Wir werden 47 Jahre!
Am 26. Januar 1977 erschien die erste EMMA. Was für eine Aufregung. Die 200.000 Startauflage war rasch vergriffen, wir druckten 100.000 nach. Die Auflage ist seither geringer geworden – wie bei allen politischen Blättern dieser Zeit, soweit sie überhaupt noch existieren – aber die Aufregung ist nicht kleiner. EMMA ist weltweit die einzige unabhängige feministische Publikumszeitschrift. Und sie bleibt im deutschen Sprachraum eine singuläre Stimme. Unabhängig und nicht immer bequem. Ein Stachel im Fleisch der Medien. Heute sind wir aktiver denn je. So soll das bleiben!
Hier die fünf Fragen, die TTT, das ARD-Kulturmagazin, uns gestellt hat. Wir beantworten sie gerne:
1. Wie sehr haben sich die Themen, die in EMMA behandelt werden, geändert in den letzten 47 Jahren (Was war damals im Interesse der LeserInnen, was ist es heute)?
Sie sind einerseits neu (z.B. Internet und Influencerinnen), andererseits die alten. Die Verhältnisse haben sich verändert. Die Wahlmöglichkeiten sind für die Enkelinnen der Pionierinnen viel, viel größer als damals, aber auch ihre Zerrissenheit ist größer. Im Zentrum der Probleme bleibt das „Schlachtfeld Körper“. Stichworte: Schönheitsideale, Schlankheitswahn, Abtreibung, sexuelle Gewalt auch in Beziehungen. Auch ist der Konflikt zwischen Familienarbeit und Berufsarbeit für Frauen noch lange nicht gelöst. Und das ewige Thema „Männer“. Noch immer machen Frauen aus Liebe zu große Kompromisse und fordern die Männer nicht konsequent genug. Neu ist das Thema Krieg. Dass es nochmal Krieg mitten in Europa geben würde – damit konnte EMMA vor einem halben Jahrhundert nicht rechnen.
2. Warum braucht es ein Magazin mit einer klar feministischen Ausrichtung?
Weil 5.000 Jahre Patriarchat nicht in 50 Jahren Neue Frauenbewegung geregelt werden können. Es gibt Fortschritte und Rückschritte zugleich. Es gibt sie noch, die alten, tiefsitzenden Probleme. Und es gibt neue, den Backlash. Die anderen Magazine sind, was den Besitz angeht, alle in Männerhand, vertreten also auch Männerinteressen. Auch durch die Frauen. Frauen, die in diesen Blättern, von Brigitte bis Spiegel, keine Kompromisse als Frauen machen, kommen nicht weit. Um konsequent die Interessen von Frauen zu vertreten, muss frau unabhängig sein. Das sind wir.
3. Wie sehr hat Frau Schwarzer das Magazin geprägt und wie sehr tut sie es heute noch?
Alice Schwarzer hat 1977 das Magazin gegründet, sie ist die Verlegerin und bis heute aktive Chefredakteurin. Sie hat das Magazin also tief geprägt und tut das heute noch. Alice ist der Motor von EMMA und inspiriert uns. Wir sind froh, dass wir die Zeitschrift zusammen machen und sind stolz darauf. Wir sind ein echtes Team.
4. Warum ist der Feminismus in politisch schwierigen Zeiten so wichtig?
Weil in Krisen immer die Interessen der Frauen und Kinder als erstes den Bach runtergehen. Das haben wir in der Coronazeit gesehen, in der die Häusliche Männergewalt schlagartig gestiegen ist. Und das sehen wir in diesen Kriegszeiten, in denen tonangebende Meinungsmacher in ihren warmen Schreibstuben gar nicht genug von Panzern und Waffengattungen schwärmen können – weitab von der tödlichen Front. Echte Feministinnen haben dann doch Tendenz, eher an die Menschen, an die Opfer und Toten zu denken. Und wer engagiert sich noch offensiv für die Frauen in Iran oder Afghanistan? EMMA!
5. Welche Rolle hat EMMA in politischen Debatten in den letzten 47 Jahren gespielt?
Eine oft entscheidende. Wir haben Gesetze verändert und Debatten angestoßen, die bis dahin total tabu waren. Und wir tun das noch: ab 1977 über den Missbrauch von Kindern und die sexuelle Gewalt in Schlafzimmern, Parks und an der Kriegsfront; ab 1978 über Pornographie (vom Stern-Prozess bis zur PorNO-Kampagne); und ebenfalls ab 1978 gegen Prostitution als „Beruf wie jeder andere“; ab 1979 über die Partizipation der Männer an der Arbeit für Kinder und Familie; sowie gegen den politischen Islam und den Kopftuch-Zwang; und schon immer für die Ermutigung durch starke Vorbilder, Rebellinnen und Heldinnen. Wir EMMAs sind glücklich, eine sinnvolle Arbeit machen zu können. Wir wissen, dass die öffentlichen Debatten ohne uns frauenignoranter und ärmer wären und die Fortschritte lahmender.
Ist doch schön, oder? Bleibt mutig!
PS: Schaut doch mal im EMMA-Lesesaal vorbei. Dort stehen (fast) alle Ausgaben seit 1977 zum Blättern und Lesen online.