Die AfD und der Antifeminismus
Zugegeben: Eine große Überraschung ist es nicht. Die „Alternative für Deutschland“ stößt bei Männern auf erheblich größere Begeisterung als bei Frauen. Dennoch: So groß ist der „Gender Gap“, dass sogar die Forschungsgruppe Wahlen ihn diesmal ausdrücklich erwähnt. In allen drei Bundesländern besteht die Wählerschaft der zweistellig durchgestarteten AfD zu zwei Dritteln aus Männern, egal ob Brandenburg (Männer: 15%, Frauen: 10%), Thüringen (Männer: 13%, Frauen: 9%) oder Sachsen (Männer: 12%, Frauen: 8%).
Zwar war zumindest die sächsische AfD mit einer Spitzenkandidatin angetreten: Frauke Petry. Die allerdings erklärt: „Mann und Frau sind nicht gleich, auch wenn die Genderforschung das behauptet.“
Petry fordert die 3-Kind-Familie und will Abtreibungsrecht verschärfen.
Dabei hat es sich die 39-jährige promovierte Chemikerin mit dem emanzipierten Kurzhaarschnitt durchaus nicht nehmen lassen, eine „männliche“ Karriere zu machen. Sie entwickelte ein Reifendichtmittel, ließ es sich patentieren und wurde als innovative Unternehmerin mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Jetzt propagiert die dreifache Mutter, die mit einem Pfarrer verheiratet ist, die Drei-Kind-Familie als Idealmodell und will das Abtreibungsrecht noch verschärfen. Als sei das Beratungsmodell nicht schon entmündigend genug. Doch schließlich müsse „das Überleben des eigenen Volkes, der eigenen Nation sichergestellt werden“.
Petrys Thüringer Kollege, AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke, ist ein erklärter Gegner des „Gender Mainstreaming“, das er in bester Maskulisten-Manier als „Sonntagskind der Dekadenz“ verhöhnt. Dabei hat er, wie fast alle Kritiker des Gender Mainstreamings, offenbar nicht verstanden, worum es dabei geht: Nämlich schlicht, alle politischen Maßnahmen auf ihre Auswirkungen auf Frauen - und Männer – zu überprüfen.
Schon bei der Europawahl im Juni 2014 hatte sich gezeigt, dass Bernd Luckes Anti-Euro-Partei auch offensiv auf Antifeminismus setzt. Die AfD nominierte die christliche Fundamentalistin und Abtreibungsgegnerin Beatrix von Storch für einen Spitzen-Listenplatz. Gleichzeitig startete die Parteijugend ihre Facebook-Kampagne „Ich bin keine Feministin, weil…“ Auf Plakaten erklärten junge Frauen (und Männer), warum der Feminismus überflüssig ist.
Die Folge des Antifeminismus der AfD: Jeder zehnte junge Mann zwischen 18 und 29 Jahren wählte die AfD – aber nur jede zwanzigste junge Frau. Die konnten sich mit Plakat-Sprüchen wie „Ich bin keine Feministin, weil mein Mann mein Fels in der Brandung ist“ wohl weniger anfreunden.
Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen bevorzugte die Mehrheit der Frauen die Merkel-Partei. Die CDU hatte in Thüringen, wo seit 2009 Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht regiert, einen Frauenvorsprung von vier Prozent (Frauen: 36 %, Männer: 32 %), in Sachsen wählten sogar sechs Prozent mehr Frauen die Merkel-Partei (Frauen: 43 %, Männer: 37 %). In Brandenburg tendierten die Frauen stärker zur SPD (Frauen: 35 %, Männer: 29 %).
Die Medien erwähnen zwar den Rassismus der AfD - aber nicht den Sexismus.
Zurück zur AfD. Zwei Dinge sind an dem Mann-Frau-Gefälle in der AfD-Wählerschaft interessant:
1. Die Medien erwähnen es, wenn überhaupt, nur am Rande. Wie überhaupt der harte Sexismus und das Wettern gegen die „Gleichstellungsideologie“ (AfD-Wahlprogramm) im Themen-Ranking stets weit hinter der Euro-Frage und den Rassismus-Vorwürfen gegen die AfD firmiert.
2. Die AfD ist im europäischen Vergleich die einzige rechtspopulistische Partei, die sich den offenen Antifeminismus auf ihre Fahnen schreibt. Geert Wilders in Holland oder Marine Le Pen in Frankreich haben offenbar verstanden, dass sie mit solchen Parolen im 21. Jahrhundert beim weiblichen Wahlvolk keinen Blumentopf mehr gewinnen. Die französische Fristenlösung bei der Abtreibung anzutasten, liegt Marine Le Pen inzwischen ebenso fern wie Widerstand gegen die Homoehe. In Frankreich holte sie mit ihrem weichgespülten Programm bei den Europawahlen jede vierte WählerInnen-Stimme. Ist der Anti-Feminismus eine deutsche Spezialität?