Das Transsexuelle Imperium
Als "transsexuelles Imperium" bezeichne ich jenes System medizinischer Disziplinen, das die anatomische Geschlechtsumwandlung überhaupt erst ermöglichte, indem es die entsprechenden Technologien erfand. Urologen, Gynäkologen, Hormonforscher und plastische Chirurgen erschaffen mit vereinten Kräften den transsexuellen Menschen. Die Zahl der Behandlungsformen, die das "Problem" in den Griff bekommen wollen, hat in wenigen Jahren ein erstaunliches Ausmaß erreicht. Das reicht von den allerersten, grundlegenden Genital- und Brust-Operationen bis zur kosmetischen Chirurgie (wie Augen-, Nasen und Kinnkorrekturen), von der Elektrolyse bis zur Sprachtherapie. Pharmakonzerne und Kliniken profitieren von der Geschlechtsumwandlung: Hormontherapien und Operationen sind nicht billig.
Dazu verbünden sich die Mediziner auch mit Experten anderer Disziplinen: Psychiater und Psychologen arbeiten Hand in Hand mit ihnen, indem sie potentielle Kandidaten zur Behandlung überweisen. Indem sie ihren Klientinnen eine "transsexuelle Notlage" attestieren, machen sie die operative Geschlechtsumwandlung "notwendig". Die Diagnose lautet "geschlechtliches Unbehagen", die Therapie: Operation und lebenslange Hormontherapie, um das "Unbehagen" zu lindern. Therapie wird zur Lebensform.
Ärzte verbünden sich mit Juristen und Anwälten, um Transsexuelle als Frauen (oder Männer) auch juristisch zu legalisieren. Insgesamt jedoch ist die Medizin die vorherrschende Wissenschaft im transsexuellen Imperium. Ohne ihre Einmischung gäbe es gar keinen Transsexualismus.
Es ist zwar in der Geschichte immer wieder vorgekommen, dass Individuen gerne das Geschlecht gewechselt hätten. Doch bis zu dem Zeitpunkt, an dem die medizinische Wissenschaft die erforderlichen Technologien entwickelt hatte - die wiederum erst die Nachfrage nach operativen Eingriffen schufen - existierte die anatomische Geschlechtsumwandlung nicht.
Die Folgen einer patriarchalen Gesellschaft.
Der Transsexualismus offenbart die Stereotypisierung der Geschlechterrollen in einer patriarchalen Gesellschaft. So macht der medizinische Transsexualismus aus biologischen Männern künstliche Frauen, die in Gestik, Sprache und Selbstverständnis oft weiblicher sind als die meisten biologischen Frauen.
Die amerikanischen Geschlechteridentitätskliniken, wo potentielle Transsexuelle beraten und beurteilt werden, nähren und fördern gemeinsam mit den medizinischen Machtzentren das stereotype Rollenverhalten. Was hier praktiziert wird, ist eine "wohlmeinende" Form der Verhaltenskontrolle und Verhaltensbeeinflussung unter dem Deckmantel der Therapie. In einigen dieser Kliniken werden sogar Kinder "behandelt", die als "potentielle Transsexuelle" diagnostiziert werden: zum Beispiel Jungen mit "Rollenstörungen" wie "weibliche Körpersprache" oder eine Abneigung gegen "maskuline Spiele".
Eine Gesellschaft, die das Geschlecht als festgelegte Rolle definiert, ist Verursacher des Transsexualismus. Dies wird jedoch von der medizinischen und psychologischen Ursachenforschung ignoriert. Sie hält die Stereotype für vorgegeben und nennt als wahre Schuldige an der Rollenabweichung die "dominanten Mütter und abwesenden Väter". Diese "Beschuldigung der Mutter" in der psychologischen Fachliteratur verschleiert die wahre Verursacherin des Transsexualismus: das Patriarchat und seine Legionen therapeutischer Väter, die die Transsexuellen nach ihren männlichen Entwürfen und Anforderungen produzieren.
In einer Gesellschaft, in der Männlichkeit und Weiblichkeit festgelegt sind, tauscht der Transsexuelle lediglich ein Stereotyp gegen das andere aus und trägt so zur Bestätigung der sexistischen Gesellschaft bei. In einer solchen Gesellschaft erscheint es nur logisch, den Körper des Transsexuellen an sein Bewusstsein anzupassen, wenn er sich außerstande sieht, sein Bewusstsein dem Körper anzupassen.
Transsexuelle tauschen lediglich ein Sterotyp gegen das andere aus
Die therapeutische Legitimierung der anatomischen Geschlechtsumwandung dient aber ganz offensichtlich auch der Verschleierung medizinischer Versuche an Menschen. Es gibt Hinweise darauf, dass die lebenslange transsexuelle Hormontherapie Krebs auslösen kann. Die operative Geschlechtsumwandlung ist keineswegs ein sicherer Eingriff, sondern ein Experiment. Transsexuelle sind willkommene "Freiwillige" für die Ärzte: Sie ermöglichen die Manipulation des Körpers zur Erforschung des Wesens des biologischen Geschlechts.
Transsexualismus ist eine Halbwahrheit: Er macht die Verzweiflung jener Individuen klar, die durch die Beschränkung der Geschlechterrolle regelrecht in ihrem Körper gefesselt sind. Aber er ist nicht die ganze Wahrheit. Er stellt zwar die Frage nach dem seelischen Schmerz, den Rollenzwang auslösen kann, aber er gibt keine Antwort darauf.
Ich als Feministin verstehe unter "geschlechtlichem Unbehagen" etwas ganz anderes als die Mediziner: nämlich die Reaktion auf Unterdrückung des Individuums durch stereotype Geschlechterrollen und Sexismus.
Der Text ist ein Nachdruck aus Janice Raymond "The Transsexual Empire" (The Women's Press). Übersetzung aus dem Amerikanischen: Barbara Rudorf