Hassverbrechen: Und die Frauen?

Auch der Protest der Femen-Aktivistinnen vor Justizministerin Lambrecht half nichts.
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Wenn es um Frauenhass geht, ist die deutsche Justiz nicht nur blind, sie ist auch taub und ignorant. Heute Nachmittag wurde von Bundesjustizministerin Lambrecht (SPD) in der Kabinettssitzung die Lücke zwischen „Beleidigung“ und „Volksverhetzung“ im Strafrecht geschlossen - wenn auch nicht ganz. Also die Lücke zwischen dem Individuum und der Gruppe, zu der es gehört. Die „Verhetzende Beleidigung“ soll Straftat werden. Eine sehr gute Idee! Etwa wenn Juden, Muslime, Menschen mit Behinderung oder Homosexuelle betroffen sind.

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Wenn jemand andere in ihrer Menschenwürde angreift, indem er sie wegen ihrer Herkunft, ihrer Weltanschauung, ihrer Behinderung oder „sexuellen Orientierung“ beschimpft oder verleumdet. Dann soll es Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren geben.

Kampagnen gegen Femizide laufen weltweit, nur in Berlin sind sie nicht angekommen

Fehlt da jemand? Etwa die Frauen? Die Gruppe, die am meisten, sowohl als Individuum als auch als Zugehörige zu einer Gruppe - der Gruppe der Frauen! -, nicht nur im Internet beleidigt, herabgewürdigt, erniedrigt wird, sondern auch auf der Straße und im Ehebett.

Diese Realität ist seit Jahren international Konsenz - und hat sich in anderen Ländern längst in Statistiken und Gesetzen niedergeschlagen. Nicht nur in den USA gehören sexistisch motivierte Taten längst zu der strafverschärfenden Sorte der Hatecrimes. Die Kampagnen gegen Femizide laufen weltweit - nur in Berlin scheinen sie noch nicht angekommen. Erst gestern, zum Tag von „Zehn Jahre Istanbul-Konvention“, positionierten sich die Femen im Regierungsviertel vor der Justizministerin und forderten sie auf, Frauen und Kinder endlich effektiv vor Männergewalt zu schützen (Foto).

Wie laut müssen Frauen denn eigentlich noch um Gehör kämpfen? EMMA hatte 1991 die erste Kampagne „Stoppt Frauenhass!“ gestartet und erklärt: „Frauenmorde sind politische Morde! Ihr Ziel ist – ganz wie beim Fremdenhass – die Entwürdigung und Einschüchterung einer bestimmten Menschengruppe, nämlich aller weiblichen Menschen.“ Vor den Taten sind die Worte. 1998 hatte dann ein von Alice Schwarzer initiiertes überparteiliches Politikerinnenbündnis – von Parlamentspräsidentin Rita Süßmuth (CDU) über Ministerin Ulla Schmidt (SPD) bis zu Justizministerin Däubler-Gmelin (SPD) – gefordert: „Der Gesetzgeber muss, parallel zu dem Motiv ‚Fremdenhass‘, das Motiv ‚Frauenhass‘ einführen. Die Aufstachelung zum Frauenhass muss strafrechtlich geahndet werden.“

Und 23 Jahre später, Justizministerin Christine Lambrecht? Frauenhass? Sexismus? Femizide? Nie gehört. Allein in den ersten vier Monaten diesen Jahres wurden in Deutschland mindestens 67 Frauen ermordet, weil sie Frauen sind - meist von ihren (Ex)Partnern. Und das Netz quillt über von Sexismus, Pornografie und Frauenhass.

Straftaten aus Frauenhass durch fremde Täter werden bis heute nicht erfasst!

„Straftaten, die aus Frauenhass begangen werden, als solche sichtbarer zu machen, ist ein Anliegen des Bundesjustizministeriums“, heißt es nun auf EMMA-Anfrage aus dem Hause Lambrecht. Denn: „Belastbare statistische Daten liefern wichtige Informationen für gezielte Präventionsstrategien und angemessene staatliche Reaktionen.“ Und: „In der Gesellschaft muss über die strukturellen Ursachen solcher Taten eine Diskussion stattfinden.“

Dass die sogenannte „Partnerschaftsgewalt“ überhaupt registriert wird, ist ebenfalls ein von Feministinnen erkämpftes Novum. Vor 2015 war die „Häusliche Gewalt“ noch ein blinder Fleck in der Kriminalstatistik.

Was aber immer noch fehlt: Weitere Straftaten aus Frauenhass, durch fremde Täter. Sie werden bis heute nicht als solche erfasst. Frauenmorde und Vergewaltigungen durch unbekannte Täter? Anonyme frauenfeindliche Beschimpfungen und Vergewaltigungs-Drohungen auf Facebook? Ein Amoklauf, bei dem sich der Täter mal wieder als sogenannter Incel entpuppt? All das müsste unter der Kategorie zusammengefasst werden, die alle diese Taten eint: Motiv FRAUENHASS.

Straftaten aus Fremden- oder Judenhass werden zu Recht sehr wohl registriert, seit 2017 sogar differenziert nach „islamfeindlichen“, „christenfeindlichen“ und „antiziganistischen“ Straftaten. „Straftaten aus Frauenhass werden jedoch nicht gesondert ausgewiesen“, erklärt das Justizministerium.

Bundesjustzministerium: Frauen als Teil der Bevölkerung sind nicht erfasst

„Selbst Terroranschläge werden aus frauenfeindlichen Motiven verübt, die sich zuvor im Netz abzeichneten“, schreibt inzwischen auch der Spiegel.

Auf EMMA-Anfrage zum heutigen Gesetzentwurf, äußerte sich ein Sprecher des Bundesjustizministeriums wie folgt: „Rassistische Hetze richtet sich häufig gegen Frauen mit Migrationsgeschichte. Frauenhass und Rassismus kommen hier häufig zusammen. Genauso sind Hass-Nachrichten erfasst, wenn sie gegen Frauen gerichtet sind, die einer der anderen genannten Gruppen angehören, also etwa aufgrund ihrer ethnischen Herkunft oder Religion Hass-Nachrichten erhalten. Frauen insgesamt als Teil der Bevölkerung sind aber nicht erfasst. Wenn aber Frauen persönlich frauenfeindlich beschimpft oder verächtlich gemacht werden, kann dies als Beleidigung verfolgt werden (§ 185 StGB). Wenn öffentlich frauenverachtende Hetze verbreitet wird, kann der Straftatbestand der Volksverhetzung, der auch Teile der Bevölkerung umfasst, greifen (§ 130 StGB)."

Für das Justizministerium existiert also die Kategorie „Frauen“ gar nicht. Sie ist der Elefant im Raum. Da muss frau schon Migrantin sein, um als Objekt der Beleidigung und des Hasses erfasst zu werden. Wirklich unfassbar!

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