WM: Frauen, die fighten!

Schon das inbrünstige Singen der Nationalhymne der Kolumbianerinnen, unterstützt von der großen Anzahl der Fans im Stadion, ließ erahnen, was da kommen mag. Voller Körpereinsatz, starke Zweikämpfe, Ganzkörper-Rasenkontakt in Dauerschleife. Sie haben ordentlich ausgeteilt, viele viele Fouls. Fairness sieht anders aus.

Insbesondere Alexandra Popp wurde von ihrer Gegenspielerin Daniela Arias immer wieder beackert – an der Grenze des Erlaubten und teilweise auch darüber hinaus. Gleich zu Beginn kassierte sie außerhalb des Spielgeschehens einen heftigen Stoß in die Rippen. Aber auch die deutschen Frauen haben nicht nur eingesteckt. Klara Bühl und Lina Magull gingen mit vollem Körpereinsatz in die Zweikämpfe. Und Lena Oberdorf rempelte ordentlich zurück, sah dafür dann auch Gelb. 

"Möge sie ein Vorbild für alle Mädchen in Kolumbien, ja auf der ganzen Welt sein!"

Alex Popp war die Genugtuung nach Verwandlung des Elfmeters anzusehen. So bitter dann das zweite Gegentor in der sechsten Minute der Nachspielzeit! Tja, das ist Fußball.

Aber neben aller Körperlichkeit war den Kolumbianerinnen vor allem eines anzusehen: eine Wahnsinns-Spielfreude. Allen voran Stürmerin Linda Caicedo, die auch das 1:0 mit einem Traumtor verwirklichte. Die 18-Jährige, die mit 15 Jahren an Eierstockkrebs erkrankt war, gehört zu den Shooting Stars der WM. "Gott hat meinem Mädchen dieses Talent gegeben!", sagt der stolze Vater, sie möge ein "Vorbild für alle Mädchen in Kolumbien, ja auf der ganzen Welt sein". "Kolumbien ist Linda" stand auf den Plakaten der Fans. Die feierten frenetisch ihre Frauen, das Gebuhe gegen die Deutschen hätten sie sich allerdings klemmen können. Aber ja, auch das ist Fußball. Der lebt nunmal von Leidenschaft.

Und die ist da. 5,6 Millionen Fans haben bei der Partie Deutschland gegen Marokko, dem ersten Spiel der Gruppenphase zugeschaut! Eine Traum-Einschaltquote! Und das an einem Montagmorgen. Hinfort sind all die Bedenken, die es beim unwürdigen Geschacher um die Übertragungsrechte im Vorfeld gab. Nun beim Spiel gegen Kolumbien waren es sogar zehn Millionen! Keine Frage: Die Unterstützung für die Frauen am anderen Ende der Welt, sie steht.

Die Resonanz auf die WM wird die Weichen für den Frauenfußball stellen

„Ich weiß gar nicht, ob sich unsere Spielerinnen mehr über das 6:0 oder über die Einschaltquote gefreut haben“, sagte Joti Chatzialexiou, der Sportliche Leiter der Nationalteams beim DFB, am Dienstag nach dem Marokko-Spiel in Wyong. „Die Menschen erkennen einfach an, dass der Frauenfußball sich insgesamt entwickelt hat. Es gibt tolle Zweikämpfe, tolle Eins-gegen-eins-Situationen, Spielerinnen auf technisch ganz hohem Niveau.“

 

Schön, dass der DFB das auch selbst registriert. Die Resonanz auf die WM wird ein maßgeblicher Faktor für die weitere Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland sein. Und wahrscheinlich auch der Wink mit dem ganzen Bretterzaun, den der DFB und viele Bundesliga-Vereine noch brauchen, um den Frauenfußball nicht mehr wie das fünfte Rad am Wagen zu behandeln. Einige wenige Vereine wie RB Leipzig oder der FC Bayern haben das bereits verstanden und haben die Frauen in die Infrastruktur ihrer Männervereine integriert, teilen sich Krafträume, Physio etc. und stellen ihnen auch die Top-Rasenplätze zur Verfügung.

2019 waren es Fans von Borussia Dortmund, die bei Bundesliga-Spielen der Männer das Banner entrollten: "Fußball ist für alle da - Frauenteam jetzt!" - und damit den eigenen Verein aufforderten, endlich ein Frauenteam zu etablieren. Das passierte dann auch, aber die Bundesliga ist noch weit weg, zu groß der Zeitverlust.

Nun heißt der nächste Gegner für die Deutschen Südkorea. Am Donnerstag, den 3. August, um 12 Uhr ist es so weit. Südkorea hat in der Gruppenphase knapp gegen Marokko verloren - also keine allzu schlechten Aussichten für das deutsche Team. 

Wer nochmal die Geschichte des Kampfes um "Die Hälfte vom Ball für die Frauen!" verfolgen will, hat im EMMA-Lesesaal Gelegenheit dazu! Hier Teil 1, Teil 2, Teil 3 und Teil 4! PS: Tolle Fotos!