Kürzlich sprach ich mit dem Vater einer Freundin über Jogi Löw. „Ich mag den nicht“, sagte er. „Der ist doch gar kein richtiger Trainer.“ Ich war verblüfft. Wieso denn nicht? „Der ist so zurückhaltend, der brüllt ja gar nicht rum.“ Interessant. Vor allem aus seinem Munde. Denn der Mann kann selber keinen Nagel in die Wand hauen, ist bekennender Fan des Frauenfußballs und Vater einer lesbischen Tochter. Ausgerechnet dieser Mann findet also: Joachim Löw sei irgendwie kein richtiger Mann. Denn das war es ja, was er eigentlich sagen wollte: Unser Trainer ist ein Weichei.
Der ist so zurückhaltend, der brüllt ja gar nicht rum
Wir würden es allerdings etwas anders ausdrücken: Jogi & seine Jungs sind eine neue Generation Mann - und das ist auch gut so. Die alte Generation macht ja schon lange keine so gute Figur mehr. Auch nicht im Fußball. Beckenbauer hat für die WM die rote Karte bekommen, weil er glaubte, die Ermittlungen in Sachen FIFA-Korruption schlicht ignorieren zu können. Sein Boss Blatter hat ohnehin die Anmutung eines Mafia-Paten, Uli Hoeneß sitzt schon im Knast.
Überhaupt gibt es Etliches im Gebaren der echten Kerle von damals, auf das frau heutzutage gerne verzichtet. Stefan Effenbergs Stinkefinger und seine unsägliche Autobiografie („Ich hab es allen gezeigt“), Trappatonis legendäre Wutrede, Jupp Derwalls Trainingsanzüge.
Und jetzt haben wir also einen Bundestrainer, der nicht rumbrüllt, sondern leise vor sich hinschwäbelt. Einen, der darauf achtet, dass nicht nur die Pässe der Spieler, sondern auch seine Hemden und Haare sitzen. Einen, der sich traut, Werbeträger für Nivea zu sein. Seine Spieler, heißt es in den Medien, schätzten seinen „sachlich, ruhigen Stil“ und seine „menschliche Art“. Auf dem Platz sei er bekannt für seine „stille Aufmerksamkeit“ und seine Neigung zur „inneren Einkehr“.
Apropos innere Einkehr. Was war das für ein Theater, als zur WM 2006 Jürgen Klinsmann mit seinen Yoga-Trainern und Mannschafts-Psychologen anrückte. Denn Klinsi war es ja gewesen, der, mit Jogi als Co-Trainer, den Generationenwechsel eingeläutet hatte. Als erster Bundestrainer öffnete der erklärte „Familienmensch“ Klinsmann die Türen des Mannschaftshotels, vor dem bis dato ein „Men only“-Schild Frauen und Kindern den Zutritt verwehrt hatte. Dafür schmiss er die betagten DFB-Funktionäre aus dem Speisesaal, damit die Spieler sich offen über ihre Sorgen und Probleme austauschen konnten. Er tauschte den stählernen Oliver Kahn aus gegen den soften Jens Lehmann und machte keinen Hehl daraus, dass ihm das egomanische Krieger-Getue des eigentlich unantastbaren „Titanen“ gehörig auf die Nerven ging.
Dieser Mädchenkram! Dieser Psycho- quatsch!
„Klinsmann wirkt in der urmännlichen Fußballwelt wie ein Fremdkörper“, schrieb damals die Zeit. „Der neue (Klins)Mann“ jubelte EMMA (siehe unten). Die Generation "echter" Fußball-Männer aber war irritiert bis außer sich. Dieser Mädchenkram! Dieser Psychoquatsch! In der Tat konnte man sich Karl-Heinz Rummenigge oder Hans-Peter Briegel schlecht beim Sonnengruß vorstellen.
Heute darf man lesen, dass vieles von dem, was Klinsmann damals gegen enorme Widerstände von Beckenbauer & Co. eingeführt hat, inzwischen als Standard gilt. Und Fakt ist auch: Der deutsche Männerfußball ist überhaupt erst wieder Weltspitze, seit diese "Mädchen-Methoden" angewandt wurden. Vorher war Rumpelfußball. Und der war zu Beginn der Ära Klinsmann/Löw so erfolglos, dass schon Platz 3 als "Sommermärchen" gefeiert wurde.
Jetzt aber wollen wir uns erst mit dem finalen Sieg zufrieden geben. Dank Löw. Irgendwas muss der schicke, stille Jogi also richtig machen. Was so manchen greisen DFB-Funktionär und den einen oder anderen Stammtisch insgeheim - oder auch offen - umso mehr ärgert. Jetzt hat das Weichei mit seinen netten Jungs auch noch Erfolg.
Diese hübschen Spieler, die vor dem Anpfiff sichtbar eine gewisse Zeit vor dem Spiegel verbringen. Vielleicht mit Ausnahme des Naturburschen Thomas Müller. Dessen Frau, eine professionelle Dressurreiterin, gibt übrigens in Interviews zu Protokoll, dass sie nicht mit nach Brasilien gefahren ist, weil sie sich um ihre eigenen beruflichen Termine kümmern muss. Und Lukas Podolski erklärte nach der Geburt seines Sohnes, es gäbe für ihn nichts Schöneres, als bei seiner Familie zu sein.
Cool wäre, wenn der neue Mann es den alten Säcken richtig zeigen würde
Ob die Frau von Philipp Lahm in Brasilien ist, wissen wir nicht, dafür aber, dass der Kapitän DFB-Botschafter gegen Homophobie im Fußball ist. Und als gesichert darf wohl ebenfalls gelten, dass keiner von Jogis Jungs einen solchen Retro-Spruch von sich geben würde wie vor einigen Tagen Andi Brehme. Nach dem markerschütternden Foul an Neymar hatte der Ex-Nationalspieler, 54, beklagt, dass inzwischen über "jedes kleine Foul" diskutiert werde. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht bald Mädchenmannschaften auf dem Platz stehen haben.“
Aus all diesen Gründen wünschen wir EMMAs Jogi & seinen Jungs den WM-Titel. Weil es enorm cool wäre, wenn der neue Mann den alten Säcken so richtig zeigen würde, dass sie knietief im Abseits stehen: Adeus Karl-Heinz & Hans-Peter, Günther & Rudi! Bem vindo Jogi & Hansi, Bastian & Mats!
Chantal Louis