Wer war die Vollverschleierte bei Will?
Sicher, man kann so eine vollverschleierte Frau in eine Talkshow einladen. Denn es gibt sie ja, und wir JournalistInnen müssen uns auch mit dieser Realität auseinandersetzen. Aber dann muss das Ziel sein, diese Realität zu benennen und die Hintergründe und Ansichten des Gastes zu entlarven. Das aber hat Anne Will nicht nur nicht geleistet, sondern hatte sie offenbar gar nicht vor. Mit ihren erschreckend harmlosen Fragen („Fühlen Sie sich unterdrückt?“) lieferte sie Nora Illi, der „Frauenbeauftragten“ des „Islamischen Zentralrats Schweiz“, eine Steilvorlage nach der anderen. Und die legte los und tat das, was ihr Job ist: Propaganda verbreiten für einen schariagläubigen Islam.
Anne Will lieferte der Konvertitin eine Steilvorlage nach der nächsten
Titel der Sendung: „Mein Leben für Allah – warum radikalisieren sich immer mehr junge Menschen?“ Genau diese Frage hätte Will eigentlich ihrem Talkgast Nora Illi stellen müssen. Denn die heute 31-Jährige, die nach eigenem Bekunden mit 18 zum Islam konvertiert war, gehört zu genau jener Gruppe Radikalisierter.
Dazu wäre allerdings die eine oder andere Information über Nora Illi und den Islamischen Zentralrat Schweiz Voraussetzung gewesen. Zum Beispiel die, dass der Ehemann der vollverschleierten Konvertitin, Qaasim Illi, wie sie Konvertit, in der Schweiz berüchtigt ist als „Dschihadist von Bümpliz“ (Woz) und vom Schweizer Nachrichtendienst überwacht wird.
Nora Illi ist die „Zweitfrau“ des Islamisten und hat mit ihm vier Kinder. Die Tochter eines deutschen Psychotherapeuten und einer Schweizer Sozialpädagogin, ist entschiedene Verfechterin der Polygamie, denn die sei „im Islam festgeschrieben“. Festgeschrieben ist, wie Nora Illi in Interviews zu Protokoll gibt, auch der „größere sexuelle Trieb von Männern“ und der „Hang der Frau zur Eifersucht“. Daher habe die Polygamie „viele Vorteile“. Auf die Frage, ob auch ihre Töchter den Gesichtsschleier tragen sollten, antwortet Illi: „Jede Mutter wünscht sich für ihre Kinder das Beste. Der Gesichtsschleier gehört für mich dazu.“
Im Juli 2016 hatte Illi medienwirksam gegen das Vollverschleierungsverbot im Schweizer Kanton Tessin protestiert. Sie hatte bewusst gegen das Verbot verstoßen und sich die daraufhin fällig Geldstrafe von 230 Franken von dem algerischen Unternehmer Rachid Nekkaz bezahlen lassen. Der bekennende Islamist erstattet Frauen in Frankreich, Belgien und anderen Ländern, in denen das Burkaverbot gilt, deren Strafen, damit sie weiter Propaganda für die „freiwillige“ Vollverschleierung machen können.
Skandalisierung und Quote bestimmten diese Sendung
Nur en passant wurde in der Sendung erwähnt, dass Nora bereits als 16-Jährige in Dubai und Oman war, mit ihrem Vater. Beide Länder sind Hochburgen des Islamismus. Warum Noras Vater mit ihr in diese Länder gereist ist? Das wissen wir nicht. Anne Will fragte die so spektakulär Vollverschleierte nicht danach. Nicht Aufklärung und Erkenntnis bestimmten diese Sendung, sondern Skandalisierung und Quote.
Kritische Nachfragen von Anne Will? Fehlanzeige. Stattdessen bügelte die Moderatorin mehrfach den Psychologen und Extremismus-Experten Ahmad Mansour ab, der forderte, man möge mit Frau Illi doch einmal über Gleichberechtigung reden. Dabei wäre die Sendung ohne Mansour, der heute mit radikalisierten Jugendlichen arbeitet, ganz abgeglitten. Denn der machte den Job der Moderatorin und stellte die kritischen Fragen.
Und als die vollverschleierte Illi die Frauenfreundlichkeit des Islam ernsthaft mit dem Satz erklärte: „Wir müssen den Spagat zwischen Familien-Frau und Karriere-Frau, dem andere ausgesetzt sind, weniger machen“, blieb es dem CDU-Politiker Wolfgang Bosbach vorbehalten, die schriftgläubige Nora Illi mit der Ungleichbehandlung der Frau im Koran zu konfrontieren. Und es war Ahmad Mansour, der darauf hinwies, dass Radikalisierung bereits mit einem konservativen Islam-Verständnis und der dazugehörigen Geschlechtertrennung beginne: „Wenn Tausende Mädchen nicht zum Schwimmunterricht dürfen, ist das auch Radikalisierung!“
Nur einmal wurde es eng für Nora Illi. Denn als ob eine vollverschleierte „Frauenbeauftragte“ nicht schon grotesk genug gewesen wäre, behauptet Nora Illi allen Ernstes, mit dem Islamischen Zentralrat „Anti-Radikalisierungsarbeit“ zu betreiben. Das war übrigens angeblich der Grund ihrer Einladung in die Sendung. Will konfrontierte Illi mit einem Eintrag auf der Homepage des Schweizer Islamrates. Dort hatte diese erklärt, dass die „Zivilcourage“ der jungen Menschen, die in Syrien für den IS kämpfen wollten, angesichts der weltweiten Unterdrückung der Muslime durchaus zu loben sei. Allerdings erweise sich dann das Leben dort als „bitterharte Langzeitprüfung mit ständigen Hochs und Tiefs“.
Die anderen Talkgäste beklagte sich über die "Propaganda"
Sodann durfte Nora Illi in der Sendung ausführen, warum der Widerstand gegen das Assad-Regime absolut gerechtfertigt sei. Während Talkmasterin Will dem beipflichtete, waren es wiederum die anderen Talkgäste, die sich darüber beklagten, dass hier „in einem öffentlichen Sender“ eine solche „Propaganda“ betrieben werden dürfe.
Die Empörung über diese Sendung ist – bei ZuschauerInnen wie Medien – groß. Zu Recht. Wie kann es sein, dass PolitikerInnen Sendungen boykottieren, um AfD-VertreterInnen keine Plattform zu bieten - wenn gleichzeitig bekennende Islamistinnen ungebremst ihre Ideologie in den Äther schicken dürfen? Nach der Sendung fragte die Welt zu recht: „Ob die rechtsextreme NPD ab sofort im Briefkasten immer ganz genau nach Talkshow-Einladungen von Anne Will suchen wird? Nach der Sendung vom Sonntagabend stellt sich diese Frage.“
Chantal Louis