Brexit - und die Britinnen?
Der Außenhandel ist in den Medien das Thema beim Brexit. Die Konsequenzen für Frauen werden komplett ausgeblendet. Wie kann das sein?
Weil hauptsächlich Männer im Plenarsaal sitzen und weil hauptsächlich männliche Journalisten darüber berichten. Es ist ein Sandkastenkrieg, den Boris Johnson und David Cameron da austragen. Es sind niedrigste männliche Machtinstinkte, die am Ende nicht nur die Frauen, sondern ganze Völker über die Wupper gehen lassen.
Was kommt denn konkret auf die Britinnen und Briten zu?
Eine sozioökonomische Krise. Schauen Sie mal nach Griechenland. Ein Stabilitätsverlust hat immer ökonomische Konsequenzen - auch Großbritannien wird eine Wirtschaftskrise bekommen. Wenn Gehälter sinken, öffentliche Leistungen und Fördergelder zusammengestrichen werden, trifft es die zuerst, die am Wenigsten haben. Und das sind auch in Großbritannien noch immer die Frauen. Das Land hat einen Gender Pay Gap von 21 Prozent und einen von 41 Prozent für Mütter. Noch härter wird es Alleinerziehende treffen. Und: In wirtschaftlichen Krisen verschärfen sich Sexismus und Rassismus. Selbst die Preise in der Prostitution werden sinken. In Griechenland prostituieren Frauen sich heute für fünf Euro pro Freier.
Ist das den Britinnen klar?
Längst nicht allen. Es gibt genug, die tatsächlich glauben, der Brexit könnte ihnen was bringen. Auf Veranstaltungen zum Thema „Frauenrechte“ in London habe ich aber auch erlebt, wie Frauen vor Verzweiflung geweint haben. Der Schutzschirm Europas fliegt ihnen weg. Viele der britischen Gesetze beruhen im Bereich der Gleichstellungs- und Antidiskriminierungspolitik auf EU-Gesetzgebung. Zum Beispiel die Richtlinien zum Schutz der Rechte von schwangeren Arbeitnehmerinnen oder die zur Beseitigung des „Gender Pay Gaps“. All diese Gleichstellungsrichtlinien sind nun nicht mehr vor Rückschritten geschützt.
Großbritannien wird aber nicht gleich in die Steinzeit und die der Herrenclubs zurückfallen…
Nein, die Rechtsvorschriften werden nicht automatisch unwirksam. Aber das Land hat nun die Möglichkeit, sie zu überarbeiten, ohne dabei Mindeststandards, die vorher garantiert werden mussten, auch weiterhin zu beachten. Sicher, Europa hat viele Baustellen, aber es war immer die Gleichberechtigung, die die EU verbindlich vorangetrieben hat. EU-Politik war und ist ein Motor und Garant für Frauenrechte. Großbritannien hängt sich mit dem Brexit von dieser progressiven Entwicklung ab. Das Land selbst hatte in Sachen Frauenrechte nie unbedingt eine Vorreiterrolle.
Wo genau trifft der Brexit denn die Frauen zuerst?
Beim Thema Gewalt gegen Frauen zum Beispiel.
Mehr dazu in der März/April-EMMA 2020.