Widerstand gegen Cancel Culture

Prof. Susanne Schröter und Sandra Kostner: Gemeinsamer Kampf für die Wissenschaftsfreiheit. - Foto: FFGI, Dt./Ung. Institut
Artikel teilen

Im Dezember 2017 bekommt Sandra Kostner eine Vorladung vom Staatsschutz. Anderthalb Stunden lang muss die Migrationsforscherin an der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd den Kriminalbeamten Rede und Antwort stehen. Normalerweise sind die Staatsschützer für die Verfolgung „politisch motivierter Kriminalität“ und Terrorismusbekämpfung zuständig. Warum also vernehmen sie die Wissenschaftlerin in der schwäbischen Provinz?

Anzeige

Zu Beginn des Wintersemesters 2017 hatte Sandra Koster den Politikwissenschaftler und Publizisten Hamed Abdel Samad zu einem Vortrag eingeladen. Thema: „Freiheit und Selbstbestimmung im Islam“. Der Deutsch-Ägypter, der für seine Kritik am politischen Islam vielfach Morddrohungen erhielt, äußerte sich auch zum Thema Kopftuch.

Strafanzeige gegen alle, die etwas Kritisches über das Kopftuch sagen?

„An einer Stelle seines Vortrags sagte er: Wenn eine erwachsene Frau freiwillig das Kopftuch trage, sei das selbstverständlich zu akzeptieren. Aber sie solle sich immer bewusst sein, dass sie damit das Patriarchat auf ihren Schultern trägt“, erinnert sich Gastgeberin Kostner. „Und bei Lehrerinnen fände er das Kopftuch aus Gründen der staatlichen Neutralität nicht akzeptabel.“

Eine Studentin mit Kopftuch verlässt daraufhin erbost den Raum. Vier Wochen später sitzt sie in der Sprechstunde von Sandra Kostner und erklärt, sie habe gegen Hamed Abdel Samad Anzeige wegen Volksverhetzung erstattet. „Und sie hat klipp und klar gesagt: Ziel dieser Strafanzeige sei, dass niemand mehr an die Hochschule eingeladen wird, der etwas Kritisches über das Kopftuch sagt, denn sie habe ein Recht auf ein diskriminierungsfreies Studium.“

Mehr EMMA lesen: Die September/Oktober-Ausgabe jetzt im www.emma.de/shop
Mehr EMMA lesen: Die September/Oktober-Ausgabe jetzt im www.emma.de/shop

Darum also wird Kostner bei der Polizei vorgeladen. Sie weiß zwar, dass der Staatsschutz die Anzeige fallen lassen wird. Aber der Vorfall hinterlässt bleibenden Eindruck bei ihr.

Denn die Soziologin und Historikerin, die an der University of Sydney promoviert hat, ist viel im angloamerikanischen Raum unterwegs und beobachtet dort seit geraumer Zeit, wie der Raum für offene Debatten und freie Meinungsäußerung immer enger wird. Sie erlebt, wie an der Uni von Sydney männliche Studierende aufgefordert werden, „sich im Seminar nur sehr zurückhaltend oder am besten gar nicht mehr zu melden, weil sie die anwesenden Frauen durch ihre bloße Anwesenheit unterdrücken würden“.

Sie sieht, wie an der Uni von Toronto das Dekanat auf einem Plakat dazu auffordert, sämtliche „transfeindlichen Äußerungen zu melden“. Als transfeindlich habe man schon gegolten, wenn man „kritisiert hat, dass Transfrauen im Frauensport mitmachen oder fordert, dass Frauentoiletten erhalten bleiben sollten“.

Sämtliche "transfeindliche" Äußerungen sollen gemeldet werden

Kostner beobachtet beunruhigt die Tendenz, „dass man sich nicht mehr mit Argumenten auseinandersetzt, sondern versucht, die Person, die das ‚falsche‘ Argument benutzt, moralisch zu vernichten“. Und die Migrationsforscherin befürchtet, dass „all das bald auch in Deutschland ankommen“ und das Klima des freien Denkens an den Universitäten vergiften wird.

Im Mai 2019, anderthalb Jahre nach ihrer Vorladung zum Staatsschutz, ist „all das“ da. An der Frankfurter Goethe-Universität kommt es zum Eklat.

Den ganzen Artikel in der aktuellen September/Oktober-EMMA lesen - jetzt im Handel und im EMMA-Shop!

 

 

Artikel teilen
 
Zur Startseite