Von Kormoranen & Imam*innen
Bei der CDU gibt es auf Seite 27 was zu Lachen. Da wird gefordert: „Wir wollen mehr als bisher Vorfahrt für Familien und Kinder in Behörden und Einrichtungen; bzw. an Flughäfen, Fahrkartenschaltern und Museen“. Will sagen: Die Familienlosen bzw. diejenigen, die gerade nicht im Familienverband auftreten, sollen Familien nun immer vorlassen in der Schlange. Warum? Weil „Familien und Kinder das Fundament unserer Gesellschaft sind“. Wie billig – in jeder Beziehung. Grundsätzlich spielt die Familienpolitik im CDU-Programm eine viel größere Rolle als die Frauenpolitik – letztere kommt als Begriff schon gar nicht mehr vor. Es fällt auf, dass die Konservativen gerade eine Rolle rückwärts machen: Diskriminierung von Frauen im Beruf, Abschaffung des Ehegattensplittings oder Betreuung in Ganztagsschulen: kein Thema. Der Kampf gegen Sexualgewalt und Frauenhass schon gar nicht.
Statt Ehegatten-Splitting ein Familientarif - aber nicht für bestehende Ehen
Die SPD ist in Sachen Frauenpolitik der Klassenprimus, Frauen kommen auf 25 von 116 Seiten des Programms vor, und zahlreiche feministische Forderungen sind eingeflossen. Das Problem ist nur: Die SPD verspricht immer viel, hält aber dann wenig oder nichts. Beispiel Ehegattensplitting. Diese Finanzierung der Hausfrauenehe, die Vater Staat alljährlich 20 Milliarden kostet, wollte die SPD laut Programm schon 1999 in der rot-grünen Regierung streichen. Es passierte: nichts. 2002, 2009, 2013 kündigte die SPD jedes Mal in ihrem Wahlprogramm erneut eine Reform des Splittings an. Es passierte: nichts. Nun also wieder: Aus dem Ehegattensplitting soll ein „Familientarif“ werden. Aber, keine Sorge, die Herren Abgeordneten im Hohen Hause: Für bestehende Ehen soll das auch bei der SPD nicht gelten, nur für zukünftige.
Das Schönste aber sind die Kormorane bei der FDP auf Seite 26. Da erklären die Liberalen programmatisch: „Wir brauchen ein Populationsmanagement für den Kormoran, das den Artenschutz im Blick hat und den Interessen der Menschen dient.“ 19 Seiten später, auf Seite 45, geht es dann auch mal kurz um Frauen („Mehr Frauen in Führungs-Verantwortung“). Christian Lindner, der Kandidat mit den coolsten Wahlplakaten hat also die Chance verpasst, einen auf Trudeau oder Macron zu machen.
Die Grünen sind in Sachen Frauenpolitik fast noch eifriger als die SPD. „Grüne Frauenpolitik unterstützt Frauen darin, wirtschaftlich unabhängig zu sein. Denn wer eigenes Geld verdient, kann sein Leben selbst gestalten“, heißt es im Programm. Die Partei denkt das Thema Frauen bei jedem Thema mit. Sogar bei den „Imam*innen. Ja mit *, damit sich nicht nur biologische Frauen und Männer berufen fühlen. Diese „Imam*innen“ sollten in Zukunft „an deutschen Hochschulen unter Wahrung der Freiheit der Wissenschaft ausgebildet werden“.
Auch Die Linke bemüht sich. Frauen auf 22 von 136 Seiten. Und ein Extrakapitel „Für einen linken Feminismus – sozial gerecht, sexuell selbstbestimmt und aktiv gegen Gewalt“. Sogar der Begriff „Cisnormativität“ hat es ins Programm geschafft: „Wir unterstützen alle Schritte, die dabei helfen, mit der staatlichen und gesellschaftlichen Heteronormativität, Cisnormativität und Zweigeschlechtlichkeit als Norm zu brechen.“ Na, geht doch.
Über das fatale Frauenbild der fundamentalistischen Muslime - kein Wort
Doch bei allen fünf Parteien ist ein Problem, das nicht nur die Frauen in Deutschland stark beschäftigt, überhaupt kein Thema: die Prostitution. Und dann der Islamismus. Dabei geht es nur um Terrorismus, Moscheen und Verbände (da gerne die Anerkennung als „religiöse Gemeinschaft“). Über das fatale Frauenbild der orthodoxen bis fundamentalistischen Muslime, die Geschlechtertrennung und die Unterdrückung von Mädchen und Frauen – kein Wort. Und nichts darüber, wie die Politik da gegenhalten und die Betroffenen schützen könnte.
Nur die AfD kümmert sich intensiv um das Thema. Und genau darum hat sie ja so einen Erfolg. Doch der Rest des AfD-Programms ist auch frauenpolitisch gesehen eine Katastrophe: gegen Antidiskriminierungsgesetz und Quoten, für Einverdienerfamilien und „Schutz des Lebens“ bei Schwangerschaftsberatung etc. Das „Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend“ soll in ein „Bundesministerium für Familie und Bevölkerungsentwicklung“ umbenannt werden. Die Rechte der Väter sollen gestärkt, die Alleinerziehenden nur dann gefördert werden, wenn sie nicht „selbstverschuldet“ allein sind. Das Schuldprinzip bei Scheidung soll wieder eingeführt werden. Und die „Tötung Ungeborener“ soll, klar, kein Menschenrecht sein. Die AfD scheint, trotz Petry, fest in der Hand der „Männerrechtler“ bzw. „Väterrechtler“.
Was die Parteien wirklich TUN, wenn sie drankommen, hängt von dem Druck der Wählerinnen und dem Engagement einzelner Abgeordneter ab. Also, liebe Leserinnen: Setzt die Parteien eurer Wahl und eure Abgeordnete unter Druck, stellt Fragen und Forderungen. Verschenkt eure Stimme nicht!
Weiterlesen in der EMMA September/Oktober 2017: Die kritische Auswertung aller Parteiprogramme auf 8 Seiten im Heft, auch Linke, Grüne und AfD. » Ausgabe bestellen