Schach verschleiert: Richtig? Falsch?

Die Chinesin Tan Zhongyi setzte Anna Musytschuk aus der Ukraine schachmatt. - © David Llada
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Im Vorfeld waren die Weltmeisterschaften sehr umstritten, weil Iran von den Spielerinnen verlangte, sich zu verschleiern und nur Gesicht und Hände zu entblößen. Daraufhin boykottierten zwei Amerikanerinnen – Nazi Paikidze-Barnes und Carla Heredia, die Spiele (EMMA berichtete). Befürworter der Spiele höhnten, die beiden hätten eh keine Chance gehabt.

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Die Deutsche Elisabeth Pähtz trat mit Wollmütze in Teheran an. - © David Llada
Die Deutsche Elisabeth Pähtz trat mit Wollmütze in Teheran an. - © David Llada

Das Schachspiel war mal ein nationaler Sport in Persien. Im Iran der Ayatollahs wurde Schachspielen zunächst verboten, dann aber wieder erlaubt, weil der Widerstand zu groß war.

Die Weltmeisterschaft der Frauen nach Teheran zu holen, war ein geschickter Schachzug: sowohl für den Iran als auch für den Schachweltverband. Denn niemand anderes wollte die 450.000 Dollar Preisgelder aufbringen plus Organisationskosten. SchachspielerINNEN sind aber nicht nur in islamistischen Diktaturen zweiter Klasse. Also diskutierte der Weltverband gar nicht erst darüber, sondern nahm die Entscheidung pro Irans Schleier einfach in sein Protokoll auf.

Die internationalen Spitzenschachspielerinnen reagierten unterschiedlich darauf: von empört über indifferent oder naiv bis einverstanden. Die deutsche Schachspielerin Elisabeth Pähtz aus Erfurt lag mit ihrer Meinung in der Mitte. Aber immerhin: Sie trug eine relativ provokante Strickmütze und zeigte bloße Unterarme (Foto li). Sie schied in der zweiten Runde gegen die Schwedin Pia Cramling aus. So blieben uns die Siegerinnenfotos unterm Hidjab erspart.

Dorsa Derakhshani flog aus dem iranischen Nationalteam: Sie hatte in Gibraltar ohne Schleier Schach gespielt.
Dorsa Derakhshani flog aus dem iranischen Nationalteam: Sie hatte in Gibraltar ohne Schleier Schach gespielt.

Eine war nicht dabei bei den Spielen: Dorsa Derakhshani, Mitglied der Iranischen Nationalequipe und Nr. 5 der Weltrangliste. Die 18-Jährige war ausgeschlossen worden, weil sie sich erdreistet hatte, an dem Wettbewerb in Gibraltar unverschleiert teilzunehmen. Und ihr 15-jähriger Bruder Broma hatte gewagt, gegen einen Israeli anzutreten.

Der Direktor der iranischen Schachfederation, Mehrdad Pahlevanzadeh, hatte daraufhin angekündigt, man werde sich die beiden „ernsthaft vorknöpfen“. Die Geschwister leben zurzeit in Spanien. Wohl besser so.

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Schach: Wir verschleiern uns nicht!

Wir verschleiern uns nicht! Nazi Paikidze-Barnes (Foto li) und Carla Heredia
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Im Februar 2017 soll die Weltmeisterschaft im Schachspielen im Iran ausgetragen werden. Die Weltmeisterschaft der Frauen. Doch inzwischen ist fraglich, ob das Turnier stattfindet. Denn die 64 Teilnehmerinnen, die aus dem Ausland anreisen, haben nicht die Absicht, ihre klugen Köpfe unter einem Kopftuch zu verhüllen.

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Die panamerikanische Schachmeisterin Carla Heredia (Foto rechts) ist stinksauer über den Weltschachverband. Der will die Schachspielerinnen ausgerechnet in das Land der Ayatollahs schicken und so unter den gesetzlich vorgeschriebenen Schleier zwingen. „Keine Frau sollte gezwungen werden, den Hijab zu tragen“, erklärte Carla. „Und da denke ich nicht nur an uns 64 Schachspielerinnen, sondern auch an die Iranerinnen. Ich stehe ein für die Menschenrechte aller Frauen!“

Heredia: "Ich stehe ein für die Menschenrechte aller Frauen!"

Auch ihre Kollegin Nazi Paikidze-Barnes (Foto links) erklärte: „Frauen werden im Iran heute gezwungen, sich zu verschleiern. Das ist hart. Viele halten die Verschleierung der Frauen für eine kulturelle Frage. Aber ich weiß, dass viele Frauen dagegen protestieren, unter hohem Risiko. Ich werde also nicht den Schleier tragen. Ich will diese Frauenunterdrückung nicht auch noch unterstützen!“

Allein im Jahr 2014 wurden 3.600.000 Frauen im Iran belangt, weil ihre Haare oder ihr Nacken „nicht ausreichend bedeckt“ waren. Früher konnte ein verrutschter Schleier im Iran eine Frau das Leben kosten, heute sind es immerhin noch Geldstrafen, Drangsalierungen oder gar Gefängnis.

In seinen offiziellen Statuten verurteilt der Weltschachbund jede Form von Diskriminierung. Und auch der Deutsche Schachbund hat in seiner Satzung eine Passage zur „allgemeinen Gleichbehandlung“. Entsprechend unangenehm ist seinem Präsidenten, Herbert Bastian, die ganze Debatte. Der Schachsport wolle „den Dialog der Kulturen“ fördern, antwortete er auf Nachfrage von Süddeutsche.de. Deshalb müssten seine Veranstaltungen auch in Ländern stattfinden können, „die für die westliche Welt mitunter fremde kulturelle Gewohnheiten vertreten“. Privat allerdings sehe er das anders.

Paikidze: "Ich will die Unter-
drückung der Frauen nicht unterstützen!"

64 verschleierte Schachspielerinnen aus der ganzen Welt in Teheran. Das wären nicht nur 64 verhüllte besonders kluge Köpfe, es wäre nicht nur ein trauriges Zeichen für die Millionen zwangsverschleierten Frauen im Iran – es wäre ein Propaganda-Triumph für den Iran. Seht her, ihr schlauen Schachspielerinnen: Selbst euch zwingen wir unter den Schleier!

Darum ist zu hoffen, dass die Schachspielerinnen durchhalten und die Spiele im Iran boykottieren!

Auch die Organisation "My Stealthy Freedom", die gegen die Zwangsverschleierung im Iran kämpft, freut sich über die Kritik der Schachspielerinnen.

 

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