Verschleierung von Stars & Mode
Es war Rihanna, 26, die im Oktober 2013 in den Vereinigten Arabischen Emiraten Stunden vor ihrem halbzüchtigen Auftritt am Abend (in Weiß und mit verrutschtem Schleier) im modischen Tschador posierte: in Abu Dhabi vor der Sheikh Zayed Moschee. Die ist mit 40000 Plätzen eine der größten Moscheen der Welt und darf auch von „Nichtgläubigen“ besichtigt werden.
Die Linke
ignoriert die Zwangsver-
schleierung von Frauen
Stolz postete Rihanna ihren halb koketten, halb politisch korrekten Schleier-Auftritt auf Instagram, wo sie auch sonst ihre – immer stark sexualisierten und meist masochistischen – Inszenierungen unter die Fans bringt. Die Reaktionen waren diesmal gemischt. Es gab Kritik von westlich Emanzipierten sowie östlich Frömmelnden. Aber es gab noch mehr Zustimmung. Zum Beispiel von dem Muslim, der postete: „Danke für den Respekt, den Sie unserer Religion erweisen. Die Fotos sind wunderbar.“
Warum aber kokettiert eine der erfolgreichsten Sängerinnen aller Zeiten mit der Verhüllung? Die auf Barbados geborene Rihanna kennt zu genüge die dunklen Seiten eines Frauenlebens von Kindheit an. Ihre Mutter ließ sich von ihrem zugedröhnten und schlagenden Vater nach 14 Jahren scheiden. Und sie selbst machte die Gewaltattacken von Chris Brown, mit dem sie von 2007 bis 2009 zusammen war, öffentlich und zeigte ihr zerschlagenes Gesicht. Brown wurde zu fünf Jahren auf Bewährung verurteilt.
Drei Monate zuvor war Madonna, 57, Rihannas großes Vorbild, vorangegangen. Die Vielgesichtige und Foreverjunge posierte für Harpers Bazar mit einer Gesichtsmaske, die kein reines Fantasieprodukt war. Diese metallenen Verriegelungen des Mundes heißen Batalu. Ultra-ultra-orthodoxe Musliminnen tragen sie zum Niqab, dem alles verhüllenden schwarzen Ganzkörper-Schleier, bei dem auch die Augen hinter einem Gitter verborgen bleiben. Hinzu kommt die metallene Verriegelung des Mundes, man weiß ja nie. In exklusiven Geschäften der europäischen Metropolen kann man diese in Stoff und Stahl gefangenen Frauen manchmal shoppen sehen.
Warum die so freie Madonna so etwas tut? Madonna ist nicht dumm, das ist bekannt. KritikerInnen erklärte sie, sie sei „für die Meinungsfreiheit im Besonderen und die Menschenrechte im Allgemeinen“ und verbäte sich darum jegliche Kritik an ihrem Auftritt. Wem das nicht passe, der brauche ihr einfach nicht zu folgen auf Instagram. Und außerdem, Achtung, sammle sie gerade für eine Schule in Pakistan – vermutlich eine Mädchenschule – und fange bald mit deren Bau an.
Na dann. Dann ist ja alles gut. In der Schule in Pakistan – einem in Sachen Gotteskrieger-Propaganda führenden Land – können die kleinen Pakistanerinnen dann ja auch gleich lernen, sich nicht länger trampelig, sondern schick zu verhüllen. Und eh sind die gewohnten Praktiken von Madonna ja nur die zwei Seiten ein und derselben Medaille: Entblößung und Verhüllung. Immer ist die Frau Objekt (Auch wenn wenige gut damit verdienen und das alles „eigentlich nur ein Spiel“ ist.).
Inzwischen ist aus dem Spiel auch im Okzident Ernst geworden. Die Spielchen der Stars sind in der Modeindustrie für Massen angekommen. Aber Kritik wird laut, zumindest in Frankreich. Die französische Frauenministerin Laurence Rossignol ergriff als erste das Wort: „Die Modefirmen machen Werbung für das Einschließen der Körper der Frauen!“, protestierte sie öffentlich. Die Sozialistin kritisierte damit, dass zum Beispiel H&M Models mit Kopftüchern werben lässt, Donna Karan eine „Ramadan-Kollektion“ vorgestellt hat, Marks & Spencer Ganzkörperbadeanzüge anbietet und Dolce & Gabbana gleich eine ganze Kollektion namens „Abaya“ auf den Laufsteg schickt, also mit Ganzkörperverhüllungen.
Die profitorien-
tierte Mode-
welt erklärt sie zum letzten Schrei
Dieser Dernier Cri hat auch schon einen Namen: Islamic Fashion. Und einen Markt. Der Umsatz mit der Islamic Fashion wird in den kommenden Jahren auf jährlich eine halbe Milliarde Dollar geschätzt. Da pfeift man gerne schon mal auf die Menschenrechte und die Emanzipation der Frauen.
Dolce & Gabbana sieht das eh recht locker. Die beiden Italiener warben vor einigen Jahren noch mit Anzeigen, in denen eine „Gang Bang“, eine Gruppenvergewaltigung, nachgestellt wurde: Das Model lag schon halbnackt mit auseinander gedrückten Beinen auf dem Boden und ein über sie gebeugter Mann mit entblößtem Oberkörper drückte ihr die Arme auf den Boden; umstellt von drei einschlägig aussehenden Finsterlingen, die sichtbar gleich mit zur Tat schreiten würden. Nun also Verschleierung. Hauptsache Frauenverachtung. Und Umsatz.
In Frankreich protestieren gegen die Islamic-Mode nicht nur frauenbewegte Politikerinnen. Auch die für ihre androgyne Mode bei jungen Leuten sehr beliebte Agnès B. reagierte scharf. Sie erklärte: „Es hat etwas Obszönes, solche Sachen für reiche Frauen in Ländern zu entwerfen, wo andere vor Bomben fliehen.“ Und es sei inakzeptabel, ein Kleidungsstück wie den Schleier zu verharmlosen.
Und Pierre Berger erklärte: „Ich habe immer geglaubt, dass ein Modeschöpfer dazu da sei, Frauen schöner zu machen, ihnen Freiheit zu geben – und nicht Komplizen dieser Diktatur zu sein, die Frauen dazu zwingt, sich zu verstecken.“ Der 85-jährige Berger ist eine zentrale Figur in der Pariser Kulturszene und war früher der Lebens- und Arbeitsgefährte von Yves Saint Laurent. Dieser Modeschöpfer hatte sich wie kein anderer in den 1970er Jahren vom Geist der aufbrechenden Frauenbewegung inspirieren lassen und Damenanzüge sowie Kleider kreiert, die den Frauen (Bewegungs)Freiheit gaben.
Gleichzeitig meldete sich die Philosophin Elisabeth Badinter zu Wort. Sie ist in Frankreich die führende Denkerin beim Kampf gegen den politisierten, agitierenden Islam und die Akzeptanz des Schleiers bis in die Schulen hinein. Die engagierte Feministin ist die Ehefrau des sozialistischen Ex-Justizministers Robert Badinter (der gegen viel Widerstand die Todesstrafe abschaffte).
Die als „islamophob“ geschmähte Badinter fordert zum „Boykott“ aller Firmen auf, die die Verschleierung der Frauen in ihre Kollektionen aufgenommen haben. Und sie fügt streitlustig hinzu: „Dass überhaupt jemand als ‚islamophob‘ bezeichnet wird, ist eine Schande. Diese Waffe haben die Islamo-Linken den radikalen Islamisten an die Hand gegeben.“
Die Frauenministerin Rossignol fand auch die Rechtfertigung der Bekleidungsfirmen skandalös, hier handele es sich doch „nur um ein Kleidungsstück“. Gerade bei den Frauen seien Kleidung & (Un)Freiheit eng verbunden: von der Befreiung vom Korsett im 19. Jahrhundert bis hin zum Recht auf Minirock und Hosen im 20. Jahrhundert. Auf das Argument, die Frauen würden sich „freiwillig“ verschleiern, hatte Rossignol entgegnet, früher hätte es auch „Neger gegeben, die für Sklaverei waren“. Anzunehmen, dass die Sozialistin bewusst den historischen Begriff für die historischen Zeiten benutzt hatte. (Bis in die 1970er Jahre war es üblich und galt nicht als diskriminierend, von Schwarzen als von „Negern“ zu sprechen). Das hätte ihr nicht passieren dürfen. Aber man ließ sie es noch nicht einmal mehr erklären: Ein Shitstorm der politisch Korrekten brach über die Ministerin hinein.
Zurzeit tobt in Frankreich an allen Ecken und Enden auch unter Intellektuellen und innerhalb des sehr breiten und diversen linken Lagers eine Political-Correctness-Debatte, die sich vor allem am Islam bzw. Islamismus entzündet. Badinter, eine konsequente Verfechterin der Laïzität, also der Trennung von Staat und Kirche, prägte für die VerfechterInnen des Kulturdifferenzialismus, wie der „Freiheit, das Kopftuch zu tragen“, den Begriff Islamo-Linke. Denn in der Tat wird – in Frankreich ganz wie in Deutschland – das „Recht auf das Kopftuch“ allen voran von Linken und Liberalen hochgehalten. Von dem Zwang zum Kopftuch, der in immer mehr Ländern für Millionen Frauen eine Frage auf Leben und Tod sein kann, ist in diesen Kreisen kaum die Rede.
Und die Konsu-
mentinnen? Die haben die Wahl,
wo sie kaufen ...
Mehr Charakter bewiesen die französischen Stewardessen. Die Air France fliegt im Zuge der wiederaufgenommenen wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Iran seit April wieder dreimal in der Woche die Strecke Paris-Teheran. Dazu erließ sie die Anweisung an ihre Stewardessen, auf diesem Flug Hosen, langärmelige Oberteile und, beim Verlassen des Flugzeugs, ein Kopftuch zu tragen. Die Stewardessen protestierten – unterstützt von der Gewerkschaft und der Bewegung „My stealthy Freedom“ (Meine heimliche Freiheit). Bei dieser Facebook-Aktion wagen es Iranerinnen, Fotos zu veröffentlichen, auf denen sie ihr Haar wehen lassen. Einige von ihnen sind im Exil, andere leben noch im Iran – und riskieren viel mit dieser Art von Protest.
Auch die Lufthansa hat ihre Stewardessen angewiesen, sich beim Aussteigen in Teheran zu bedecken. Sie verlangt von ihnen sogar das Tragen eines „traditionellen Islamischen Gewands“, also den Abaya. Gab es Proteste? „Nein“, behauptet eine Lufthansa-Sprecherin, „das ist kein Thema“. Crewmitglieder allerdings berichten anderes. „Wir hassen es!“ ist zu hören.
In Frankreich schaltete sich inzwischen die Gewerkschaft ein. Sie sieht in der Verschleierungspflicht „einen Angriff auf die freiheitliche Selbstbestimmung und die Würde der Frau“. Air France stellte ihren meuternden Stewardessen jetzt immerhin frei, die Linie zu fliegen – oder auch nicht. Wir Konsumentinnen sollten uns auch die Freiheit nehmen, bei den Marken, die Umsatz mit der Verschleierung der Frauen machen, noch zu kaufen – oder auch nicht!