In der aktuellen EMMA

Was Männer über Frauen denken…

Männer unter sich. Was denken sie wirklich? Foto: edhar/istockphoto
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Dieser ganze Genderkram geht mir dermaßen auf den Sack!“ Dieser Satz stammt erwartbar von einem Mann. Der wagte es aber erst, ihn auszusprechen, als seine Kolleginnen den Raum verlassen hatten. Erst wenn Männer unter sich sind, wird es richtig spannend, denn dann geht es ans Eingemachte. Dann fallen Sätze wie „Sexuelle Belästigung? Meiner Frau passiert sowas nicht!“ Oder: „Frauen sind halt keine geborenen Führungskräfte.“ Oder: „Wir brauchen mittlerweile Männer- statt Frauenförderung!“

Das ist dann der Moment von Martin Speer und Vincent-Immanuel Herr. Der Politologe und der Ökonom sind als Duo Herr & Speer in Unternehmen unterwegs, um über Männer, Frauen und ihr (Arbeits)Verhältnis zueinander zu sprechen. Firmen, die sich Frauenförderung und Diversity auf ihre Fahnen geschrieben haben, holen die beiden Männer zwecks Diskussion mit den Mit­arbeiterInnen. Da geht es um Frauen in Führungspositionen und Männer in Elternzeit, um Buddys und Quoten, um Gesprächskultur und Gleichstellungsbeauftragte.

In ihren Workshops in mittlerweile Hunderten Unternehmen von klein bis ganz groß haben Herr & Speer zwei Dinge festgestellt. Erstens: „Wir beobachten seit ein paar Jahren, wie sich der Konflikt über eins der wichtigsten Themen unserer Zeit zuspitzt: Geschlechtergerechtigkeit.“ Zweitens: So richtig offen reden die Männer nur unter sich.

Immer wieder gibt es Situationen wie diese bei einer Schulung männlicher und weiblicher Führungskräfte in einem großen deutschen Unternehmen: „Anwesend waren rund 30 Personen, darunter zu Beginn auch eine Handvoll Frauen aus der Diversity- und Personalabteilung. Wir begannen mit einem allgemeinen Austausch zu Gleichstellungsfragen und hörten von der Absicht des Unternehmens, hier weitere Fortschritte zu erzielen. Männer sprachen von ihren Töchtern oder ihren Kolleginnen und wie relevant es sei, auch für diese eine bessere Arbeits- und Lebenswelt zu schaffen. Der Ton war kollegial, nach vorne gerichtet, höflich und verständnisvoll. Zu Kontroversen kam es nicht.“ Nach einer halben Stunde baten Herr & Speer die anwesenden Frauen zu gehen. Es blieben 25 Männer aus dem mittleren Management. „Der Moment, in dem die letzte Frau den Raum verließ und die schicke Glastür zuzog, hat sich tief in unsere beiden Gedächtnisse eingebrannt.“ Denn nun brach es aus den Männern heraus: Angst, Ärger und auch Wut über tatsächliche oder vermeintliche Ungerechtigkeiten. Von der angeblichen Bevorzugung von Kolleginnen durch Quotenregelungen bis hin zur gefühlten Bevormundung durch Sprachvorgaben. 

Seitdem ist es die Strategie von Herr & Speer, in den Unternehmen reine Männerrunden zu schaffen, eine Art Safe Space für die Männer und ihren Gesprächsbedarf und damit der Moment der Wahrheit. Denn sie sind zu der Überzeugung gelangt, dass man ihnen zuhören muss, den Männern. Was die beiden erklärten Feministen zu hören bekommen, „wenn die letzte Frau den Raum verlässt“, ist so aufschlussreich, dass Herr & Speer es in einem Buch mit dem gleichnamigen Titel aufgeschrieben haben, Untertitel: „Was Männer wirklich über Frauen denken.“ Sie haben die Männer, die der anzustrebenden Geschlechtergerechtigkeit gleichgültig, skeptisch oder gar feindselig gegenüberstehen, in zehn Typen eingeteilt: vom „Alphamann“ über den „Verunsicherten Mann“ bis zum „Wolf im Feministenpelz“.

Und dann gibt es da noch den „Statistiker“, der für jede Aussage über die Benachteiligung von Frauen eine Studie und exakte Quellen einfordert. Oder den „Privatmann“. Er betrachtet Fragen wie Kinderbetreuung, Elternzeit und Arbeitszeitmodelle nicht etwa als gesellschaftliche Themen, sondern eben als: reine Privatsache. Als Vorgesetzter zieht er sich auf den Standpunkt zurück, dass er „als Chef gar nicht das Recht habe, mich in die Privatentscheidungen meiner Teammitglieder einzumischen“. Und dann ist da natürlich noch der waschechte „Sexist“, der auch im 21. Jahrhundert noch immer frank und frei erklärt: „Frauen gehören an den Herd und zu den Kindern.“

Verglichen mit dem Sexisten und dem ihm artverwandten „Antifeministen“ („Wir Männer haben doch die größeren Nachteile: kürzere Lebens­erwartung, höheres Suizid-Risiko, gefährlichere Jobs“), ist der der Alphamann aus der Perspektive von Frauen gar nicht der Schlechteste. Zumindest der Untertypus „Workoholic-Alphamann“, denn der setzt schlicht auf Leistung. Wenn eine Frau, genau wie er selbst, Tag und Nacht für das Unternehmen schuftet, legt er „eine erstaunliche Offenheit für mehr Frauen in Führung an den Tag“. Von Fördermaßnahmen wie Quoten oder Mentoring hält der Alphamann selbstredend nichts. Das „Gendergetue“ hält er für „Mädchenkram“. Denn: „Wer Führung will, muss Ellenbogen einsetzen. Frauen müssen das endlich mal lernen.“

Der „verunsicherte Mann“ würde (angeblich) gern, traut sich aber nicht. „Ich habe Angst, meinen Chef nach Elternzeit zu fragen, weil ich Nachteile für meine Karriere befürchte“, sagt er. Also hält er lieber die Klappe. Auch zum Thema Feminismus, denn: „Das Thema ist ein Minenfeld.“ Der verunsicherte Mann ähnelt dem „Durchschnittsmann“, der alles auf die Umstände schiebt. „Gerechte Verteilung von Sorgearbeit hängt letztlich an den Rahmenbedingungen. Als durchschnittlicher Mann kann ich da gerade nicht so viel machen.“ Während der „Pseudofeminist“ immerhin der Ansicht ist, dass er sich frauenfreundlich verhält, weiß der „Wolf im Feministenpelz“, dass er das nicht tut. Die „Wölfe im Feministenpelz“ haben erkannt, „dass Gleichstellungsmaßnahmen und gendersensible Kommunikation längst keine Nischenthemen mehr sind, sondern in die Werkzeugkiste jeder modernen Führungskraft und Organisation gehören. Wer den Anschluss nicht verlieren will, übt sich also besser schleunigst im Vokabular und ändert sein Verhalten.“ Motto: „Wenn es mir dient und zum guten Ton gehört, mache ich jetzt eben auch diesen Genderkram.“ Weil es ihm dabei ausschließlich um sich selbst geht, ist der Wolf einer der unangenehmsten Männertypen, die Herr & Speer in den Unternehmen ausgemacht haben. Denn seine Hinterhältigkeit verfolgt im Zweifel auch weitergehende Ziele. O-Ton: „Seitdem ich einen softeren Ton anschlage, finden mich die Frauen attraktiver. Ist eine gute Masche, sie ins Bett zu bekommen.“

Herr & Speer wissen, dass bei einigen Männern Hopfen und Malz verloren ist. „Es gibt Männer, die offen sind, sich dem eigenen Unwissen zu stellen, dazuzulernen, zuzuhören und ihren Weg als Verbündete anzutreten. Und es gibt Männer, die trotz aller Bemühungen, Fakten und eindringlicher Bitten nicht bereit dafür sind.“

Jedoch die erreichbaren Männer mit ihren Ängsten und Unsicherheiten, aber auch mit ihrem – manchmal ja womöglich berechtigten – Ärger ernst zu nehmen, halten sie für immens wichtig. „Mit Männerängsten umzugehen, sie besser zu kanalisieren und zu thematisieren, ohne sie zu verharmlosen oder zu entschuldigen, ist das Gebot unserer Zeit“, schreiben die Männerexperten. Denn: „Ohne Schwarzmalerei zu betreiben: Der Kessel steht gehörig unter Druck. Es liegt in unser aller Interesse, die Temperatur zu senken, bevor er uns um die Ohren fliegt.“ 

Weiterlesen: Vincent-Immanuel Herr + Martin Speer: Wenn die letzte Frau den Raum verlässt (Ullstein, 19.99 €)

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