Nobelpreis für Claudia Goldin
Das passte perfekt - und war doch nicht koordiniert. Das „National Bureau of Economic Research“ ist einer der renommiertesten Verbände von Forschenden der Wirtschaftswissenschaft in den USA. Morgens wurde dort ein neues Arbeitspapier der Harvard-Professorin Claudia Goldin mit dem Titel "Why Women Won" veröffentlicht. Wenige Stunden später hatte Goldin selbst gewonnen - und zwar die höchste Wissenschaftsauszeichnung der Welt: den mit 950.000 Euro dotierten Wirtschaftsnobelpreis.
Als erst dritte Frau in dessen Geschichte hat die 77-Jährige die Nobel-Auszeichnung für ihre lebenslange Forschung zum so genannten "Gender Pay Gap" erhalten. Warum Frauen für die gleiche Arbeit weniger verdienen, hatte vor ihr in den Wirtschaftswissenschaften kaum jemanden interessiert.
Die größte Aufholjagd der Frauen begann mit der Antibaby-Pille
Goldin schon: In jahrelanger Arbeit hat sie ein Archiv nach dem anderen über Daten zu Frauenarbeit in den USA seit 200 Jahren durchsucht. Um herauszufinden, wie unterschiedlich Männer und Frauen bezahlt wurden, musste sie zuerst erforschen, wo, wie und wann Frauen überhaupt beschäftigt wurden. Ihre Ergebnisse veröffentlichte Goldin 1990 in dem Buch "Understanding the Gender Gap", das zu einem absoluten Standardwerk wurde.
Darin zeigte die Forscherin, dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts relativ gesehen bereits so viele Frauen wie heute arbeiteten - allerdings meist zusammen mit ihren Männern im Handwerk oder in der Landwirtschaft. Mit der Industrialisierung ging ihr Anteil am Erwerbsleben dann drastisch zurück, um erst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder anzusteigen.
Die Erwerbsbeteiligung von Frauen stellte sich so als eine U-förmige Kurve mit einem Tiefpunkt im Jahr 1910 dar. Bislang war man in der Wirtschaftswissenschaft davon ausgegangen, dass die Frauen-Erwerbsquoten analog zum Wirtschaftswachstum steigen. Die dementsprechende Kurve wäre also eine ansteigende Gerade. Das klingt technisch, war aber für die Wirtschaftswissenschaften revolutionär - und hat das Forschungsfeld des Gender Pay Gaps überhaupt erst möglich gemacht.
In drei Zeitperioden hätten Frauen auf dem Weg zur gleichen Bezahlung ihrer Arbeit besonders aufgeholt, so Goldin. Zum einen während der Industriellen Revolution von 1820 bis 1850, als sie in den Fabriken dringend gebraucht wurden. Zwischen 1890 und 1930 öffneten sich so dann viele Bürojobs für weibliche Angestellte.
Die größte Aufholjagd begann aber mit der Erfindung der Pille, argumentiert Goldin. Diese ermöglichte Frauen eine effektive Geburtenkontrolle und so, selbst zu entscheiden, wer wann wie erwerbstätig sein wollte. Dadurch reduzierte sich die Minderbezahlung von Frauen für die gleiche Arbeit von 40 Prozent im Jahr 1980 auf 20 Prozent im Jahr 2005.
Seitdem stagniert der Gender Gap in den USA. Goldin erklärt das neben Diskriminierung mit dem von ihr geprägten Begriff der "greedy jobs" - Arbeit, die zwar sehr gut bezahlt ist, aber unverhältnismäßig lange Arbeitszeiten oder ständige Rufbereitschaft mit sich bringt. In Familien mit kleinen Kindern könne die nur ein Elternteil machen, und das sei in der Regel immer noch der Mann.
Gut bezahlte Arbeit mit Rufbereitschaft mache meist immer noch der Mann
Für Goldin selbst hat sich diese Frage nicht gestellt. Die gebürtige New Yorkerin und Jüdin, die in der armen Bronx aufgewachsen ist, ist mit einem Wirtschaftsprofessor verheiratet, Kinder haben die beiden keine. Dafür allerdings einen Golden Retriever namens Pika, über den Goldin durchaus schon mal Infos auf ihrer Webeseite teilt - wie zum Beispiel, dass er nach gut überstandener Tumoroperation seinen 13. Geburtstag gefeiert habe.
Bleibt noch nachzutragen, warum Frauen gewonnen haben, was also in dem Artikel von Goldin steht, der vom NBER kurz vor ihrem Nobelpreis veröffentlicht wurde. Es war die Frauenbewegung von 1963 bis 1973, schreibt Goldin dort: Nie zuvor und nie danach hätte sich so viel im Leben von Frauen verbessert.
Mehr zum Thema "Equal-Pay" in der am 26. Oktober erscheinenden Ausgabe!