Der Kaktus ist zornig
Es soll wohl ein Eis sein, das die Frau sich da genüsslich in den Mund schiebt. Allerdings sieht dieses Eis aus wie ein Penis - und das soll es auch: „Heiss, heiss, Baby!“ steht in bester Porno-Manier auf dem Plakat. Das aber wirbt nicht für einen Porno, sondern – für ein Fitness-Studio. Das Hamburger Studio fitness & friends wollte mit dem Blow Job seine neuen Saunen an den Mann bringen. Frauen als Zielgruppe waren offenbar nicht mitgemeint.
Die Jungs von fitness & friends erwarben sich mit ihrem Porno-Plakat hoffentlich nicht nur viele Abo-Kündigungen weiblicher (und vielleicht ja auch männlicher) Mitglieder. Sondern auch den 1. Platz beim diesjährigen Wettbewerb um die frauenfeindlichste Werbung, den Terre des Femmes ausgelobt hat: den „Zornigen Kaktus“.
Frauen als Zielgruppe? Fehlanzeige!
Zum dritten Mal bat die Frauenrechtsorganisation jene, die sauer über eine sexistische Werbung geworden waren, um die Einsendung des Motivs, das sie zornig gemacht hatte. 80 Motive wurden eingereicht. Daraus ermittelte eine vierköpfige Jury die drei Finalisten. Über diese wurde dann öffentlich abgestimmt.
Das Hamburger Fitness-Studio wurde haushoher Sieger: fitness & friends erhielt stolze 2.235 von insgesamt 3.720 Stimmen. Aber auch Platz zwei und drei ließen in Sachen Sexismus erstaunlichen Einfallsreichtum erkennen: So zeigte die Kölner MKR Rothenbücher GmbH, die mit Schrott handelt, eine Frau mit busenförmigen Metallteilen vor der Brust. Claim: „Wir nehmen auch alte Glocken.“
Terre des Femmes kritisierte nicht nur, dass der nackte Körper der kopflosen Frau „instrumentalisiert wird“. Die Jury erklärte auch: „Von ‚alten Glocken’ zu sprechen, die man gönnerisch auch ‚nehmen’ würde, ist zusätzlich diskriminierend und wertet nicht nur Frauen generell, sondern gerade alte und ältere Frauen in unerträglicher Weise ab.“
Der Deutsche Werberat: Kritik ist "überzogen"
Und schließlich Platz drei: Mal wieder ein halbnackter Frauen-Po, diesmal sandig, den das niedersächsische Gartencenter Borgmann für die Nachwuchsgewinnung einsetzt. Spruch: „Magst du’s dreckig? Werde Gärtner.“ Abgesehen vom „sexualisierten Körperteil, das als Blickfang eingesetzt wird“, moniert die Jury: „Gärtnerin? Sie wird nicht einmal textlich erwähnt.“
Mit der Verleihung des „Zornigen Kaktus“ lenkt Terre des Femmes den Blick auf das Problem der sexistischen Werbung, das offenbar eher größer als kleiner wird. Das müsste auch der Deutsche Werberat wissen. Auch im ersten Halbjahr 2017 wurde der Löwenanteil der dort eingereichten Werbemotive wegen Sexismus moniert. In 150 von 241 Werbungen, die zornige BürgerInnen einschickten, ging es um die unangemessene Darstellung von Frauen. Doch der Werberat, ein Selbstkontroll-Gremium der Werbewirtschaft, sah bei zwei Drittel der 150 eingereichten Werbungen keinen Handlungsbedarf. Er sprach in 101 Fällen die Werbung „von Kritik frei“. Eine öffentliche Rüge sprach er in nur fünf Fällen aus.
Und nicht nur das: Der Werberat beklagte, dass sich seiner Ansicht nach zu viele Menschen über sexistische Werbung beklagen: Besonders viele Beschwerden zu diesem Thema seien „überzogen“. Die Beschwerdeführer wollten nur „ihre eigenen Maßstäbe gelten lassen“.
Der Unterschied zwischen Sexyness und Sexismus
Welche Maßstäbe Terre des Femmes anlegt, erklärte Vorstandsmitglied Inge Bell unmissverständlich: „Achtung, es gibt einen Unterschied zwischen Sexyness und Sexismus. Ein inszeniertes Dekolleté in einer Werbung für ein Damen-Shirt ist absolut adäquat und kann durchaus sexy sein. Ein Einblick in eine tiefe Busenritze, die für einen Computer werben soll, ist hingegen eindeutig sexistisch.“
Noch im April 2016 hatte Justizminister Heiko Maas (SPD) ein Gesetz gegen sexistische Werbung angekündigt, das genau diesen Maßstab anlegen sollte. Nachdem der Minister für seinen Vorstoß massiv Prügel bezogen hatte („Zensur!“ „Prüderie!“), verschwand der Gesetzentwurf in der Versenkung. Schade eigentlich. Zum Glück gibt es den zornigen Kaktus.