter.

Computerfreak Ines-Paul weiß nicht so recht ...

Das ist – endlich! – der neue Trend bei den bewussteren unter den Transsexuellen: Sie wollen sich am liebsten gar nicht mehr festlegen lassen auf ein Entweder/Oder, sie sind beide einengenden Geschlechterrollen leid. So wie die Aktivistinnen des Berliner Vereins „TransInterQueer“ oder die „Geschlechterkritische ‚Passing‘ Gruppe“, die sagen: „Wir wollen uns nicht anpassen. Wir wollen unseren Identitäten entsprechend leben. Dabei geht es uns nicht darum, als stereotype ‚Männer‘ oder ‚Frauen‘ zu passen.“ (...)

Und EMMA-Redakteurin Chantal Louis führte ein sehr aufschlussreiches und zukunftsweisendes Gespräch mit der Psychologin Birgit Möller von der „Geschlechtsvarianz“-Ambulanz an der Universitätsklinik Münster (einer von mehreren Dependancen des Sexualforschungsinstituts Hamburg). Dort sprechen Kinder und Jugendliche vor, mit oder ohne Eltern, für die die Sache nicht so ganz klar ist: Bin ich ein Mädchen oder ein Junge? Doch oft handelt es sich dabei keineswegs um Transsexuelle, sondern einfach um junge Menschen, die keinen Bock haben, sich im Geschlechterkäfig einsperren zu lassen.

Psychologin Möller: Keinen Bock auf Ge-
schlechterkäfig

Dass die strikte Zuweisung von hie weiblich und da männlich auch rein biologisch unhaltbar ist, berichtet im letzten Beitrag des EMMA-Dossiers die Wissenschaftsjournalistin Judith Rauch. Nicht nur unsere Körperzellen sind fast immer ein Mix aus männlich und weiblich zugleich; neue Methoden der DNA-Analyse und Zellbiologie enthüllen, dass fast jeder Mensch eine Art Geschlechter-Patchwork ist. Auch das biologische Geschlecht muss also neu definiert werden.

Dies ist ein Auszug aus dem 31 Seiten umfassenden EMMA-Dossier "Transgender - Ich bin Ich - Weder Mann noch Frau!" Januar/Februar-Ausgabe 2016 bestellen

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Wie weiblich ist Caitlyn Jenner?

Caitlyn - ehemals Bruce - Jenner, fürs Cover der Vanity Fair fotografiert von Annie Leibovitz
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Alle bejubeln ihren Mut. Lady Gaga bedankt sich bei ihr, Barack Obama gratuliert und das „Entertainment and Sports Programming Network“ (ESPN) will dem ehemaligen Olympiasieger im Zehnkampf jetzt einen Preis für ihre Courage verleihen. Nach 65 Jahren in einem Männerkörper lebt Caitlyn Jenner, ehemals Bruce, jetzt als Frau und hat sich nicht nur ihren Körper, sondern auch ihr Gesicht chirurgisch in ihrem Sinne formen lassen. „Call me Caitlyn“ wünscht sie sich auf dem Cover der aktuellen Vanity Fair, die der Verwandlung des ehemaligen Sport-Helden zur Super-Frau stolze 22 Seiten widmet, inklusive Fotos von Star-Fotografin Annie Leibovitz.

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Haben Männer und Frauen unterschiedliche Gehirne?

Aber in die Begeisterung über Jenners Mut mischen sich auch kritische Stimmen. Zum Beispiel die von Elinor Burkett. „What Makes a Woman?“ fragt die amerikanische Journalistin und ehemalige Professorin für Women’s Studies in der New York Times. Der Vanity-Fair-Titel „eröffnet uns einen Einblick in Caitlyn Jenners Idee von einer Frau: Push-Up-Korsett, laszive Pose und viel Mascara“. Aber Burkett kritisiert nicht nur, dass Jenner sich offenbar widerstandslos in das gängige weibliche Schönheitsideal fügt. Sondern, dass sie einem Biologismus das Wort redet, den Feministinnen zu überwinden versuchen.

„Mein Gehirn ist viel mehr ein weibliches als ein männliches“, hatte Jenner kurz nach seinem Coming Out im April 2015 gesagt. „Haben Frauen und Männer unterschiedliche Gehirne?“ fragt nun Elinor Burkett. „Als Larry Summers als Harvard-Präsident das behauptete, waren die Reaktionen darauf gnadenlos. Er wurde als Sexist und Höhlenmensch beschimpft. Aber als Bruce Jenner das Gleiche sagte, wurde er für seinen Mut und sogar für seine Fortschrittlichkeit gepriesen.“ 

Über dieses Messen mit zweierlei Maß wundert sich die Feministin Burkett sehr. „Ich habe einen Großteil meiner 68 Jahre dagegen gekämpft, dass Frauen – unsere Gehirne, unsere Herzen, unsere Körper – in Schubladen gesteckt und wir auf verstaubte Stereotype reduziert werden. Und jetzt muss ich feststellen, dass viele Menschen, die ich dabei an meiner Seite wähnte, plötzlich daran glauben, dass winzige Unterschiede in männlichen und weiblichen Gehirnen riesige Folgen haben und dass uns eine Art Geschlechts-Schicksal eingebrannt ist. Dabei ist das die Art Unsinn, mit dem Frauen jahrhundertlang unterdrückt wurden.“ 

Frauen wird das Recht verwehrt, sich als Frauen zu definieren

Und der Biologismus geht weiter. Frausein (oder Mannsein) definiere sich eben nicht nur über eine Vagina oder einen Penis. „Was es für mich und viele andere Frauen schwer macht, uns hinter die Transgender-Bewegung zu stellen, ist unter anderem, dass immer mehr Transmenschen die Tatsache missachten, dass eine Frau zu sein auch bedeutet, bestimmte Erfahrungen gemacht zu haben“, erklärt Elinor Burkett. Und die unterscheiden sich bei biologischen Frauen eben gewaltig von denen von Transfrauen.

„Ihre weibliche Identität ist nicht meine weibliche Identität. Sie haben nicht in Geschäfts-Meetings gelitten, bei denen Männer nur mit ihren Brüsten gesprochen haben. Sie sind nicht nach dem Sex mit der Horrorvorstellung wachgeworden, dass Sie am Vortag vergessen haben, die Pille zu nehmen. Sie mussten nicht damit klarkommen, dass das Gehalt Ihrer männlichen Arbeitskollegen höher war als Ihr eigenes. Und sie mussten nicht mit der Angst leben, womöglich zu schwach zu sein, um sich gegen einen Vergewaltiger zu wehren. Das sind die Realitäten, die die Frauengehirne formen.“

Während eine Transfrau wie Caitlyn Jenner sich in Vanity Fair als „echte Frau“ inszeniert, geht die Transbewegung in den USA immer öfter dazu über, Frauen das Recht zu verwehren, sich als Frau zu definieren. So berichtet die Journalistin Katha Politt, dass Abtreibungs-Initiativen auf Druck von Transgender-Aktivisten das Wort „Frau“ aus ihrem Namen streichen. So benannte sich die Initiative „Fund Texas Women“, die Frauen, die ihre Schwangerschaft abbrechen wollen, Hotel- und Reisekosten finanziert, um in „Fund Texas Choice“. Begründung: „Mit dem Namen ‚Fund Texas Women‘ haben wir Transmenschen ausgeschlossen, die eine Abtreibung brauchen, aber keine Frauen sind.“ 

Eine Frau zu sein bedeutet eben auch, bestimmte Erfahrungen gemacht zu haben.

Am „Mount Holyoke College“, einer Kunsthochschule für Frauen, wurde eine Aufführung von Eve Enslers „Vagina Monologen“ abgesagt. Das Stück habe „eine extrem eingeschränkte Perspektive darauf, was es heißt, eine Frau zu sein“.

„Wir haben die eingeschränkte Sicht auf Frauen und Männer schon in Frage gestellt, als die meisten AmerikanerInnen das Wort ‚Transgender‘ noch nie in ihrem Leben gehört haben“, ätzt Elinor Burkett. „Deshalb spielen unsere Töchter heute mit Autos genauso wie mit Puppen, und deshalb trauen sich die meisten von uns heute, dienstags einen Rock und donnerstags Jeans zu tragen.“ 

Der Kampf gegen die Geschlechterstereotype sei noch lange nicht vorbei, sagt die Feministin, „und Trans-AktivistInnen könnten in diesem Kampf unsere natürlichen Verbündeten sein“. Dazu aber sei ein gemeinsames Commitment nötig: „So lange Menschen X- und Y-Chromosomen produzieren, die zur Entwicklung von Vaginas und Penissen führen, wird fast allen von uns bei der Geburt ein Geschlecht 'zugewiesen'. Aber was wir mit diesem Geschlecht machen, ist fast vollständig veränderbar. Wenn das die ultimative Botschaft der Trans-Community ist, dann heißen wir sie herzlich willkommen, zusammen dafür zu kämpfen, dass alle den Raum bekommen, so zu leben, wie sie wollen – ohne dabei von Rollenerwartungen eingeschränkt zu werden. Aber die Identitäten von Frauen zu unterminieren und unsere Erfahrungen zu leugnen oder gar auszulöschen - das können wir in diesem Kampf nicht gebrauchen.“ 

 

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