Ost-Wahlen: Überraschung!

Kevin Kühnert nach der Wahlniederlage, ohne Worte. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
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Dass dies zwei historische Wahlen und vor allem eine historische Wahlniederlage für die im Bund regierenden Ampel-Parteien werden würde, war abzusehen. Dennoch war es eine gewisse Überraschung, wie die von den WählerInnen so brachial abgestraften Parteien am Wahlabend reagierten: nämlich im Grunde gar nicht. Signalisierte jemand, dass man die Kritik verstanden habe, die in diesem desaströsen Wahlergebnis steckt? Nö.

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Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken zeigte sich „erleichtert“, dass die SPD nicht aus beiden Landtagen geflogen ist. Fast hätte Esken genau dazu beigetragen: Mit ihrem unglaublichen Satz, aus dem Attentat von Solingen lasse sich „nichts lernen“. Nun also, bei der einstigen Volkspartei: Erleichterung trotz der katastrophalen 6,1 Prozent in Thüringen und 7,3 Prozent in Sachsen. Und der hochmütige Satz: „Das Ergebnis entspricht nicht unserem Anspruch“.

Wer so ignorant mit WählerInnen umgeht, muss sich nicht wundern

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert begnügte sich mit Werbeagentur-Sprech und erklärte, seine Partei kommuniziere ihre Politik zu schlecht, weshalb sie von den WählerInnen „nicht nachvollzogen werden“ könne. Die dummen WählerInnen aber auch! Alles also eine Frage der Kommunikation, nicht der schlechten Politik? Die WählerInnen nur begriffsstutzig? Na dann.

Ähnlich sah es auch Grünen-Chefin Ricarda Lang. Die Frage der ARD-Moderatorin, ob die Grünen - mit Blick auf die Folgen von Solingen - das Sicherheitsbedürfnis der Menschen unterschätzt hätten, beantwortete sie auch nach Nachhaken schlicht gar nicht. Auch ihrer mehrminütigen Sprechblase, in der sie beklagte, man habe die Grünen im Osten zum Feindbild stilisiert, war nicht zu entnehmen, dass hier irgendeine Form von Einsicht oder Selbstkritik stattgefunden hätte. Und FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai kam über Worthülsen Marke „Wir müssen jetzt gemeinsam Lösungen suchen“ nicht hinaus.

Wer so ignorant mit den klar auf der Hand liegenden Problemen der WählerInnen (nicht nur im Osten) umgeht und die Schuld ausschließlich bei den anderen sucht (im Zweifel beim Wähler selbst), muss sich über ein solches Wahlergebnis nicht wundern. Da nützte es auch nichts, dass die Ampel in dieser Woche in Hektik 28 Straftäter nach Afghanistan abschob und künftig Asylbewerbern, die gar nicht in Deutschland sein dürften, die Geldzahlungen streichen will. Die WählerInnen dürften durchschaut haben, dass diese eigentlich selbstverständlichen Maßnahmen längst hätten umgesetzt werden müssen und jetzt nur mit panischem Blick auf die Wahlen so schnell verabschiedet wurden.

Eine klare Siegerin der Wahlen: Sahra Wagenknecht. Foto: Christian Mang/Reuters
Eine klare Siegerin der Wahlen: Sahra Wagenknecht. Foto: Christian Mang/Reuters

Es liegt auf der Hand, dass das Thema Migration – vom mehr als angeschlagenen Sicherheitsgefühl der Menschen bis zur Überforderung der Kommunen – die Menschen extrem beunruhigt. Die GewinnerInnen der Wahl sind wenig überraschend diejenigen, die sich dieses Themas annehmen (oder das zumindest behaupten): die einen mit unguten völkischen Tönen wie die „deutsche Eiche“ Björn Höcke und seine AfD; die anderen differenziert wie das Bündnis Sahra Wagenknecht. Erstere wurde übrigens zu elf Prozent mehr von Männern gewählt, wie immer die Rechten. Sahra Wagenknechts BSW errang vier Prozent mehr Frauen.

Das dürfte damit zusammenhängen, dass Frauen weniger zu (pseudo?)markigem Nationalismus neigen, wie sie ein Björn Höcke demonstriert. Das rückständige Frauen- und Männerbild der zackigen Herren kann auch Alice Weidel nicht retten und dürfte gerade bei Ost-Frauen auf weniger Begeisterung stoßen. Beim BSW ist das Thema Frauenpolitik zwar nicht gerade zentral, doch immerhin hat das Bündnis die soziale Gerechtigkeit und die Gewalt gegen Frauen auf dem Schirm (das die AfD nur dann interessiert, wenn die Gewalt von migrantischen Männern kommt) und will die Frauenhäuser ausbauen. Auch die vom BSW geplante Kinderbetreuung, bessere Schulen und Sozialpolitik – von Mindestlohn bis Renten – betreffen Frauen besonders. Ebenso das Thema Pflege. Alles Themen, die das BSW im Wahlprogramm aufgreift.

Und dann ist da in Thüringen noch Spitzenkandidatin Katja Wolf, die als Bürgermeisterin von Eisenach einen handfesten Eindruck macht.  

Der Erfolg des BSW hängt zentral mit dem Thema Krieg zusammen

Das BSW erreichte aus dem Stand zweistellige Ergebnisse und wird absehbar an beiden Landesregierungen beteiligt sein. Das hängt zentral mit einem weiteren Thema zusammen: dem Krieg und seiner Eskalation. Während Bundeskanzler Scholz ohne jede Debatte die Stationierung amerikanischer Langstreckenraketen in Deutschland durchwinkt, wurden in Sachsen und Thüringen zu 85 Prozent (!) jene Parteien gewählt, die sich gegen die Raketen-Stationierung und für diplomatische Verhandlungen mit Russland einsetzen. In Sachsen ist das neben dem BSW, der AfD und der Linken auch die CDU. Deren Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte seine kritische Haltung zu weiteren Waffenlieferungen nicht zufällig zum Wahlkampfthema gemacht.

Dass nach diesem Wahlergebnis in Teilen der Ampel die Rufe nach Kriegsertüchtigungs-Minister Boris Pistorius als Kanzler laut werden, ist, gelinde gesagt, erstaunlich. Denn auch hier regiert die Ampel erkennbar gegen den Willen der Bevölkerung. Erst kürzlich ergab eine INSA-Umfrage: 68 Prozent der Bevölkerung sind für Verhandlungen mit Russland, fast ebenso viele für einen Waffenstillstand. Die Hälfte beklagt, dass die deutsche Regierung sich zu wenig für eine diplomatische Lösung mit Russland einsetzt. Und mehr als die Hälfte der Ostdeutschen findet den Einsatz für Friedensverhandlungen wahlentscheidend! (Hier zur Umfrage!)

Dennoch ist zu befürchten, dass die Ampel-Parteien weiter nach dem alten Brecht-Zitat handelt: „Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“ Und warum schweigt der Kanzler? Will er zurücktreten?

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