Über das Alter reden

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Vor ein paar Wochen feierte eine Freundin ihren vierzigsten Geburtstag. Sie gab am Vorabend eine Party, war fröhlich, bis es zwölf Uhr schlug. Während sie die Glückwünsche entgegennahm, brach sie in Tränen aus. Sie habe die Vier erreicht, sagte sie: Nun sei sie alt, ihre Jugend dahin. Sie war noch genauso schön und vital wie fünf Minuten vorher, aber es war die Zahl, die sie verzweifeln ließ. Vierzig, die große Zäsur, mit der die Möglichkeiten im Leben einer Frau offenbar schwinden.

Sie wolle nicht mehr auf ihr Alter angesprochen werden, sagte meine Freundin später, es solle es keiner wagen, sie danach zu fragen. Sie, die sonst eine starke Frau abgibt, hat nun zwei Möglichkeiten: Entweder, sie macht sich jünger und lügt über ihr wahres Alter. Oder sie macht ein Geheimnis daraus. Ich frage mich, was schlimmer ist. Zumal sie mit beiden Varianten eine von sehr vielen wäre.

Warum verhüllen Frauen ihr Alter? Und zwar gerade Frauen, die sich Feministinnen nennen und bei jeder Gelegenheit darauf hinweisen, dass Frauen zu sich stehen sollten, also so auftreten sollten, wie sie sind. Bei der Altersangabe machen sie dann eine Ausnahme. Sie streichen sie aus ihrem Lebenslauf und finden, das tue nichts zur Sache.

Ich finde schon. Weibliches Selbstbewusstsein beruht doch auf der Freiheit und dem Mut, den eigenen Weg zu gehen, egal, was die anderen denken. Verleugnet man sein Alter, verleugnet man seine Erfahrungen, die eigene Geschichte. Man folgt dem gesellschaftlichen Diktat, dass Jugendlichkeit mehr wert ist als Lebenserfahrung. Jugend ist die Göttin der Gesellschaft. Alle huldigen ihr.

Was für eine Ironie: Frauen bestätigen mit ihrer Alterslüge Männer, deren gesellschaftliche Macht sie sonst bekämpfen. Die Männer haben Schönheitsideale jahrhundertelang mitgeprägt, zu denen ein jugendlicher Körper und ein faltenloses Gesicht gehören. Eine Frau, die ihr Geburtsdatum aus jedem Dokument löschen möchte, richtet sich nach diesen Normen. Eine Frau, die alles daransetzt, für zehn Jahre jünger gehalten zu werden, bestätigt das Begehren der Männer, die junge Frauen wollen. Und also keine wie sie.

Ich kenne natürlich die Argumente, die jetzt kommen: Es gehe nicht darum, sich jünger zu machen, sondern man werde als Frau noch immer aufgrund des Alters diskriminiert. Man wolle sich die Chancen auf dem Arbeitsmarkt bewahren. Das mag bis zu einem gewissen Grad stimmen, betrifft aber auch Männer über 50. Man verschweigt das Alter ja nicht etwa nur wegen der Arbeit, sondern auch in der Liebe. Laut Untersuchungen soll jeder Fünfte beim Online-Dating sein Alter nach unten verfälschen. Es sind vor allem Frauen.

Manche von ihnen weisen die Frage nach ihrem Alter gleich als „sexistisch“ zurück und als „übergriffig“. Sie wollten „nicht auf eine Jahreszahl“ reduziert und daran gemessen werden. Jahreszahlen markieren den Anfang und das Ende unseres Lebens. Eine Biografie ist mit der Zeit verflochten, jeder einzelne Tag wird zu Geschichte. Ich möchte zum Beispiel wissen, in welchem Alter Virginia Woolf bei ihren Tagebucheinträgen war. Oder wann Ingeborg Bachmann in ihr „Dreißigstes Jahr“ ging. Es spielt eine Rolle, dass Simone de Beauvoir 41 war, als sie „Das andere Geschlecht“ veröffentlichte und 64 als sie „Das Alter“ veröffentlichte. Und die sinnliche Fanny Ardant feierte am 22. März ihren 73. Geburtstag! Und steht dazu. Macht es sie weniger attraktiv?

Schon klar: Frauen sollen anderen Frauen nicht vorschreiben, wie sie mit ihrem Älterwerden umzugehen haben. Sie sollen einander auch nicht outen. Und doch wäre es ein Vorteil für alle Frauen, ihr Alter nicht mehr zu verheimlichen. Es wäre ein letzter Schritt zu weiblicher Ermächtigung, sich auch noch von der Alterslüge zu emanzipieren.

PS: Soeben wurde ich 50. Noch Fragen?

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