Vier Jahre Haft für PIP-Hersteller
Er hat genau gewusst, was er tat. Fast zehn Jahre lang hat Jean-Claude Mas, 74, mit seiner südfranzösischen Firma „Poly Implantat Prothèse“, kurz: PIP, seine Brustimplantate mit billigem Industrie-Silikon gefüllt. Er nannte es „unsere Hausmischung“. Dass die Hausmischung die Gesundheit hunderttausender Frauen auf der ganzen Welt ruinieren würde, wusste der Unternehmer: Immer, wenn die Kontrolleure anrückten, ließ er sein Billig-Silikon verschwinden und legte hochwertige Implantate vor und fälschte Computerdaten. Sobald die Kontrolleure das Haus verlassen hatten, floss, heißt es, Champagner.
Im März 2010 flog der Betrug auf. Zu viele Frauen, die PIP-Implantate in sich trugen, klagten über Schmerzen und schwere Gesundheitsschäden. Nahezu die Hälfte der Implantate rissen, das Industrie-Silikon ergoss sich innerhalb ihrer Körper. In Deutschland wurde der Skandal im Frühjahr 2012 ruchbar. Es stellte sich heraus, dass alle Beteiligten versagt hatten: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das 2001 die Implantate zugelassen hatte; der TÜV Rheinland, der in Deutschland für die Kontrolle der Implantate zuständig war – und die ÄrztInnen und Kliniken, die die Implantate bis 2012 einsetzten, obwohl das BfArM bereits seit 2010 davor gewarnt hatte.
Jetzt hat das Strafgericht Marseille Jean-Claude Mas zu vier Jahren Haft verurteilt ohne Bewährung. Aber die Frage, wer den betroffenen Frauen nun eine Entschädigung für Gesundheitsschäden und Arbeitsausfall zahlen muss, ist weiter offen. Auch in Deutschland klagten über hundert Frauen. Eine von ihnen ist Cornelia Freitag. „Mein Arzt hat mir versichert, dass er nur hochwertige Plantate verwendet, die nicht reißen könnten. Das Risiko sei praktisch null“, erzählte sie in EMMA. Bisher haben Freitag und die anderen Klägerinnen noch keinen Pfennig gesehen.
Der TÜV-Rheinland, der im November von einem Gericht in Toulon zur Zahlung von je 3.000 Euro an die französischen PIP-Opfer verurteilt wurde, hat gegen das Urteil Berufung eingelegt – wie übrigens auch PIP-Produzent Mas. Jetzt plant die Münchner Kanzlei Graf & Zierhut, die viele Klägerinnen vertritt, "eine große Klagewelle gegen die behandelnden Ärzte, den TÜV- Rheinland und die Allianz Frankreich, um auch ein positives Urteil eines deutschen Gerichtes zu erwirken.“